Karfreitag
»Es ist viel Karfreitag in unserem Leben, viel dunkles Unverständnis Gottes, aus dem viel Greuel hervorgeht, kleine Torheiten und die große Schlacht in Frankreich. Daneben ist auch ein klein wenig Palmsonntag in unserem Leben. So verstehen wir Gott und verstehen ihn auch nicht, es ist Beides in uns. Gott könnte wohl mißtrauisch gegen uns sein und uns nicht mehr ernst nehmen wegen dem Karfreitag. Aber es ist am Karfreitag auch noch etwas Anderes geschehen. Es hat da Einer in gewaltiger, treuer Arbeit gerungen am Kreuz, und um dieses Einen willen sieht Gott mit Zutrauen auf die Menschheit. Dort hat Einer Gott verstanden, nicht nur ein wenig, sondern bis auf den Grund, bis zuletzt – um dieses Einen willen sieht Gott mit Zuversicht auf uns alle, um dieses Einen willen nimmt Gott die Freude des Palmsonntags ernster als die Greuel des Karfreitags. Um dieses Einen willen verläßt sich Gott darauf, daß das Verstehen der Menschen einmal stärker sein werde als das Nicht-Verstehen. Gerade vom Karfreitag geht ein Licht von Zutrauen, Geduld und Hoffnung aus. In diesem Lichte stehen wir heute da. Gleichsam unter einer fröhlichen Erwartung Gottes. Er erwartet, daß seine Liebe uns besiegen wird.« (Karl Barth, Predigt zu Lk 19,29-40, in: Predigten 1918 (GA I.37), 95)