Wichtige Marksteine
Reformierte im Spiegel der Zeit
Geschichte des Reformierten Bunds
Geschichte der Gemeinden
Geschichte der Regionen
Geschichte der Kirchen
Biografien A bis Z
(1519 - 1580)
Catherine, Baronin Willoughby de Eresbury (1519-1580) war in erster Ehe mit dem Herzog von Suffolk, Charles Brandon verheiratet. Unter Edward VI. wurde sie überzeugt evangelisch. Sie war befreundet mit Reformatoren wie Martin Bucer und Johannes a Lasco, während diese in England weilten. Als Maria Tudor den Thron nach Edward VI. bestieg und den Katholizismus in England wiedereinführte, flüchtete sie mit ihrem zweiten Gatten, Richard Bertie, und ihrer Tochter nach Wesel. Von dort ging die Reise nach Weinheim (Pfalz) und weiter nach Litauen, dank der Fürsprache Johannes a Lascos, der für sie beim polnischen König eintrat. Nach der Thronbesteigung Elizabeths I. kehrte sie mit ihrem Mann und zwei Kindern nach England zurück. Sie unterstützte bis zu ihrem Tod puritanische Pfarrer.
1. Eine katholische Kindheit und erste Ehe
2. Evangelische Witwe
3. Eine neue Familie. Flucht
4. Puritanerin in England
5. Würdigung
6. Die Herzogin von Suffolk in der Kunst
Anhang / Literatur
1. Eine katholische Kindheit und erste Ehe
Catherine Willoughby wurde 1519 geboren in einer Ehe zwischen einem adeligen Engländer, William Willoughby, Baron Willoughby de Eresby, und Maria de Salinas, einer spanischen Hofdame der Königin Katharina von Aragon. Die Eheschließung wurde wohlwollend von der königlichen Familie begleitet, Heinrich VIII. nannte eine seiner Kriegsschiffe „Mary Willoughby“ und er schenkte dem Ehepaar Ländereien. Die kleine Catherine verlor früh (1526) ihren Vater, und da sie eine sehr reiche Erbin war – in der Familie Willoughby besaßen auch Frauen das Erbrecht – wurde sie Mündel der Krone. Die Vormundschaft wurde dann wie üblich weiterverkauft, und so wurde die kleine Catherine Mündel des Charles Brandon, Herzog von Suffolk, der damals mit der Schwester des Königs, Mary Tudor, verheiratet war (Richardson). Wenn nicht in London, wohnte das Paar auf dem Gut Westhorpe in Suffolk, und Catherine wurde mit deren fast gleichaltrigen Töchtern Frances – die Mutter von Jane Grey – und Eleanor, und mit dem Sohn Henry, erzogen.
Am 24. Juni 1533 starb Mary Tudor nach längerer Krankheit. Catherine Willoughby war vermutlich bis dahin dem Sohn des Hauses als Braut angedacht, aber der Witwer Charles Brandon heiratete sie selbst im September 1533. Catherine war mit 14 Jahren gerade heiratsfähig, während ihr „Verlobter“ nur zehn Jahre alt war und damit noch zu jung für eine Eheschließung. Charles Brandon hatte gute Gründe sich die Hand Catherines zu sichern:
Charles Brandon hatte in der Ehe mit Mary Tudor Einnahmen von Ländereien sowohl in England als auch in Frankreich. Mary Tudor war in erster Ehe kurz - drei Monate lang - mit Ludwig XII. von Frankreich vermählt gewesen. Nach dessen Tod ging sie eine Liebesehe mit Charles Brandon ein. Deswegen hatte sie Lehen in Frankreich und England, die jedoch nach ihrem Tod an die Krone zurückfielen. Catherine Willoughby dagegen besaß Ländereien in Lincolnshire, welche es Charles Brandon möglich machten, sich dort einen großen zusammenhängenden Gutsbesitz zu beschaffen (Gunn).
1535 und 1537 brachte sie zwei Jungen zur Welt, Henry und Charles. Brandons Sohn Henry aus der ersten Ehe war 1534 gestorben, und es war üblich, nachgeborene Kinder nach ihren toten Geschwistern zu nennen.
Catherine war gut katholisch erzogen. Ihre Mutter war nach ihrer Ehe immer noch der Königin Catherine von Aragon eng verbunden. Als diese in Ungnade fiel, musste Charles Brandon die für ihn unangenehme Aufgabe erfüllen, ihr mitzuteilen, dass ihr Hofstaat gekürzt und ihre Bediensteten entlassen wurden. Sie wurde in die Provinz verbannt, und durfte nur mit Erlaubnis des Königs Besuch empfangen. Als es sich herumsprach, dass sie sehr krank sei, erkämpfte sich Maria de Salinas, Lady Willoughby, den Zutritt zu ihrem Schlafgemach. Wenige Tage später starb die Königin in ihren Armen. Sie wurde in der Kathedrale von Peterborough begraben, und im Trauerzug ging Catherine Brandon (Read 40f).
Als Magnat in Lincolnshire bekam Brandon 1536 die Aufgabe, die Aufstände in Lincolnshire in Verbindung mit dem nördlichen Aufstand gegen die Krone, die „Pilgrimage of Grace“ genannt, niederzuschlagen. Dies tat er schnell und effektiv und wurde dafür mit dem Schloss Tattershall und mehreren Kirchengütern belohnt. Die folgenden Jahre verbrachten er und seine Familie auf Schloss Tattershall. Brandon war 35 Jahre älter als seine Frau, aber die Ehe schien glücklich. 1539 war Catherine unter den vornehmen Frauen, die Anne von Kleve in England empfingen (Read 45f). Als Heinrich VIII. 1541 nach York reiste, um den schottischen König zu treffen, besuchte er die Brandons auf dem Gut Catherines, Grimsthorpe. Das war eine große Ehre, und Brandon ließ das Schloss umbauen, um den Majestät würdig empfangen zu können. Später war Catherine Brandon mit Catherine Parr befreundet. Sie war unter den sehr wenigen Hochzeitsgästen bei der Vermählung Catherine Parrs mit Heinrich VIII. im Jahr 1543.
Charles Brandon war zu Ruhm und Ehre gekommen, weil er ein Freund und Kumpel Heinrichs VIII. war. Wenn er religiöse Überzeugungen hatte, hielt er sie verborgen, und folgte den Anweisungen des Königs (Gunn). Unter seinen Kaplänen und Hauslehrern waren Männer, die zum neuen evangelischen Glauben neigten, aber es ist unsicher, ob Charles Brandon das überhaupt bemerkte. Es kann sein, dass Catherine durch sie die neue Lehre kennenlernte. Als ihr Mann noch lebte, verschaffte sie sich aus Übermut und vielleicht aus religiöser Überzeugung einen mächtigen Feind, Stephen Gardiner, Bischof von Winchester und Lordkanzler. Bei einem Abendessen schlug Brandon Damenwahl vor, und Catherine sagte laut, dass, wenn sie nicht ihren Gatten wählen dürfte, sie den Mann nähme, den sie am wenigsten möge, nämlich Gardiner. Er verzieh es ihr nie. Ähnliche Sticheleien betrieb sie wohl auch in jungen Jahren: sie nannte ihren Hund Gardiner und hatte einen Riesenspaß, wenn sie ihm „Sitz“ oder „Bei Fuß“ kommandierte. Der Hund wurde zudem im Bischofsornat gekleidet und in Prozession getragen. Viele Jahre später hat Gardiner an diese Beleidigungen erinnert. Es ist unsicher, wann genau sie stattgefunden haben, aber es scheinen doch die Späße einer sehr jungen Frau gewesen zu sein. Diese Anekdoten wären belanglos, hätte Gardiner sich nicht so gekränkt gefühlt.
2. Evangelische Witwe
Erst als sie sich nach dem Tod ihres Gatten 1545 mehr am Hofe aufhielt, als Hofdame für Catherine Parr, wurde ihre evangelische Gesinnung offenkundig. Sie gehörte zu dem evangelischen Kreis, den Catherine Parr um sich scharte. Zusammen hörten sie evangelische Predigten und studierten die Bibel in den Gemächern der Königin.
1546 wurde eine evangelische Adelsfrau namens Anne Askew der Ketzerei angeklagt. Sie hatte öffentlich in London gepredigt und dabei eine zwinglische Abendmahlslehre verbreitet. Askew wurde zweimal verhört und für schuldig befunden. Aber bevor sie den Tod auf dem Scheiterhaufen erleiden konnte, wurde sie noch einmal im Tower verhört und zwar von sehr hochrangigen katholischen Mitgliedern des „Privy Councils“, des Geheimrats des Königs. Sie wollten wissen, welche Kontakte Anne Askew zum Hofe hatte, und fragten besonders nach dem Kreis der Damen um die Königin. Viele von denen waren mit evangelisch gesinnten Höflingen verheiratet. Wäre es nur um sie gegangen, könnte man sich einen Angriff Gardiners gegen die evangelischen Ratsherren im Geheimrat vorstellen. Aber die Witwe Catherine Brandon wurde in der Befragung erwähnt. Es ist möglich, dass Gardiner sich den Frauenkreis vornahm, weil er damit die Königin der Ketzerei überführen wollte – Foxe berichtete von einem anderen Versuch Gardiners, die Königin zu beseitigen, der misslang. Aber selbst unter schlimmster Folter gab Anne Askew keine Namen preis. Wenige Tage danach wurde sie sitzend in einem Stuhl verbrannt, da sie nicht mehr stehen konnte (Foxe, 1563 edition, Book 3,732).
1547 starb Heinrich VIII. Er hinterließ eine Witwe und drei Kinder: Maria, Elizabeth und Edward. Edward war als männlicher Erbe der Thronfolger; er war von evangelischen Humanisten erzogen worden und von evangelischen Ratsherrn umgeben. Möglicherweise um das königliche Supremat über die Kirche zu erhalten, ließ Heinrich kurz vor seinem Tod Gardiner entmachten. Edward Seymour, sofort zum lord protector (Vormund des Königs) und Herzog von Somerset ernannt, übernahm die Regierung. Er war ein überzeugter Anhänger des neuen Glaubens. Thomas Cranmer, Erzbischof von Canterbury, schuf mit ihm die Agende: „Book of Common Prayer“ für den evangelischen Gottesdienst.
Catherine Brandon war jetzt in ihrem Element. Sie unterstützte einen evangelischen Drucker und Verleger namens John Day (King 1982, 2002). Eine Reihe von Büchern erschien nach 1548 mit ihrem Wappen, unter anderem ein Andachtsbuch Katherine Parrs. William Cecil, später erster Minister Elizabeths I., jetzt noch Sekretär des Herzogs von Somerset und Nachbar Catherine Brandons, schrieb dazu das Vorwort. Cecil blieb ihr Leben lang ein treuer Freund. Catherine Brandons Briefe an ihn sind eine vergnügliche Lektüre, ihre witzige, direkte Art kommt hier gut zum Vorschein. John Day druckte außerdem die Predigten Bischof Latimers mit einer Widmung an Catherine Brandon.
Bischof Hugh Latimer war eine Entdeckung Anna Boleyns. Schon 1530 predigte er die Fastenpredigten am Hofe. Er war Bischof von Worcester bis Heinrich VIII. gewisse katholische Dogmen für alle verbindlich machte, u. A. die Transsubstantiationslehre (Act of the Six Articles, 1539, Loades 2010, 21f). Latimer stellte seinen Bischofssitz dem König zu Verfügung. Eine Weile verbrachte er im Gefängnis und erst mit der Thronbesteigung Edwards VI. kehrte er zurück zum Hofe und predigte für den König und in London.
Latimer wurde der geistige Berater Catherine Brandons. Von 1552 bis 1554 wohnte er oft auf ihrem Gut Grimsthorpe und predigte dort. Eine Predigtreihe über die zehn Gebote entstand dort. Latimers Predigten kann man immer noch mit Vergnügen lesen. Er war wortgewandt, witzig, ein Meister der gut angebrachten Anekdote und von tiefer Frömmigkeit. In einer seiner Fastenpredigten von 1549 verglich er den Glauben mit einer wunderschönen Herzogin – zu der Zeit gab es in England zwei: die Herzogin von Suffolk und die von Somerset; Latimer nannte keinen Namen. Die Herzogin (der Glaube) hat einen „gentleman usher“, der ihr vorangeht und für sie den Weg bahnt – das ist die Sündenerkenntnis. Danach folgen die Hofdamen – das sind die guten Werke. Damit beschrieb er für alle anschaulich den Glauben als zentral, während Sündenerkenntnis und gute Werke vorher und nachher ihren Platz haben. Selbstverständlich wird angenommen, dass er von Catherine Brandon sprach (Harkrider, 70f).
Nach der Thronbesteigung Marias wurde Latimer mit den anderen evangelischen Bischöfen gefangengenommen. Catherine Brandon unterstützte ihn im Gefängnis mit Essen, Kleidung und Geld, das in den Tudor Gefängnissen benötigt wurde, um zu überleben (Read 96f). 1554 fing der Ketzerprozess gegen ihn an und im Oktober 1555 wurde er auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
In seinem Bestreben, die Englische Kirche zu reformieren, lud Erzbischof Cranmer Reformatoren nach England ein, und nach dem Augsburger Interim folgten viele seinem Ruf. Nach dem Tod Heinrichs 1547 konnte Cranmer mit der Kirchenreformation anfangen und die Edwardianische Kirche bekam eine deutliche reformierte Prägung. Viele englische Theologen waren in der Regierungszeit Heinrichs geflohen und oft reisten sie nach Zürich. Durch sie konnte Bullinger Einfluss auf die Ereignisse in England ausüben. Zürich und allmählich auch Genf wurden die Vorbilder der englischen Reformation. Die Altäre und Bilder verschwanden aus den Kirchen und stattdessen wurden Abendmahlstische aufgestellt. Ein Streit entbrannte über die Ornate der Pastoren.
Die Theologen, die als Glaubensflüchtlinge jetzt nach England kamen, waren berühmte Gelehrte ihres Faches und namhafte Reformatoren: Von Italien kamen Bernardino Ochino und Petrus Martyr Vermigli. Aus Straßburg folgten der Hebraist Paul Fagius und Martin Bucer. Cranmer ließ die beiden Italiener nach Oxford rufen, während Fagius und Bucer Professoren in Cambridge wurden (Brecht, 233-256).
Catherine Brandon ließ ihre beiden Söhne in Cambridge im St. John`s College einschreiben, mitsamt ihrem Tutor, Thomas Wilson (Harkrider, 81, Rex). Sie selbst kaufte sich ein Haus in der Nähe. Bald verband sie mit Bucer eine herzliche Freundschaft, er besuchte sie auf Grimsthorpe und sie schenkte ihm eine Kuh mit Kalb – letzteres wohl damit er Milch hatte. Ihr Verhältnis wurde so innig, dass Fagius durch den Sekretär Bucers in Straßburg, Conrad Hubert, Wibrandis Rosenblatt wissen ließ, dass sie schleunigst zu ihrem Gatten reisen sollte: „…sagend, Herrn Martinus Hausfrau, sie soll sich bald auf die Fahrt machen, oder er wird eine andere kriegen, die Herzogin von Suffolk will ihn haben, ist jetzt eine Wittfrau.“ (Bainton, 96)
Wibrandis Rosenblatt kam nach Cambridge mit der Familie, und als sie wieder wegfuhr, blieb Agnes Capito und kümmerte sich um Bucer. Ihm ging es jedoch gesundheitlich nicht gut. Als Wibrandis Rosenblatt 1550 nach England zurückkam, musste sie ihn im Winter pflegen. Catherine Brandon half ihr, aber trotz ihrer gemeinsamen Anstrengungen starb Bucer im Februar 1551. Catherine Brandon wurde von Edward VI. als Testamentsvollstreckerin an Rosenblatts Seite gestellt. Wibrandis Rosenblatt war jedoch mit den Engländern nicht zufrieden: „Ouch wussen, das mir der Bischof nit mer denn XXXX Lb. fur die Bucher geben hat. Er sagt die Frow (Herzogin Katharina von Suffolk) hab die besten; so hab der Kunig das geschrieben Ding; sin Theil sy zu thur. Ich hab recht genumen, was man mir geben hat; ich kann mich wider sy nit setzen.“ (Zimmerli-Witschi, 120)
Nach dem Tod Bucers wurde für ihn eine Gedenkschrift der Universitätsangehörigen in Cambridge herausgegeben. Darin waren beide Söhne von Catherine Brandon mit Beiträgen vertreten (Collinson 1983, 34). Diesen vielversprechenden jungen Männer war leider kein langes Leben vergönnt. Im Sommer 1551 brach der „Schweiß“ in Cambridge aus. Der sogenannte „Englische Schweiß“ war eine Infektionskrankheit, die innerhalb von kürzester Zeit ihre Opfer wegraffte. Die Brüder wurden sofort aus Cambridge weggebracht, starben aber innerhalb von Stunden, bevor es ihrer Mutter möglich war, zu ihnen zu kommen. Catherine Brandon war untröstlich. Es dauerte lange, bevor sie wieder anfangen konnte, Freude am Leben zu haben (Read).
Nicht nur Gelehrte flüchteten nach England, auch Handwerker und Handelsleute suchten einen Ort, wo sie ihre evangelische Überzeugung ausleben konnten. Für Cranmer war es eine Möglichkeit, reformierte Gemeinden zu gründen. In Canterbury entstand eine Französische Gemeinde (Pettegree 1986, 52f), wie in Glastonbury, wo viele wallonische Weber arbeiteten. In London entstanden gleich zwei Ausländergemeinden: eine französische und eine flämische, mit Johannes a Lasco als deren Superintendent. Zusammen mit den humanistischen Lehrern des Königs unterstützte Catherine Brandon die Gründung der Ausländergemeinden mit einer Bittschrift an den König und mit einer Bürgschaft (Pettegree 1986, 31). Für a Lasco waren es gute Jahren in London, mit Unterstützung vom König und von Cranmer und mit weitreichenden Freiheiten, ein reformiertes Gemeindeleben zu gestalten (Rodgers, Jürgens). Er zeigte sich später Catherine Brandon gegenüber dankbar.
3. Eine neue Familie. Flucht
Unter Edward VI. konnte Catherine Brandon ihre evangelische Gesinnung ausleben. Ihr alter Intimfeind Stephen Gardiner verbrachte diese Jahre im Tower of London und als sie ihn im Vorbeigehen sah, bemerkte sie mit lauter Stimme: „Es ist lustig für die Lämmer, wenn der Wolf weggesperrt ist.“ (Foxe, 1583 edition, Book 12, 2102-2105)
Die kirchlichen Reformen galten vor allem dem Gottesdienst und den Kirchengebäuden (MacCulloch 1999). Die alte katholische Ausstattung wurde aus den Kirchen verbannt, versteckt, verkauft oder verbrannt. Catherine Brandon, die in Lincolnshire Patronatsrechte für viele Kirchen besaß, hatte früher oft Pfründe an von ihren Klöstern vertriebene Mönche vergeben. Jetzt gab sie die Pfründe an verheiratete Männer mit Universitätsausbildung und gründete Schulen (Harkrider 84-94).
Auf Grimsthorpe hatte sie immer Kaplane mit evangelischer Gesinnung – und Hugh Latimer predigte dort als Dauergast.
Ein paar Jahre nach dem Tod ihrer Söhne heiratete sie einen Mann, den sie gut kannte und der ihre Religion teilte: Richard Bertie (1517-1582), ihr „gentleman usher“. Er war vom Adel, aber der niedere Adel tat beim Hochadel Dienst, sowie der Hochadel dem Königshaus diente. Sie heiratete einen Mann, der gebildet war, mehrere Sprachen beherrschte und ihr im Alltag treu zur Seite stand. Der „gentleman usher“ war eine Art Zeremonienmeister und er regelte vermutlich ihren Haushalt. Dennoch heiratete sie unter ihrem Stand. Anscheinend fühlte sie sich nach dem Tod ihrer Söhne frei, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Es war wohl Hugh Latimer, der sie 1553 auf Grimsthorpe traute (Read 92). Während Catherine Bertie im Jahr danach schwanger wurde und 1554 eine Tochter, Susan, gebar, starb Edward im Sommer 1553. Seine Schwester Maria bestieg den Thron. Sie war immer katholisch gewesen, hatte in den vergangenen Jahren deswegen Streit mit ihrem Bruder gehabt und war überzeugt, dass sie das Werkzeug Gottes war, um England wieder zum katholischen Glauben zurückzuführen. Zuerst wurde die Messe wiedereingeführt. Die Gemeinden versuchten, ihre Kirchen so auszustatten, dass sämtliche Riten durchgeführt werden konnten – die Gemeinden, die vorher ihr Inventar versteckt hatten, konnten sich glücklich preisen (Loades 2010).
Sehr viele Engländer waren ohne Zweifel froh, zu den alten Sitten und Ritualen zurückzukehren. Andere hatten sich an die Gottesdienste in der Landessprache gewöhnt, lasen ihre Bibel auf Englisch und sahen die Messe als Götzendienst an. Diese Leute – vor allem in London – trafen sich heimlich zu Gottesdienst und Gebet.
Die ersten, die den Ernst der Lage spürten, waren die Ausländergemeinden. September 1553 bestieg a Lasco mit einem Teil seiner Gemeinde drei Schiffe und fuhr nach Dänemark. Im lutherschen Land war die Gruppe als reformierte nicht willkommen und sie setzte ihre Reise nach Emden und schließlich nach Frankfurt fort. Gardiner, der Lordkanzler Marias geworden war, entwickelte eine Technik, um Ketzer loszuwerden: er lud sie zum Gespräch ein! Meistens wurden diese ob dieser Einladung so erschrocken, dass sie sofort England verließen (Pettegree 1986, 115f).
Ostern 1554 erging dann die Einladung Gardiners an Richard Bertie. Gardiner listete alle die Kränkungen, die Catherine Bertie ihm zugefügt hatte, auf und fragte, wie Catherine es mit der Messe hielt. Die Königin wollte Philipp von Spanien heiraten und bei der Gelegenheit könnte Catherine Bertie – immer noch Herzogin von Suffolk – Anstoß erwecken: sie hatte immer noch nicht die Messe auf Grimsthorpe eingeführt und konnte bei den Hochzeitsfeierlichkeiten nicht teilnehmen, obwohl ihre Mutter dem spanischen Hochadel angehört hatte. Als ihr Gatte war Bertie für sie juristisch und religiös verantwortlich. Er verteidigte ihre Gewissensfreiheit und schlug vor, er solle Geld, das der Kaiser Charles Brandon schuldete, bei Karl V. eintreiben. Dafür erhielt er eine Ausreisegenehmigung und versuchte, Asyl für Catherine und Susan, die im selben Jahr geboren worden war, zu finden. Im Herbst 1554 wurden die mittelalterlichen Ketzergesetze wieder in England eingeführt mit Wirkung vom 20. Januar 1555. Anfang Januar 1555 verließ Catherine Bertie in der Nacht ihr Haus in London mit dem Kind und ein paar Dienstboten (Foxe, Hrsg. Cattley 1839, Bd.8, 569-572).
Maria Tudor hatte vorerst die wichtigsten Geistlichen im Visier: die Bischöfe Cranmer, Ridley und Latimer waren schon in Gefängnis. Am 28. Januar wurde Anklage gegen andere leitende Evangelische erhoben. Alle starben den Märtyrertod – was seitens der Regierung vielleicht nicht vorgesehen oder gar erhofft war (Loades 2010, 81-96). Viele Mitglieder der Oberklasse, vor allem die Schwester der Königin, Prinzessin Elizabeth (http://www.frauen-und-reformation.de/?s=bio&id=115) und William Cecil, der Freund Catherine Berties, blieben in England und gingen zur Messe. Andere ergriffen die Flucht (Garrett).
Catherine Bertie hatte eine abenteuerliche Reise in die Niederlande vor sich. Den Ärmelkanal im Winter zu überqueren erwies sich als schwierig. Nach Wochen erreichte sie endlich Land, wurde von Richard Bertie (Garrett, 87-89) empfangen und nach Xanten gebracht. Sie wussten, dass sich die wallonische Flüchtlingsgemeinde aus London mit ihrem Pfarrer François Perussel im benachbarten Wesel aufhielt, und wollten auch dorthin. Xanten war katholisch und dort konnten sie nicht bleiben. Während sie noch in Xanten ihren Asylbescheid abwarteten, erfuhren sie, dass sie erkannt worden seien, und beschlossen, zu Fuß nach Wesel zu laufen ohne Bedienstete und Gepäck, nur sie drei, als ob sie einen Spaziergang machten. Es war kalt und frostig und während sie unterwegs waren, regnete es auf den gefrorenen Boden. Völlig durchnässt kamen sie in Wesel an. Keine Herberge wollte sie hereinlassen und am Ende suchten sie Schutz unter dem Vordach der Kirche (St. Willibrord?). Richard Bertie suchte nach Feuerholz und fand mit Hilfe einiger Schuljungen, die mit ihm Latein sprechen konnten, das Haus, wo Pastor Perussel gerade zu Abend aß. Groß war die Freude des Wiedersehens. Die Berties erhielten trockene Kleider und am nächsten Tag wurde ihnen vom Stadtrat Asyl gewährt (Foxe 1839, Bd. 8, 572-574).
Wesel hatte schon 1545 eine Gruppe wallonischer Weber aus Tournai aufgenommen. Man konnte die Handwerker gut gebrauchen und versicherte sich nur, dass die keine Wiedertäufer waren. Sie konnten Predigtgottesdienste in eigener Sprache halten, aber Sakramentsverwaltung wurde ihnen nicht zugestanden. Sie mussten mit der lutherschen Stadtgemeinde die Sakramente empfangen. Sie suchten Rat bei Calvin und er ermahnte sie zur Besonnenheit (CO 20, 419ff, Nr.4169; Weseler Konvent, 28ff). Als Perussel im Herbst 1553 mit den Wallonen aus England ankam, wiederholten sich die Probleme. Die Flüchtlinge hatten in England weitgehende Selbständigkeit genossen. Wieder schrieb Calvin an sie und mahnte zur Geduld (13.3.1554, CO 15, 78ff; a.a.O. 31f). Perussel schrieb allerdings auch an a Lasco und wurde von ihm unterstützt, Selbständigkeit für seine Gemeinde einzufordern. Das ging natürlich nicht gut. Melanchthon wurde um ein Gutachten gebeten, aber die Stadt entschied für sich, dass die Flüchtlinge weiterziehen mussten. Im März 1557 verließen die Engländer Wesel, nachdem sie sich beim Rat für den Aufenthalt bedankt hatten. Sie zogen nach Bern, wo sie sich im Aarau (Garrett, 353-356) niederlassen durften. Perussel zog mit einer Gruppe nach Frankfurt (Denis, 161-222).
Catherine und Richard Bertie waren schon längst nicht mehr in Wesel. Am 12. Oktober 1555 hatte Catherine einen Sohn, Peregrine (Lat. Peregrinus = Fremdling) geboren und ihn am 14. Oktober in St. Willibrord taufen lassen. Sehr viele Engländer hatten im Laufe des Jahres sich ihnen angeschlossen und durften englische Gottesdienste (ohne Sakramentsfeier) abhalten. Zwei frühere Bischöfe waren unter ihnen: Miles Coverdale, der Tyndale`s Bibelübersetzung vervollständigt hatte (Garrett, 132-134), und William Barlow (Garrett, 80). Im Herbst 1555 setzte sich Miles Coverdale beim Pfalzgrafen und Herzog Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken für die Berties ein. Coverdale hatte durch die Empfehlung von Conrad Hubert, Bucers Sekretär, eine Stelle als Schulmeister in Bad Bergzabern inne. 1555 kehrte er dorthin als Kaplan zurück. Dadurch war er dem Pfalzgrafen bekannt. Dessen Vetter, der Kurfürst Ottheinrich von der Pfalz, bot der Herzogin sein Schloss Weinheim als Wohnung an (Harkrider).
Dort kam im Juli 1556 ein Kurier von Maria Tudor an. Im Herbst 1555 hatte das Parlament in London einen Gesetzesvorschlag Marias zu Konfiskation des Besitzes der Glaubensflüchtlinge abgeschmettert. Nach geltendem Recht wurde nur der Besitz von verurteilten Schwerstverbrechern und Aufrührern konfisziert. Das Parlament lehnte es ab, diese Gesetzgebung auf die Glaubensflüchtlinge zu erweitern (Loades 2007, 45f). Maria hatte jedoch im folgenden Jahr Briefe an wohlhabende Glaubensflüchtlingen geschrieben, und ein gewisser John Brett als Kurier sollte sie überreichen. In seinem Report über seine Reise vermied Brett es sorgfältig, sich zum Inhalt der Briefe zu äußern. Ihrerseits wollten die Adressaten sie gar nicht entgegennehmen. In Frankfurt klagten sie über Brett beim Bürgermeister, in Weinheim vertrieben ihn die Dienstboten der Herzogin mit Steinen. Sie verklagte ihn beim Kurfürsten und er verbrachte einiger Zeit in Heidelberg im Gefängnis. In Straßburg schließlich wurde er von einem bewaffneten Mann von den Flüchtlingen ferngehalten (Brett). Unverrichteter Dinge musste Brett zurück nach England.
In Weinheim hatte Catherine Bertie große Ausgaben: sie sollte ihren Lebensstil aufrechterhalten und den Haushalt bezahlen (Harkrider, 109). Es muss sich herumgesprochen haben, dass ihr Geld knapp wurde. In Polen hörte Johannes a Lasco davon (vielleicht stand er immer noch in Verbindung mit Frankfurt?) und ersuchte König Sigismund II. Augustus um Hilfe für sie. Der Wojwode (=Pfalzgraf) von Vilnius, Mikolai Radziwill, selbst überzeugter Reformierter, sorgte dafür, dass der König ein an die Krone heimgefallenes Lehen in Kraziai in Litauen den Berties schenkte.
Dieses königliche Hilfsangebot erfreute die Berties sehr. Sie wagten jedoch nicht das Angebot ohne weiteres anzunehmen, sondern schickten den früheren Bischof von Bath und Wells, William Barlow, nach Polen. Dieser hatte schon für sie in Weinheim die Verhandlungen mit John Brett geführt, da die Berties, wie die anderen Flüchtlinge auch, direkten Kontakt mit Brett und seinen Briefen vermieden. William Barlow wurde auf seiner Reise von John Burcher (Garrett, 100f) begleitet, einem Kaufmann, der angeblich lernen sollte, in Krakau Bier zu brauen, der aber in seinen Briefen an Bullinger von Johannes a Lascos Wirken in Krakau erzählte (Cross). Diese Erkundungsreise war erfolgreich, und die Berties mit ihren Kindern setzten sich in Bewegung. Nördlich von Frankfurt trafen sie Soldaten des Landgrafen (Philipp von Hessen?) und der kleine Spaniel der Herzogin griff sie an. Die Soldaten durchbohrten die Karosse mit ihren Bärenspießen und Bertie mit den Hauskerlen verteidigten sie. Im Kampfgetümmel wurde das Pferd des Kapitäns getötet und die Soldaten waren überzeugt, dass diese Wallonen ihren Kapitän umgebracht hatten. Bertie ritt in die nächste Stadt, um die Angreifer von der Karosse wegzulocken. Dort suchte er Schutz im obersten Stock eines Hauses, wo er sich mit seinem Degen verteidigen konnte, bis der Bürgermeister kam, der Latein sprach. Bertie ergab sich ihm. Am nächsten Tag trafen sowohl die Herzogin als auch der Graf von Erbach ein. Der Graf kannte die Herzogin von früher und verneigte sich tief vor ihr - zum Staunen der Bürger (Foxe, 1839, Bd. 8, 574-576).
Ihre weitere Reise verlief ohne Zwischenfälle. Die nächsten zwei Jahre verbrachten sie in Litauen auf ihrem Gut. Im Winter 1558/59 erfuhren sie die Nachricht vom Tod Marias und der Thronbesteigung Elizabeths. Catherine Bertie schrieb an Elizabeth und beglückwünschte sie. Außerdem schickte sie ein kostbares Neujahrsgeschenk. Mit solchen Geschenken zeigte die Königin ihr Wohlwollen und die Untertanen bezeugten ihre Treue. Bald verstand Catherine Bertie jedoch, dass die so sehnsüchtig erwartete Königin mit äußerster Vorsicht vorging: es war nicht ihre Absicht, eine reformierte Kirche nach dem Vorbild von Genf und Zürich einzuführen. Enttäuscht schrieb die Herzogin an ihren Freund Cecil, dass die Englische Kirche weder katholisch noch reformiert sei. Sie lobte Maria Stuart für ihre konsequente Verteidigung der Messe: Sie habe wenigstens Haltung gezeigt! (Read, 132ff, Bainton, 273f)
4. Puritanerin in England
Im Sommer 1959 fuhren die Berties zurück nach England – Fürst Radziwill kaufte das Lehn von ihnen zurück und machte damit die Heimreise möglich. Bei ihrer Ankunft gab Elizabeth der Herzogin alle ihre Güter zurück und bürgerte den kleinen Peregrine ein. Sie wohnten fortan auf Grimsthorpe.
Miles Coverdale, zurück aus Genf, wo er an der englischen Bibelübersetzung („the Geneva Bible“) mitgewirkt hatte, zog vorerst nach Grimsthorpe. Später siedelte er nach London um.
1562 wurde eine neue Ausgabe von den Predigten Latimers verlegt, und in der Widmung an die Herzogin schrieb der Herausgeber Augustin Bernher, der Assistent Latimers, dass sie alles aufgegeben habe, um „ein Flüchtling für Christus und sein Evangelium zu werden“. Sie sei ohne Zweifel vom Exil zurückgebracht worden, „um die Verzweifelten zu trösten und um ein Werkzeug zu werden, damit sein heiliger Name gepriesen sein soll und sein Evangelium verbreitet“ (Goff 238f, Übersetzung M.N.). Damit hatte Bernher den Wunsch geäußert, Catherine Bertie möge den Puritanern beistehen. In der folgenden Ausgabe der Predigten aus dem Jahr 1578, schrieb Bernher in seiner Widmung: „An etliche gab der gnädige Gott eine solche Tapferkeit (= valiant spirit), dass sie alles aufgegeben haben und geduldig in fremden Ländern reisten…“ (Goff, 317). Für Reformierte wie Bernher war die Flucht, um den Glauben woanders bekennen zu können, eine mutige Handlung. Er selbst war zur Regierungszeit Maria Stuarts in London geblieben, um die heimlichen reformierten Gemeinden pastoral zu betreuen. Seine Ablehnung galt den Personen, die in England geblieben waren und zur Messe gingen. Man denke an Cecil und an Elizabeth. (Vollständige Zitate in der Originalsprache im Anhang.)
In den folgenden Jahren bildete sich in der Englischen Kirche ein reformierter Flügel aus Theologen und Laien, die fanden, die Elizabethanische Kirche sei ungenügend reformiert. Diese Gruppierung wurde Puritaner genannt, aber selbst bezeichneten sie sich als „the godly“ = die Frommen. Selbst die von Elizabeth ernannten Bischöfe meinten, man solle die Kirche weiter reformieren („ecclesia semper reformanda“), wurden aber von der Königin zurückgepfiffen.
Vornehme Familien am Hofe – die Sidneys, die Dudleys und die Russells – gehörten zu den Puritanern, aber Catherine schloss sich diesen Kreisen nicht an. Vielleicht wagte sie es nicht, sich mit Elizabeth anzulegen. Während Robert Dudley, Favorit Elizabeths und Graf von Leicester, puritanische Geistliche im ganzen Königreich untergebrachte, konzentrierte Catherine sich auf Lincolnshire (Harkrider, 115-135).
Viele puritanische Landadelige lebten ihre religiöse Überzeugung im häuslichen Rahmen vor. Andachten, Bibellesungen und eine strenge Lebensführung prägten ihren Tagesablauf. Darüber hinaus versorgte Catherine die Kirchen, wo sie Patronatsrecht hatte, mit an der Universität ausgebildeten Pastoren. Die wichtigste Anforderung an einen puritanischen Pastor war die Predigt – die früheren katholischen Priester waren ja vor allem Messpriester und Sakramentsverwalter gewesen. In London war der Bischof vorsichtig bei der Berufung von Puritanern; um 1565 herum entbrannte ein Streit mit diesen Pastoren, weil sie sich weigerten, Messgewändern zu tragen. Einige wenige Kirchen waren frühere Klosterkirchen und standen somit nicht unter der Aufsicht des Bischofs. Catherine Bertie besaß in London das alte Klarissenkloster The Minories und in der dazugehörigen Kirche Holy Trinity ließ sie ihre Kaplane predigen. Diese Gottesdienste wurden von den Puritanern in London besucht (Collinson 1967, 50, 68, 86, Collinson 1983, 259f, Bainton 275f).
Die puritanische Überzeugung der Herzogin minderte nicht ihren Ehrgeiz für ihre Familie. Sie hatte ja noch Zugang zum Hofe durch Cecil, später Lord Burghley. Zuerst versuchte sie Richard Bertie zu Baron Willoughby de Eresby ernennen zu lassen. Das gelang nicht. Dann wollte sie ihrem Schwiegersohn den Titel des Grafen von Kent zuerkennen. Damit hatte sie Erfolg: zwar lebte der Schwiegersohn nicht lange, aber die Tochter Susan wurde Gräfin. Schließlich wurde ihr Sohn Peregrine Baron Willoughby de Eresby.
1550 hatte der Herzog von Somerset ihr vorgeschlagen, seine Tochter mit ihrem ältesten Sohn, Henry Brandon, zu vermählen. Es war ein ehrenvolles Angebot, aber sie schlug es aus mit der Begründung, die jungen Menschen sollten abwarten, ob sie sich lieben könnten (Bainton, 255f). Als Peregrine dagegen im heiratsfähigen Alter war, verliebte er sich in Lady Mary de Vere. Diese Ehe passte nun der Herzogin gar nicht. Die Familie de Vere neigte eher dem Katholizismus zu („…our religions agree not“ Goff 309) und der Bruder Marys, der Graf von Oxford, hatte seine Frau, die Tochter Cecils, sehr schlecht behandelt. Wie dem auch sei, die Herzogin verbrachte ihre letzten Jahren in Klagen über ihre missratenen Kinder und Schwiegertochter. Erst als Catherine Bertie 1580 starb, wurde die Ehe Peregrines anscheinend glücklicher. Er und seine Frau bekamen sieben Kinder und er leistete erfolgreich Militärdienst für Elizabeth. Susan heiratete 1581 in zweiter Ehe einen Offizier, Sir John Wingfield, der für seine Tapferkeit bekannt war.
In Spilsbys Kirche steht ein imposantes Grabmal für Catherine und Richard Bertie mit Büsten von ihnen und biblischen Texten. Die Inschrift lautet: „Sepulchrum D. Ricardi Bertie et Catherinae Ducissae Suffolkiae, Baronissae de Willoby de Eresby, coniug. ista obiit XIX Septemb. 1580. Ille obiit IX Aprilis, 1582“: Das Grab von Herrn Richard Bertie und von Catherine, Herzogin von Suffolk, Baroness de Willoughby de Eresby, seine Gattin. Sie starb am 19. September 1580. Er starb am 9 April 1582.
5. Würdigung
Das Leben der Catherine Willoughby/Brandon/Bertie war von ihrer hohen Abstammung und großem Reichtum bestimmt. Als Witwe behielt sie den Titel ihres ersten Gemahls und war lebenslänglich als die Herzogin von Suffolk bekannt. Nach dem Tod Heinrichs VIII. spielte sie eine herausragende Rolle in der Regierungszeit Edwards V, war eine Vollstreckerin der königlichen Anordnungen und pflegte wichtige Freundschaften (nur mit Wibrandis Rosenblatt haperte es mit der Freundschafft!).
Sie nahm sich das Recht heraus, aus Liebe zu heiraten. Der jakobitische Bühnenautor John Webster schrieb seine etwas blutrünstige Tragödie „The Duchess of Malfi“ über dieses Thema: eine junge Frau, die trotz ihrem hohen Stand es wagt, ihr Liebesglück nachzustreben.
Catherine Bertie wurde in „The Book of Martyrs” von John Foxe aufgenommen, nicht weil sie auf dem Scheiterhaufen landete, sondern weil sie als Flüchtling Zeugnis ihres Glaubens ablegte. Die Quelle für John Foxe ist zweifelsohne Richard Bertie, der Episoden erzählte, in welcher er selbst eine vorteilhafte Rolle spielte. Bertie diente der Herzogin treu und ergeben. Er blieb nicht ohne Kritik. Goff berichtet (S.215), dass auf seinem Porträt auf Grimsthorpe jemand geschrieben hat: „Cendre Bien delguise Toutefois Cendre“: Selbst gut verkleidet bleibt Asche nur Asche. Das war Richard Bertie gegenüber sehr unfreundlich. Die Rechnungen für das Gut Grimsthorpe zeigen, dass er im feinsten Zwirn gekleidet war (Read 149f).
Die Zeit auf der Flucht war von viel Hilfe geprägt. Der Pastor Perussel, die früheren Bischöfe Coverdale und Barlow, die Pfalzgrafen, Johannes a Lasco und Fürst Radziwill – alle halfen sie der Herzogin und ihrer Familie. Gewissermaßen war sie immer von einer schützenden Hülle umgeben. Die Zeitgenossen bewunderten ihren Mut und Bereitschaft, England für ihren Glauben zu verlassen und in fremden Ländern zu leben.
Trotz aller Frömmigkeit verdarb sie sich ihre letzten Jahre mit ihrem Familienzwist. Sie war nie umgänglich gewesen, ihre „heats“ (= hysterische Anfälle) waren berüchtigt und gefürchtet, und sie kränkte nicht nur Stephen Gardiner. Andererseits blieben Bedienstete bei ihr über Generationen hinweg und ihre Briefe an Cecil zeigen eine sehr charmante Frau.
6. Die Herzogin von Suffolk in der Kunst
Das Schicksal der Herzogin inspirierte Dichter und Regiseure: Thomas Deloney (1543-1600) schrieb eine Ballade: „The most Rare and Excellent history of the Dutchess of Suffolk and her Husband Richard Berties Calamities”.
1624 verfasste Thomas Drue (Drew) ein Schauspiel: „The Life of the Duchess of Suffolk“. Es ist abgedruckt in Goff und von mäßigem Interesse.
John Webster´s oben erwähnte Tragödie: „The Duchess of Malfi“ ist von ihr inspiriert, ohne auf historische Fakten Rücksicht zu nehmen.
In der Fernsehserie „The Tudors“ wird sie Catherine Brooke genannt. Nicht nur was den Namen anbelangt hat die Figur mit der historischen Catherine Willoughby nichts gemeinsam. Auch die erste Ehe von Charles Brandon mit Mary Tudor hat mit historischen Tatsachen wenig zu tun.
Die historische Wirklichkeit ist genauso spannend.
Anhang:
Originaltext von Latimer´s Sermons, Widmung von 1562:
„I have set forth these sermons, made by this holy man of God (scil. Latimer), and dedicated them to your Grace, partly because they were preached in your Grace´s house at Grimsthorpe by this reverend father and faithful prophet of God, whom you did nourish, and whose doctrine you did most faithfully embrace, to the praise of God and unspeakable comfort of all Godly hearts, the which did, with great admiration, marvel at the excellent gifts of God, bestowed upon your Grace, in giving unto you such a princely spirit, by whose power and virtue, you were able to overcome the world, to forsake your possessions, lands and goods, your worldly friends and native country, your high estate and estimation with which you were adorned and to become an exile for Christ and his Gospel´s sake; to choose rather to suffer adversity with the people of God than to enjoy the pleasures of the world with a wicked conscience, esteeming the rebukes of Christ greater riches than the treasures of England, whereas the worldings are far otherwise minded; for they have their pleasures among the pots of Egypt, they eat, drink and make merry, not caring what became of Christ, or his Gospel; they be so drunken with the sweet delicates of this miserable world that they will not taste of the bitter morsels, which the Lord has appointed and prepared for His chosen children and especial friends. Of the which he did make you most graciously to taste, giving unto your Grace His spirit that you were able in all the turmoils and grievances the which you did receive, not only at the hands of those who were your professed enemies but also at the hands of them who professed friendship and good-will but secretly wrought sorrow and mischief; to be quiet and patient and in the end, brought your Grace home again to your native country, no doubt to no other end but that you should be a comfort to the comfortless and an instrument by which His Holy name should be praised and his Gospel propagated and spread abroad: to the glory of His Holy name and your eternal comfort in Christ Jesus, into whose merciful hands I commit your Grace with all yours eternally.” (Goff, 238f)
Latimer´s Sermons, Widmung von 1578: „Unto some, the self same most gracious God gave such a valiant spirit that they were able, by His Grace, to forsake the pleasures & commodities of this world, & being armed with patience, were content to travel into far & unknown countries, with their families & households, having small worldly provision, or none at all, but trusting in His providence, who never forsake them that trust in Him.” (Goff, 317)
Literatur:
Quellen:
- Brett, John: “A Narrative of the Pursuit of English Refugees in Germany under Queen Mary”, ed. I.S.Leadham, Transactions of the Royal Historical Society 11, London 1892, 113-131.
- Deloney, Thomas: “The most Rare and Excellent History of the Dutchess of Suffolk and her Husband Richard Berties Calamities” (http://ebba.english.ucsb.edu/ballad/31744/xml).
- Coverdale, Miles: Writings and Translations, ed. G. Pearson, Parker Society, Cambridge Coverdale, Miles: Remains, ed. G. Pearson, Parker Society, Cambridge 1846.
- Foxe, John: Acts and Monuments, vol.VIII, 569-76, hrsg.v. Stephen Reed Cattley, London 1841-1844
- The Unabridged Acts and Monuments Online orTAMO (HRI Online Publications, Sheffield, 2011). Available from: http//www.johnfoxe.org [Accessed: 01.03.11(e.g.)].
- John Foxe, from “The Book of Martyrs, D. The Hairbreath Escape and Exile of the Duchess of Suffolk” (1576) in: King, John N. ed.: Voices of the English Reformation, A Sourcebook, Philadelphia 2004, 292-299.
- Latimer, Hugh: Sermons, ed. G. E. Corrie, Parker Society, Cambridge 1844.
- Latimer, Hugh: Sermons and Remains, 2 Bd., ed. G. E. Corrie, Parker Society, Cambridge 1845.
Sekundärliteratur:
- Amos, N. Scott, Andrew Pettegree, and Henk van Nierop eds.: The Education of a Christian Society, Humanism and the Reformation in Britain and the Netherlands, Aldershot 1999.
- Brecht, Martin: Martin Bucer, Ein Reformator und seine Zeit 1491-1551, München 1990.
- Chester, Allan G.: Hugh Latimer, Apostle to the English, Philadelphia 1954.
- Collinson, Patrick: The Elizabethan Puritan Movement, London 1967.
- Collinson, Patrick: Godly People, Essays on English Protestantism and Puritanism, London 1983.
- Cross, Claire: `”I was a stranger and ye took me in”: Polish religious refugees in England and English refugees in Poland in the sixteenth century´ in: David Loades and Katherine Walsh, eds.: Faith and Identity, Oxford 1990, pp. 109-16.
- Denis, Philippe: Les Églises d´Étrangers en Pays Rhénans (1534-1564), Paris 1984.
- Dowling, Maria: Humanism in the Age of Henry VIII, London 1986.
- Garrett, C.H.: The Marian Exiles, Cambridge 1938.
- Goff, Cecilie: A Woman of the Tudor Age, London 1930.
- Gunn, S.J.: Charles Brandon, Duke of Suffolk, c. 1484-1545, Oxford 1988.
- Hannay, Margaret P.: “Silent but for the Word: Tudor Women as Patrons, Translators and Writers of Religious Works, Kent, Oh., 1985.
- Harkrider, Melissa Franklin: Women, Reform and Community in Early Modern England, Katherine Willoughby, Duchess of Suffolk, and Lincolnshire´s Godly Aristocracy, 1519-1580, Woodbridge 2008.
- Harris, Barbara J.: English Aristocratic Women 1450-1550: Marriage and Family, Property and Careers, Oxford 2002.
- Hogrefe, Pearl: Women of Action in Tudor England, Ames, Iowa 1977.
- Jürgens, Henning P.: Johannes a Lasco 1499-1560, Ein Europäer des Reformationszeitalters, Veröffentlichungen der Johannes a Lasco Bibliothek, Grosse Kirche Emden 2, Wuppertal1992.
- King, John N.: English Reformation Literature: The Tudor Origins of the protestant Tradition, Princeton 1982.
- King, John N.: John Day, master printer of the English Reformation, 180-208, in: Peter Marshall and Alec Ryrie: The Beginnings of English Protestantism, Cambridge 2002.
- King, John N. ed.: Voices of the English Reformation, A Sourcebook, Philadelphia 2004.
- Loades, David, ed.: John Foxe and the English Reformation, Aldershot 1997.
- Loades, David and Walsh, Katherine, eds.: Faith and Identity, Oxford 1990.
- Loades, David: The Cecils, Privilege and Power behind the Throne, the National Archives, Kew, Richmond Surrey 2007.
- Loades, David: The Religious Culture of Marian England, London 2010.
- MacCulloch, Diarmaid: Tudor Church Militant: Edward VI and the Protestant reformation, London 1999.
- McCulloch, Diarmaid: The importance of Jan Laski in the English Reformation, 325-346, in: Christoph Strohm, hrsg. : Johannes a Lasco, Polnischer baron, Humanist und europäischer Reformator, Tübingen 2000.
- MacCulloch, Diarmaid: The Later Reformation in England, 1547-1603, New York 2001.
- Neuser, Wilhelm: “Die Aufnahme der Flüchtlinge aus England in Wesel (1553) und ihre Ausweisung trotz der Vermittlung Calvins und Melanchthons” in: Weseler Konvent, 1568-1968, Düsseldorf 1968.
- Nielsen, Merete: Anne Boleyn. Bruch mit dem Papst, in: http://www.frauen-und-reformation.de/?s=bio&id=113
- Nielsen, Merete: Catherine Parr. Die erste protestantische Königin Englands, in: http://www.frauen-und-reformation.de/?s=bio&id=122
- Nielsen, Merete: Elisabeth I. Tudor, Königin von England und Irland. Die Gründerin der protestantischen Kirche in England, in: http://www.frauen-und-reformation.de/?s=bio&id=115
- Pettegree, Andrew, ed.: Foreign protestant Communities in Sixteenth Century London, Oxford 1986.
- Pettegree, Andrew: Marian Protestantism: Six Studies, Aldershot 1996.
- Read, Evelyn: Catherine, Duchess of Suffolk, London 1962 = Evelyn Read (1962), Catherine, duchess of Suffolk, London: Cape,OCLC 808762
- Rex, Richard: The role of English humanists in the reformation up to 1559, 19-40, in: N. Scott Amos, Andrew Pettegree and Henk van Nierop: The Education of a Christian Society, Humanism and the Reformation in Britain and the Netherlands, Aldershot 1999.
- Rodgers, Dirk W.: John à Lasco in England, New York 1994.
- Strohm, Christoph, Hrsg. : Johannes a Lasco, Polnischer Baron, Humanist und europäischer Reformator, Tübingen 2000.
- Zimmerli-Witschi, Alice: Frauen in der Reformationszeit, Zürich 1981.
Auf den Spuren König Davids
Johannes Calvin als Ausleger der Psalmen
Ein Aspekt aus Johannes Calvins Wirken, der für den reformierten Protestantismus von elementarer Bedeutung ist, verdient Aufmerksamkeit: das Hören und Lesen der Bibel und ihre Auslegung in der Predigt. Von Anfang an versteht sich die Reformierte Kirche als Kirche des Wortes, insofern sie von seiner Kraft her lebt sowie ihr Reden und ihr Tun immer wieder an die ausgelegte biblische Botschaft als ihr Kriterium zurückbindet. Theologischer Unterricht heißt für Calvin Auslegung der Schrift.
1. Calvins Psalmenauslegung als authentischer Ausdruck seiner Theologie
Calvins Auslegung der Psalmen[1] erschien erstmals vor 450 Jahren, im Jahr 1557, und ist somit ein Spätwerk, dem die Reife der Auslegungskunst anzumerken ist. Seine Erklärungen sämtlicher 150 Psalmen, die den Umfang von mehr als 1300 enggedruckten Spalten haben, gehen auf seine Genfer Vorlesungen zurück. Calvin hält sich nach dem Vorbild Ulrich Zwinglis (1525) und Leo Juds (1532) möglichst eng an den hebräischen Urtext und übersetzt ihn wortgetreu – gelegentlich auch unter Verzicht auf sprachliche Eleganz oder poetische Schönheit – ins Lateinische. Er hat die so entstandene und manchmal schwer verständliche Übersetzung selbst „barbarisch“ genannt, doch er hat sie bewusst in Kauf genommen, weil es ihm um die „hebraica veritas“, also um den authentischen historischen Schriftsinn, ging.
Calvins Beschäftigung mit den Psalmen fällt in eine Zeit heftiger Auseinandersetzungen um den Weg der Genfer Kirche: Anfang der 50er Jahre findet die Kontroverse mit Hieronymus Bolsec um die Erwählung statt, außerdem der Streit mit Michael Servet über die Dreieinigkeit Gottes sowie Kämpfe in der Gemeinde um Kirchenzucht und Abendmahlsausschluss. Anfeindungen, Verleumdungen und Kämpfe, von denen die Psalmen sprechen, gewinnen für Calvin eine unerwartete Aktualität und lassen den Psalter für Calvin zu einem Trostbuch ersten Ranges werden. Immer wieder trägt Calvin direkt oder indirekt seine eigenen Kämpfe in die Auslegung ein, so etwa zu Psalm 41,10 („Auch mein Freund, dem ich vertraute, der mein Brot aß, tritt mich mit Füßen“), wo er erklärt: „Die Aufzählung seiner Leiden beschließt David mit der Klage darüber, dass er sogar von einem seiner besten Freunde Treulosigkeit erfahren musste. Vielleicht ist aber trotz der Einzahl an mehrere treulose Freunde zu denken.“ Auch setzt er das Leiden des Psalmisten in Beziehung zum Leiden Christi, um über die christliche Gemeinde zu sagen, sie habe ihre Feinde innerhalb und außerhalb der Gemeinde.
Wie hoch Calvin die Psalmen geschätzt hat, geht auch aus seiner Vorrede zur französischen Psalmenübersetzung von Louis Budé (1551) hervor. Das Buch der Psalmen sei ein Spiegel, der uns zeigt, was uns zum Gebet sowie zum Dank und Lobpreis Gottes führen soll, wenn er unser Gebet erhört. Die Beziehung von Gott und Mensch erkennt Calvin als das große Thema der Psalmen. Der Calvinforscher Herman Selderhuis nennt darum die Psalmen zu Recht das „Herz“ der calvinischen Theologie.[2] Wir begegnen Calvin als einen mit seiner ganzen Person engagierten Interpreten, der ein Gespräch mit dem Text einerseits und mit den Hörern bzw. Lesern andererseits führt.
Schon die Vorrede gibt einen Hinweis auf seine persönliche Präsenz in der Auslegung: „Die Leser müssen wohl erkennen, dass die Erfahrungen, die mich Gott … im Kampf hat erleiden lassen, mir mehr als gewöhnlich geholfen haben, nicht nur alle Lehrstücke … für den gegenwärtigen Gebrauch anwendbar zu machen, sondern auch die Absichten der Schriftsteller jedes Psalms besser zu erkennen.“ Calvin ist der festen Überzeugung, dass seine eigenen Erfahrungen die Arbeit am Text nicht behindern, sondern im Gegenteil ihn tiefer in den Sinn der Texte blicken lassen.
Er selbst erkennt sich in der Gestalt Davids wieder – also im Autor der Psalmen nach der Sicht der Alten Kirche und der Reformation. In seiner unerwarteten Berufung zum Reformator, in seiner oft angefochtenen Stellung in Genf, in seinen Kämpfen und Niederlagen bei der Arbeit an der Erneuerung der Kirche: Hier identifiziert sich Calvin mit David. Hinter diesen persönlichen Erfahrungen wird das Bild der alttestamentlichen Gemeinde sichtbar, in der Calvin das Vorbild der Kirche Jesu Christi erkennt. Deshalb spricht er von den „mannigfachen und glänzenden Reichtümern“, die „dieser Schatz [der Psalmen]“ enthält. Die Psalmen sollen letztlich „dem Aufbau der Kirche dienen“.
Seit 1549 predigt Calvin nahezu Sonntag für Sonntag über die Psalmen, bis er 1554 auch den letzten Psalm ausgelegt hat. Leider sind die Predigten im Unterschied zu den Vorlesungen zum großen Teil verloren gegangen. Ein weiteres Indiz für die einzigartige Bedeutung, die er den Psalmen beigemessen hat, liegt darin, dass er seiner Sonntagspredigt sonst durchweg neutestamentliche Perikopen zugrunde legt und nur bei den Psalmen eine Ausnahme macht. Parallel zu diesen Predigten macht er die Psalmen ab 1552 zum Thema seiner Vorlesungen an der Genfer Akademie. Calvin hat sich nahezu ein ganzes Jahrzehnt so intensiv mit den Psalmen beschäftigt, dass sie ihm in dieser Zeit zur wichtigsten biblischen Grundlage seiner Theologie wurden. Und es ist interessant zu beobachten, wie diese exegetische Arbeit auf die Endfassung des „Unterrichts in der christlichen Religion“ von 1559 eingewirkt hat: Manche Spur führt von den Psalmen zur Behandlung der Vorsehung, der Erwählung, den Abschnitten zum christlichen Leben und zum Gebet.
Calvin stellt seiner Psalmenauslegung eine bemerkenswerte Vorrede voran, die eine der wichtigsten Quellen für sein biographisches Selbstzeugnis ist. Das wiegt umso schwerer, da Calvin sonst relativ selten über sein eigenes Leben spricht. Berühmt ist die Vorrede in erster Linie wegen des Satzes von der „plötzlichen Hinwendung zur Gelehrsamkeit“ (subita conversio ad docilitatem). Man sollte darunter nicht ein ganz bestimmtes Datum der Bekehrung oder reformatorischen Wende erkennen, sondern den Ausdruck dafür, dass seine Hinwendung zur Reformation unerwartet geschah.
Dieses Unerwartete, dass der Jurist und Humanist zum Reformator wurde, sieht dieser unter dem Vorzeichen, dass Gott diesen Prozess in ihm ausgelöst hat: In der Sache unerwartet habe Gott ihn mit den Gaben ausgerüstet, die ihn zur Übernahme der Aufgabe in Genf befähigten. Von der Vorrede fällt ein Licht auf Calvins Selbstverständnis als Prediger des Evangeliums von der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes. Denn hier begegnet uns Calvin in seiner theologischen Leidenschaft, an der Seite von König David dem Reichtum der Gottesrede auf den Grund zu gehen. Auf intensives Drängen hin habe er sich zur Veröffentlichung dieses Werkes entschlossen – beflügelt durch die Annahme, dass sein Werk von erheblichem Nutzen für das Verständnis der Gebete und Lieder Israels sein werde, die er als „Kostbarkeiten“ und „Schatzhaus“ bezeichnet.
Zwei Argumentationslinien verdienen besondere Aufmerksamkeit. Erstens legt Calvin seiner Auslegung den Gedanken zu Grunde, dass die Psalmen eine Zergliederung aller Teile der Seele seien, so dass jeder in ihnen ein Spiegelbild seiner inneren Regungen zu finden vermag. Demnach führt der Heilige Geist in ihnen Schmerzen, Traurigkeit, Befürchtungen, Zweifel, Hoffnungen, Sorgen, Ängste und Verwirrungen lebendig vor Augen. Sie bieten den Menschen die Möglichkeit, sich selbst in ihrem zwischen Trost und Trostbedürftigkeit schwankenden Seelenzustand wiederzuerkennen.
Das gesamte Spektrum menschlicher Empfindungen einschließlich ihrer Gottesbeziehung begegnet in den Psalmen in der Weise, dass die Menschen es mit ihrem eigenen Leben in Beziehung setzen können. Ziel dieses Identifikationsprozesses ist die Aufrichtigkeit, in der die Menschen ihres eigenen Lebens samt ihrer Grenzen, Schwächen und Abgründe ansichtig werden. Aufklärung des Menschen über sich selbst statt naive Selbsttäuschung verspricht Calvin dem, der die Psalmen studiert. Darüber hinaus bewirkt ihre Lektüre die Zunahme an „himmlischer Weisheit“ und leitet zuverlässig zur Anrufung und zum Lob Gottes im Gebet an. Vermittlung von himmlischer Weisheit und Anleitung zum Gebet: darauf zielt die gesamte Auslegung der Psalmen.
Hinzu kommt eine zweite Argumentationslinie: Calvin entdeckt im Psalmisten David sein eigenes Leben und das der bedrängten Kirche wieder. Um David und seine gelegentlich klagende Rede zu Gott zu verstehen, macht sich Calvin über sein eigenes Leben Gedanken und nimmt identisches Erleben und ähnliches Erleiden wahr. Davids Erfahrungen gelten ihm als „Spiegel“ seines eigenen Erlebens, manchmal auch als Vorbild. Das Leben und Erleben Davids wird ihm zur Vorabbildung der eigenen Biographie. So geschehen Selbstvergewisserung und Selbstzeugnis, angestoßen und geweckt durch die Beschäftigung mit den Psalmen.
Es geht beim Verstehen der Psalmen um eine theologische Bemühung, die sich biographisch auswirkt. Von Gott redet Calvin gleichsam als dem Autor, der seine Biographie schreibt: „Wie [David] von den Schafhürden zur höchsten Würde erhoben worden ist, so hat Gott auch mich von den dunkelsten und geringsten Anfängen emporgehoben und hat mich gewürdigt, das hohe Amt eines Verkündigers und Dieners des Evangeliums zu bekleiden.“ Calvin betont in alldem die Souveränität und Subjektivität Gottes, der in Davids und in seiner eigenen Biographie von sich reden macht, indem er die Ausrichtung des Lebens bestimmt. Diesen Gedanken hat im 20. Jahrhundert Elie Wiesel einmal so umschrieben: „Gott will am Anfang und auch am entscheidenden Ende unserer Handlungen sein. Er ist Frage und Antwort zugleich.“[3]
Es ist spannend zu beobachten, wie sich in der Psalmenauslegung die Theologie biographisch konkretisiert und umgekehrt die Biographie theologisch reflektiert wird. Das Verständnis von Gott als dem Autor des eigenen Lebens erweist nach Calvins Selbstzeugnis seine besondere Kraft im Bestehen der Not. Auch in dieser Überzeugung weiß sich Calvin mit David verbunden, der weniger als machtvoller König denn als nachdenklicher Dichter gezeichnet wird. In einer Predigt über Psalm 27 sagt Calvin: „David war ganz Mensch, den gleichen Leidenschaften unterworfen, die uns dann und wann quälen und umtreiben. Doch um eine feste Führung zu haben, gibt er Acht auf das, was Gott ihn sehen lässt.“ Und am Ende der Psalmenvorrede spricht Calvin vom Trost, in David ein Vorbild zu haben, und schließt: „Die Leser werden (...) merken, dass ich, wenn ich die geheimen Gedanken Davids (...) entwickle, wie von persönlich Erlebtem rede.“ Calvin zeigt auf, wie die Gotteserkenntnis die Basis für die Deutung des eigenen Lebens bildet.
2. Das Reden von Gott in den Psalmen
2.1. Gott der König
Aus der Fülle der Gottesbezeichnungen ist die Bezeichnung „König“ besonders vielsagend, weil sie in Nachbarschaft zum reformierten Leitgedanken des „Allein Gott die Ehre“ (soli Deo gloria) steht. Auf den ersten Blick steht die Redeweise von Gott als König in Spannung zu unserer Wirklichkeit, der die Vorstellung des Königtums weithin abhanden gekommen ist. Wenn Calvin die Jahwe-Königs-Psalmen 47, 93 und 96-99 auslegt, kann man feststellen: Calvin versteht unter dem Königtum Gottes seine Weltregierung und zieht Konsequenzen für das Leben der Gläubigen. Wo von Gottes Königtum die Rede ist, geht es sogleich um die Stellung des Christen in der von Gott regierten Welt.
Die Hervorhebung Gottes als König mit Macht begründet die Zuversicht der Gemeinde, in den Bedrängnissen dieser Welt bei Gott Schutz zu finden. Würden die Christen Gottes universales Wirken in Abrede stellen, gerieten sie unweigerlich in Furcht und Zittern. Calvin wörtlich: „Darin also steht Gottes Ruhm, dass das Menschengeschlecht nach seinem Willen regiert wird.“ (Ps 93,1). Gottes Sorge um die Welt und den einzelnen Menschen vollzieht sich mit „wunderbarer Weisheit und Gerechtigkeit“ (Ps 93,1f.). Und seine ordnende Herrschaft überragt nicht nur alles Irdische, sondern auch alle himmlische Herrlichkeit und alles, was sonst göttlich genannt wird (Ps 95,3). Wie sich Gottes Herrschaft in kosmische Dimensionen hinein erstreckt, so dehnt sie sich auch auf der ganzen Erde bis in die äußersten Winkel aus (Ps 47,9).
Calvin legt den Akzent auf die ökumenische Sammlung der Gemeinde, um sie unter dem Wort und der Lehre Gottes zu einer Einheit zu formen. An anderer Stelle unterstreicht er die Lebensdienlichkeit von Gottes königlicher Herrschaft: Heil, völliges Glück und Gerechtigkeit leuchten in aller Welt, ausgehend von den Juden bis hin zu den Völkern, unter Gottes königlicher Herrschaft auf (Ps 97,1). Diese Macht Gottes schließt die Bestrafung des Unrechts und die Bewahrung der Juden als seinem auserwählten Volk vor den sie umgebenden Feinden ein – ein Satz, der angesichts der Vernichtungsdrohungen gegen Israel bis heute aktuell ist. Macht und Recht, so Calvin, sind in dieser königlichen Herrschaft miteinander verbunden mit dem Ziel, dass auch im Zusammenleben der Menschen Gerechtigkeit wachse (Ps 99,1.4).
Gottes Herrschaft bedeutet also bei Calvin Schutz und Ordnung der Welt, keineswegs aber Tyrannei (Ps 145,10; 99,4). Calvins Zentralerkenntnis der Souveränität Gottes, die in der Neuzeit gelegentlich als Triumph Gottes über den Menschen missverstanden wurde, steht nicht im Gegensatz zur menschlichen Freiheit. Schließlich geht es bei Calvin um die Souveränität des Gottes des Evangeliums und nicht um eine abstrakte Überlegenheit und Mächtigkeit. Calvins Theologie hat darum nicht einen, sondern zwei Brennpunkte: die Ehre Gottes im Sinne seiner gerechten Souveränität und das Heil des Menschen im Sinne seiner Befreiung durch Gottes Barmherzigkeit.
Beides bleibt aufeinander bezogen, wie Calvin im Genfer Katechismus (1545) erklärt: „Gott selbst hat in seiner unendlichen Güte alles so gestaltet, daß alles, was zu seiner Ehre dient, auch für uns heilvoll ist.“ (Frage 258). Mit der Souveränität Gottes ist also keine schrankenlose, absolute Herrschaft gemeint. Es geht vielmehr um seine ihm zukommende gerechte Macht, und zwar eine Macht, in der er daran gebunden ist, in allem, was er tut, Gott zu sein. Diese Macht steht nicht im Widerspruch zu dem, was er faktisch tut, und nicht im Widerspruch zu seinem guten Willen zu Gunsten des Menschen. In seiner Souveränität behauptet sich Gott gegen alle Egomanie des Menschen, der gefährdet ist, selbst nach göttlicher Verehrung zu streben.
Calvins Einsicht in Gottes Regieren bedeutet zugleich eine seelsorgerliche Vergewisserung der Menschen. Zwar sei es keineswegs so, dass das Erkennen und Anerkennen Gottes zwangsläufig ein geordnetes, ruhiges und friedliches Leben nach sich zieht: „Wohin ein Mensch auch blickt, er wird umringt von einem Labyrinth von Gefahren“ (Ps 30,6). Und an anderer Stelle: „Das Verlassen des Mutterschoßes ist der Eintritt in tausend Tode“ (Ps 71,5). Calvin muss einräumen, dass ein unendlicher Kontrast zwischen unserem verletzlichen kurzen Leben und Gottes ewigem Regieren besteht (Ps 102,13).
Seine Wirklichkeitserfahrung, die durch sein Leiden an der Genfer Gemeinde geprägt ist, lässt ihn von einem vollständigen Durcheinander (confusio) der Welt und der menschlichen Verhältnisse sprechen (Ps 25,13; 30,7). Wo Gott und Mensch einander begegnen, treffen Leben und Tod aufeinander, und zwar so, dass der Mensch mitten in der chaotischen Welt die Festigkeit des Reiches Gottes wahrnehmen (Ps 1,5) und innere Ruhe finden kann (Ps 37,29). Die Paradoxie lässt sich nur dadurch auflösen, dass das Fundament dieser inneren Ruhe außerhalb des Menschen in Gott liegt. Die Argumentation zielt auf das Einstimmen in den Weg, den Gott mit den Menschen beschreitet (Ps 25,13).
Es fällt auf, dass Calvin im Angesicht des wahrgenommenen irdischen Chaos – man denke nur an die Glaubensflüchtlinge und die Gemeinden unter dem Kreuz, die Calvins Leserschaft waren – die Spannung zwischen himmlischer Ordnung und irdischem Geschick nicht harmonisiert. Im Gegenteil: Das irdische Leben ist unter dem Zeichen des Kreuzes verborgen (vgl. Inst. II,16). Auch wenn der Christ unter der Herrschaft Gottes lebt, ist und bleibt er ein Fremder und Durchreisender auf Erden (Ps 37; 4,7).
2.2. Gott als der Schöpfer von Himmel, Erde und Mensch
Calvin legt in der Auslegung der Schöpfungspsalmen großen Wert darauf, dass Gott und seine Schöpfung auf Dauer zusammengehören. Mit großem Nachdruck unterstreicht er, dass Gott aktiv – also „niemals nichts tuend“ (non otiosus) – an der ganzen Wirklichkeit teilnimmt. Er wendet sich entschieden gegen den griechischen Philosophen Epikur (341-270 v. Chr.), dem zufolge die Erde zufällig aus der Verbindung von allerlei Atomen entstanden sei: „Die Welt ist nicht ewig ..., sondern die wunderbare Ordnung, die wir vor uns sehen, ist auf Gottes Befehl ... entstanden.“ (Ps. 148,7).
Er vertieft den Gedanken in die Richtung, dass die Welt durch das Wort geschaffen ist (Ps. 33,6). Schon in seinem schöpferischen Handeln ist Gott gnädig, um Land zum Leben entstehen zu lassen (Ps. 136,4). Gemäß dem Grundprinzip seiner Theologie bezweckt die Schöpfung ein Doppeltes: Gottes Ehre und das Heil des Menschen. Alles hat Gott geschaffen, damit die Menschen seinen Namen preisen (Ps. 113,1) und sich im Loben Gottes üben (Ps. 11,10): „Wir wissen, dass wir auf diese Erde niedergesetzt sind, um mit einem Herzen und aus einem Munde Gott zu loben, und dass dies das Ziel unseres Lebens ist.“ (Ps. 6,6).
Wie der Mensch um Gottes willen geschaffen ist, so kann Calvin nun auch umgekehrt erklären, dass die Welt um des Menschen willen gemacht ist (Ps. 147,7): „Gott hat die Menschen geschaffen und in diese Welt gesetzt, damit er für sie ein Vater sein kann.“ (Ps. 89,47). Das ist der Grund von Gottes Sorge für die Welt: dass wir seine väterliche Fürsorge bemerken und seine Wohltaten genießen (Ps. 115,16). Das ideale Leben kann sich Calvin nicht anders als ein Leben mit Gott vorstellen, und ein solches Leben trägt die Züge von Heiterkeit und Zufriedenheit (Ps. 16,9).
Dass Calvins Psalmauslegung eine entscheidende Station auf dem Weg zur Endfassung der Institutio war, zeigt sich auch an der Bezeichnung der Schöpfung als „Schauspiel der Ehre Gottes“ (theatrum gloriae Dei): Er nennt die Welt „das Schauspiel von Gottes Güte, Weisheit, Gerechtigkeit und Kraft“ (Ps. 125,13; vgl. Ps. 19,7). Und in der „Institutio“ erklärt er, Gott habe die gesamte Welt „zu dem Ziel erschaffen, dass sie Schauspiel seiner Herrlichkeit sein sollte“ (Institutio III,9,4). An anderer Stelle spricht er vom Weltall als dem Spiegel von Gottes Pracht (Ps. 19,1). Aber auch in seinen Geschöpfen offenbart Gott, wer er ist: „Ist nicht der Walfisch, der mit seinen Bewegungen nicht nur das ganze Meer, sondern auch das Herz eines Menschen in Aufruhr versetzt, ein schlagender Beweis der beeindruckenden Macht Gottes?“ (Ps. 104,25). Um Gott aber vollkommen zu verstehen, ist noch eine andere Stimme als die der Natur nötig: sein Wort, ohne das der Mensch für Gottes Wesen blind bleibt.
Aufs Engste gehören Schöpfung und Freiheit zusammen: Die Beziehung, die Gott in der Schöpfung zum Menschen eingeht, ist geprägt von seiner Freiheit. Gott erschafft die Welt nicht, weil er sie braucht, sondern weil er sie will. Wie schon in sich selbst, so bleibt Gott auch in der Zuwendung zu seinen Geschöpfen frei. Anders als bei Martin Luther, der von der vollkommenen Selbstbindung Gottes an das Geschöpfliche spricht (finitum capax infiniti), finden wir bei Calvin die Freiheit Gottes betont: Zu seiner Gottheit gehört es, sich den Bedingungen der Endlichkeit zu entziehen.
Der Mensch hingegen soll seine irdische Verfasstheit annehmen und akzeptieren: „Warum den Flug in die Luft nehmen und den festen Boden verlassen, der doch der Schauplatz der Güte Gottes ist? ... Es muss der Fuß fest auf der Erde stehen, ist sie doch die Stätte, auf der wir nach Gottes Anordnung eine Zeitlang weilen.“[4] Was auf Erden geschaffen ist, steht aber unter dem Vorzeichen des Unendlichen, von dem her alles Leben sein Recht bekommt. Dieses kritische Potential sorgte dafür, dass auf Seiten der Reformierten eine Abneigung dagegen entstand, natürliche Vorgänge in der Welt als Schöpfungsordnungen hochzustilisieren. Calvins Schöpfungsvorstellung hat damit eminente politisch-ethische Konsequenzen, da hier die Überzeugung wurzelt, dass sich das Vorletzte vor dem Letzten verantworten muss.
Es ist interessant zu sehen, an welcher Stelle Calvin Jesus Christus in die Auslegung der Schöpfungspsalmen einführt. Angesichts der Tatsache, dass der Mensch die gute Ordnung Gottes verwirrt hat, bedarf es ihrer Wiederherstellung. Diese geschieht bei der Wiederkunft Christi, der endzeitlich dafür sorgen wird, dass alles wieder vollkommen in Ordnung kommt (Ps. 72,2). Die Kirche als Leib Christi ist der Ort, an dem sich schon jetzt Spuren der wiederhergestellten Schöpfung abzeichnen – dies gesagt als Trost für die, die das Leben um sie herum als chaotisch erleben (Ps. 102,26). Nicht zuletzt darum liegt Calvin soviel daran, dass die Kirche ihre Ordnung hat und gleichsam in guter Ordnung ist. Oder mit der 3. Barmer These gesagt: Die Kirche bezeugt mit ihrer Botschaft und mit ihrer Ordnung, dass sie Kirche der begnadigten Sünder ist und von Christi Trost her lebt.
2.3. Gott als der gerechte Richter
In den Psalmen wird auch über Recht und Gerechtigkeit, Zorn und Strafe geredet. Immer wieder rufen die Psalmisten Gott auf, als Richter aufzutreten und Unrecht zu bestrafen. Wie geht Calvin mit diesen dunklen Seiten Gottes um? Calvin blendet diese Texte nicht aus, sondern zeichnet Gott so als Richter, dass er wohl Respekt einflößt, aber keine Angst einjagt.
Er versteht die Gerechtigkeit Gottes primär als Treue und Barmherzigkeit, mit der er die Gläubigen beschützt (Ps. 5,9; 7,18): Gottes Gerechtigkeit „ist sein fortwährender Schutz, mit dem er über die Seinen wacht, und die Güte, mit der er sie hegt“ (Ps. 40,11). Wie Luther geht es Calvin um die Gerechtigkeit, die Gott schenkt und – hier liegt der besondere Akzent Calvins – mit der er seine Bundestreue beweist. Die Gerechtigkeit Gottes vergilt nicht jedem nach dem, was ihm zukommt, „sondern ist ein Beweis seiner Güte, Gnade und Treue“ (Ps. 98,1). Allerdings fordert Gott von Seiten des Menschen eine entsprechende Gerechtigkeit und mahnt insbesondere die soziale Gerechtigkeit gegenüber Witwen, Waisen und Flüchtlingen an (Ps. 94,5). Gerade die Kinder, die besonders verletzlich und schutzbedürftig sind, bedürfen der Fürsorge gegen alles Böse, da Unrecht gegen Wehrlose Gottes Zorn weckt (Ps. 94,5).
Gottes Gerechtigkeit und der Anspruch an die Menschen, füreinander einzutreten, hat allerdings eine Kehrseite: seine strafende Gerechtigkeit gegenüber den Feinden Israel und der christlichen Gemeinde (Ps. 5,5). Dieses Urteil Gottes über die Feinde ist der Ausdruck seiner Liebe zu den Gläubigen (Ps. 74,3): „Kein Wunder also, wenn die Gottlosen aus ihrem erträumten Glück plötzlich herausgerissen werden!“ Denn: „Jedes Mal, wenn sie über ihr Leben Rechenschaft geben müssen, erkennen sie, wie vom Schlaf erwacht, dass es nur ein Traum gewesen ist, als sie sich – kaum recht bei Besinnung – für glücklich hielten.“ (Ps. 1,5).
Sollte es den Menschen allerdings gelingen, Gott vom Thron zu holen und ihm das Amt des Richters zu nehmen, dann hätten Gottlosigkeit und Unmenschlichkeit ihren Höhepunkt erreicht. Die Botschaft Calvins ist deutlich: Eine Gottesrede, in der Gott kein über alles regierender König und kein strafender Richter wäre, wäre keine Gottesrede und würde auch die Unmenschlichkeit befördern. Calvin will Gott keineswegs auf die Gestalt des Richters festlegen. Aber er will beim Sünder das Verlangen wecken, bei Gott Zuflucht zu suchen (Ps. 19,12) und ihn um Vergebung zu bitten (Ps. 25,18).
Gottes Strafe ist eine väterliche, und wenn er straft, lässt er darin immer seine Gnade und Liebe fühlen: „Er mäßigt die Strafe nicht nur, sondern indem er die Strafe mit Trost würzt, macht er sie selbst angenehm.“ (Ps. 39,11). Strafe gegenüber den Gläubigen ist Strafe auf Zeit und mit dem Ziel der Freude (Ps. 85,6). Im Hintergrund steht der calvinische Gedanke der göttlichen Pädagogik, durch die Gott die Menschen dazu anhält, ihr Leben zu bessern.
Schließlich wagt sich Calvin auch in die Region von Gottes Zorn vor. Die Rede von Gottes Zorn ist aber ein uneigentliches Reden, weil sein Zorn immer mit Gnade vermischt ist (Ps. 6,2). Selbst wenn er zürnt, hört er nicht auf, Vater zu sein (Ps. 74,9). Von Gott wird etwas ausgesagt, was faktisch nicht auf ihn zutrifft: Denn Zorn drückt emotionale Erregung aus – eine Eigenschaft, die eigentlich nicht zu Gott passt (Ps. 74,1). In seinem Zorn setzt sich Gott gleichsam eine Maske auf, damit wir seinen Widerwillen gegen die Sünde merken (Ps. 106,23).
2.4. Gott als der liebende Vater
Öfter als über Gottes Zorn spricht Calvin von Gott als liebendem Vater. Seine Gottesaussagen münden immer wieder in die Erklärung, dass die Vaterschaft Gottes das endgültige Ziel seines Handelns ist und sich das Leben im Glauben als eine Vater-Kind-Beziehung darstellt. Die Gewissheit des Glaubens wächst, wo Gott wie ein Vater für seine Kinder sorgt. Weniger die subjektive Frage, ob jemand ein Kind Gottes ist, interessiert ihn, sondern die grundsätzliche Frage, ob Gott angesichts des Schreckens und Elends in der Welt für den einzelnen Menschen Sorge trägt.
Glaubensgewissheit bedeutet, „geduldig auf Gnade zu warten, wenn sie auch verborgen ist, und sich an sein Wort zu hängen, wenn es auch so lange dauert, bevor etwas von diesem Wort zu bemerken ist“ (Ps. 52,11). Und an anderer Stelle heißt es: Der Glaube weiß den Himmel mit der Erde zu verbinden, so dass wir „in all den Schiffbrüchen, die uns treffen, den Anker unseres Glaubens und unserer Gebete in den Himmel auswerfen“ (Ps. 88,7).
Diese Gewissheit wandelt sich in Freude an Gott. Die Freude ist nach Calvin ein wesentlicher Bestandteil des Glaubens und geradezu gleichbedeutend mit ihm (Ps. 51,9): „Obwohl wir nicht immun gegen Schmerz sind, ist es doch nötig, dass die Freude des Glaubens darüber hinaussteigt, die uns zum Singen über die zukünftige Freude bringt.“ (Ps. 13,6). Solche Freude an Gott inmitten des Unglücks zu empfinden: das ist die Botschaft Calvins für die Asylsuchenden in Genf und für die Verfolgten in Frankreich. Wiederum wird das Bewusstsein Calvins dafür deutlich, dass die Psalmen Orte und Zeiten überwinden, um in der eigenen Gegenwart das Ihre zu sagen – theologisch und existenziell.
3. Die Psalmen und Jesus Christus
Calvin geht in seiner Psalmenauslegung von einer wichtigen Voraussetzung aus, nämlich der Einheit zwischen Altem und Neuem Testament. Die ganze Bibel bezeugt den einen Gnadenbund, so dass auch im Alten Testament und besonders in den Psalmen Gottes Gnade und Treue begegnen. Zugleich gibt es in der Bibel eine fortschreitende Bundesgeschichte, wobei der Unterschied zwischen der Zeit vor und nach dem Erscheinen Christi eher graduell ist: „Christus war zwar schon den Juden unter dem Gesetz bekannt; er tritt uns aber erst im Evangelium entgegen.“ (Institutio II,9,1).
Die Einheit des Gottesbundes wird so stark betont, dass das Erscheinen Christi lediglich die Erneuerung der Zeiten ist (Ps. 48,8). Für das Verständnis der Kirche entscheidend ist die Auskunft, dass das Erscheinen Christi keineswegs der Anfang der Kirche ist, sondern lediglich der Beginn einer neuen Epoche in der Kirche (Ps. 96,7). Calvin sieht die Kirche zutiefst im Bund Gottes mit Israel verwurzelt, und die Psalmen sind ihm ein elementares Zeugnis für diesen Sachverhalt.
Vom Grundsatz der Einheit des Gottesbundes aus kommt Calvin dann allerdings auch zur Unterscheidung des Reiches Davids und des Reiches Christi (Ps. 21,4), wobei gilt: „Das Königreich Christi beginnt bei dem Königreich Davids, denn bei David wird das Fundament für Christus gelegt.“ (Ps. 118,25). Calvin folgt der altkirchlichen Tradition, die Psalmen auf Jesus Christus zu beziehen. So finden wir immer wieder die Auskunft, dass Christus das Ziel der Verheißungen der Psalmen ist.
Calvins Bezugnahmen auf Christus sind vielfältig. Zunächst liegt ihm daran, dass auch die Gemeinde, die Christus als ihren Herrn bekennt, allen Anlass hat, auf die Worte der Psalmen zu hören: „Auch wir, deren Leben mit Christus in Gott verborgen ist, müssen unser ganzes Leben hindurch dieses alte Lied bedenken.“ (Ps. 118,17). Der Bezug der Psalmen auf Christus ist auch dadurch gegeben, dass David Christus bereits bildhaft in sich trug, da Israel unter ihm und seinen Nachfolgern bis zum Erscheinen Christi lebte.
Der irdische Thron Davids stellt sich für Calvin als Abbild der ewigen Herrschaft Christi dar. Was in den Psalmen über das Königreich David gesagt wird, „trifft eigentlich [erst] auf die Person Christi zu, und alles, was dunkel und schattenhaft in David angedeutet war, ist vollständig [erst] in Christus zu Tage getreten“ (Ps. 118,26). Calvin bedient sich der Typologie und verdichtet diese durch den Hinweis, dass Gottes Gnade im Alten Bund „das Vorspiel der Erlösung“ gewesen sei, „die man endlich von Christus erhoffen durfte“ (Ps. 118,27).
Die Grundlinien, die Calvin zieht, zeigen eine Theologie, die die besondere Stellung Israels wahrnimmt. Calvin wirbt geradezu dafür, Gottes Hinwendung zum Volk seines Bundes wahrzunehmen, und spricht von einer auf Gottes Gnade beruhenden „heiligen Verbindung“ mit Israel (Ps. 24,1). Auch die Verwendung des Begriffs „ecclesia“ für Israel ist ein deutliches Indiz für die Zusammengehörigkeit von Synagoge und Kirche. Er liest die Aussagen der Psalmen über Gottes Volk als Aussagen über die Kirche, ohne dabei den Bezug der Psalmen auf Israel aufzulösen. Jesus Christus ist nicht nur der Erlöser, sondern auch das Bindeglied zwischen Israel und der Kirche (Ps. 45,17).
Israeltheologisch bedeutsam ist schließlich Calvins Überzeugung, dass die Juden mit der Ankunft des Evangeliums keineswegs außerhalb des Gottesbundes gestellt sind, sondern umgekehrt Menschen aus den Völkern dem Bund hinzugefügt und aus Gottes Gnade in das Haus Abrahams aufgenommen wurden (Ps. 47,10; 110,2; 98,3). Die Juden sind die Quelle, aus der heraus Gott die ganze Erde befeuchtet (Ps. 97,8). Und selbst wenn die Juden Christus als Erlöser ablehnen, behält Israel seine herausragende Stellung (Ps. 47,10). Die Kirche ist folglich nicht an die Stelle Israels getreten, sondern die Gläubigen unter den Völkern werden in Gottes Bund mit Israel aufgenommen, um mit ihnen gemeinsam Gott zu loben (Ps. 150,5).
4. Verbindliches Reden von Gott
Die Einblicke in die Gottesrede, die Calvin in den Psalmen erkennt, können auch uns als Anleitung dienen, von Gott verbindlich zu reden. Calvins Ringen mit den Psalmen kann sich auch für unsere Gottesrede – insbesondere die der Predigt – als inspirierend auswirken. Denn die Schwierigkeiten, angemessen von Gott zu reden, sind offenkundig: Selbst da, wo sich die Predigt als Anwältin des biblischen Textes erweist, entsteht doch von Zeit zu Zeit die Verlegenheit, wie man dem Beziehungsreichtum Gottes auch sprachlich nachkommen kann statt monoton und steril die Vokabel Gott im Mund zu führen.
Inspiration tut Not: biblische Inspiration von der Buntheit der Gottesbezeichnungen, die nicht zuletzt in den Psalmen wahrzunehmen sind. Calvin hat sich der Vielfalt der Gottesbezeichnungen gestellt und diese nicht auf Gott als Menschenfreund begrenzt. So weiß er von der Freiheit Gottes und seiner Andersartigkeit. Er spricht vom Schöpfer des Kosmos und seiner Fürsorge für den Menschen. Er stellt sich dem richtenden und sein Recht ausübenden Gott. Er tastet sich in die Bereiche der Verborgenheit und des Zorns Gottes vor. Er weiß von ihm als dem Heiligen zu reden und sieht ihn zugleich in seiner Bundesgemeinschaft mit den Menschen. Es ist gerade die bunte Vielfalt in der Einheit Gottes, die Calvin in den Psalmen entdeckt und der er sich stellt. Er tritt dafür ein, dass das genaue Hören auf die biblischen Texte der menschlichen Gottesrede zur Sprache verhilft.
Wer unter Anleitung Calvins von Gott redet, bringt ihn zugleich als den zur Sprache, der im Bund mit den Menschen für diese heilsam gegenwärtig ist. Gott erweist sich als ein Gott in Beziehungen, so dass konsequent auch das Reden von Gott diesen nicht einfach als „höchstes Gut“ anspricht, sondern als den, der redet und handelt. Wer unter dieser Voraussetzung von Gott redet, bringt dann auch die eigene Person in ihren Regungen und Empfindungen ins Spiel und versteht sich selbst als von Gott angesprochenes Wesen. Eine solche Lesekunst, wie sie bei Calvin erkennbar ist, kann das eigene Leben in die Schrift gleichsam einzeichnen, um in der Gegenwart Israels von dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der zugleich der Vater Jesu Christi ist, zu reden.
Im Gespräch mit Calvins Psalmenauslegung wird auch uns die Aufgabe zugemutet, das Wagnis einzugehen, in den Grenzen menschlicher Worte von Gott zu reden. Nur unter der Voraussetzung, dass Gott selbst zum Menschen redet, kann eine solche Gottesrede gewagt werden. Wenn diese dem Schweigen und dem Geschwätz vorgezogen und gewagt wird, dann wird diese Gottesrede verbindlich sein. Auf diesen Weg weist uns auch die 6. Barmer These, die den Auftrag der Kirche anmahnt, „die Botschaft von der freien Gnade Gottes auszurichten an alles Volk“.
Die verbindliche Rede von Gott muss seiner Personalität entsprechen. Statt einer göttlichen Kraft, wie es gelegentlich heißt, eignet Gott die Anrede als Person und mit Namen, was ein gemeinsames Anliegen der jüdischen und der christlichen Gottesrede ist. Der Aufruf „Allein Gott die Ehre“ entfaltet sein ideologiekritisches Potenzial bis heute: Wer Gott allein die Ehre gibt, wird alles Geschaffene achten, nicht aber verehren, und dem Menschen als Geschöpf Gottes seine Würde zusprechen. Wo Gott die Ehre zukommt, kann auch der Mensch menschlich leben.
5. Zu Gott reden im Gebet und Psalmengesang
Die Aufgabe der christlichen Gemeinde, verkündigend und bekennend von Gott zu reden, schließt die Aufgabe in sich, zu Gott zu reden. Darauf zielt ja überhaupt alle Theologie: auf die Anrufung Gottes im Gebet. Nach Calvin ist das Gebet der Hauptort des Gesprächs von Mensch und Gott. Ohne das Gebet würde der Glaube leblos werden (Ps 119,58). „Familiär“, so wie ein Kind mit seinen Eltern spricht, ist der Umgang der Bundespartner Mensch und Gott im Gebet (vgl. Ps 10,13). Es ist ein unvorstellbares Vorrecht, dass sich der Mensch frei an Gott wenden darf (Ps 65,2; 50,14; 145,18).
Nicht zu beten hieße, Gott die Ehre zu entziehen, weil man seine Hilfe ignorierte (Ps 17,1). So wird das Reden zu Gott im Gebet gleichsam zur Sehhilfe des Glaubens. Eng verwandt mit Calvins Hochschätzung des Gebetes sind seine Initiativen für die Gestaltung des reformierten Gottesdienstes, insbesondere bei der Einführung des Psalmengesangs. Wie schon beim Gebet sollte sich auch im Psalmengesang zeigen, dass das rechte Reden von Gott eine Anleitung zur Anrufung Gottes ist. In den Artikeln zur Ordnung der Kirche von 1537 schreibt Calvin: „Weiter ist es zum Aufbau der Kirche eine überaus nützliche Sache, einige Psalmen als öffentliche Gebete zu singen, und so Bitten an Gott zu richten, oder ihn singend zu loben.“[5]
Die Psalmen sollen nach der Genfer Gottesdienstordnung von 1542 als „ehrbare Lieder, welche die Liebe und Ehrfurcht gegenüber Gott lehren“ gesungen werden. Und: „Wir werden keine besseren und geeigneteren Lieder finden als die Psalmen Davids (...) Wenn wir sie singen, so sind wir sicher, dass Gott uns die Worte in den Mund legt, als ob er selbst in uns sänge, um seine Ehre zu erhöhen.“[6] Am Ende dieses liturgisch innovativen Weges steht der französische Hugenottenpsalter bzw. Genfer Psalter von 1562 mit der Bereimung und Vertonung sämtlicher 150 Psalmen. Diese Vertonung unterstreicht Calvins Leidenschaft dafür, dass zur Rede von Gott die Rede zu Gott hinzutritt.
[1] Die Auslegung trägt den lateinischen Titel „In librum Psalmorum, Iohannis Calvini Commentarius“ und findet sich in Calvini opera (CO), Bände 31 und 32. Eine lateinisch-deutsche Auswahledition der Psalmenauslegung wird im Rahmen der Calvin-Studienausgabe derzeit erarbeitet und erscheint 2008. Als ältere Übersetzung liegt vor: Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift, Bd. 4/1 und 4/2: Die Psalmen, Neukirchen o.J. (1914).
[2] Herman J. Selderhuis, Gott in der Mitte. Calvins Theologie der Psalmen, Leipzig 2004, 19f. Auch im Folgenden verdankt der Autor dieser Monographie wichtige Einsichten in Calvins Psalmenauslegung.
[3] Elie Wiesel, Eines Menschen Gebet, in: ders., Macht Gebete aus meinen Geschichten, Freiburg i.Br. 1986, 39.
[4] Auslegung zu Gen 2,8, in: CO 23,37; vgl. J. Calvin, De aeterna praedestinatione dei: „theatrum gloriae dei, in: CO 8,294.
[5] Artikel zur Ordnung der Kirche (1537), in: Calvin-Studienausgabe, hg. v. E. Busch u.a., Bd. 1.1, Neukirchen-Vluyn 1994, 115.
[6] Genfer Gottesdienstordnung (1542), in: Calvin-Studienausgabe, hg. v. E. Busch u.a., Bd. 2, Neukirchen-Vluyn 1997, 159.
Matthias Freudenberg
Matthias Freudenberg, Johannes Calvin als Ausleger der Psalmen. PDF