Klare Worte verhallen

Mittwochskolumne von Paul Oppenheim


Gandsassar, Armenisch-apostolisches Kloster in Bergkarabach © Wikicommons/Marcin Konsek

Vor zwei Jahren schrieb ich an dieser Stelle von der Ungeheuerlichkeit, die sich im Schatten von Corona im fernen Kaukasus vollzog. Aserbeidschan schickte sich an, mit türkischer Unterstützung die Armenier aus Bergkarabach zu vertreiben. Was damals von Russland noch knapp verhindert werden konnte, ist in diesen Tagen geschehen, im Schatten anderer Krisen.

Schon in der Antike war Armenien ein hart umkämpftes Gebiet an der östlichsten Grenze des Römischen Reiches. Das von Großmächten bedrängte Volk der Armenier schloss sich unter ihrem König Tridat III dem Christentum an und wurde im Jahr 314 zum ersten christliche Staatswesen der Welt. Noch heute gehören über 90 Prozent der ca. 9 Millionen Armenier, ob sie in Armenien oder im Exil leben, zur Armenisch Apostolischen Kirche, an deren Spitze seit 1999 der „Katholikos aller Armenier“ Karekin II steht.

Jahrhundertelang musste das armenische Volk um sein Überleben unter persischer, osmanischer oder russischer Fremdherrschaft ringen. Neben der armenischen Sprache ist es die Liturgie und Struktur der armenischen Kirche, die diesem immer wieder bedrängten Volk bis heute seine Identität verleiht. Die schlimmste Form der Bedrängnis erfuhren Armenier unter islamischer Herrschaft, auch wenn sie im osmanischen Reich als „Glaubensnation“ zunächst noch geduldet wurden. Die Feindseligkeit gipfelte in der massenhaften Vertreibung und dem systematischen Völkermord an den Armeniern, der in den Jahren 1915/16 unter dem Vorzeichen einer Auslöschung des Christentums in der Türkei erfolgte.

Heute feiert die türkische Regierung, die noch immer den Völkermord an den Armeniern leugnet, die Vertreibung der christlichen Armenier aus der Region Bergkarabach durch das autoritäre Regime Aserbaidschans. Von der Weltöffentlichkeit und den Medien kaum beachtet findet die Zerstörung von Kirchen, Klöstern und Kulturdenkmälern statt, wodurch die Zeugnisse der jahrhundertealten christlichen Präsenz ausgelöscht werden.

Proteste oder Sanktionen gegen die brutalen Verbrechen sind kaum wahrnehmbar, auch wenn das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 10. März 2022 klare Worte gefunden hat, indem es erklärte, dass es „…aufs Schärfste [verurteilt], dass Aserbaidschan seine Politik fortsetzt, das armenische Kulturerbe in und um Bergkarabach herum auszulöschen und dessen Existenz zu leugnen, was eine Verletzung des Völkerrechts und einen Verstoß gegen die jüngste Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes darstellt;“ und „dass die Auslöschung des armenischen Kulturerbes Teil eines breiter angelegten Musters einer systematischen, landesweit betriebenen und von den Staatsorganen Aserbaidschans geförderten Politik der Armenierfeindlichkeit, des Geschichtsrevisionismus und des Hasses gegenüber Armeniern ist, die Entmenschlichung, Gewaltverherrlichung und Gebietsansprüche gegen die Republik Armenien einschließt, wodurch Frieden und Sicherheit im Südkaukasus bedroht sind…“


Paul Oppenheim
Mittwochskolumne von Paul Oppenheim

Im Schatten von Corona berichten die Medien vom Krieg im fernen Kaukasus. Bilder von der Siegesfeier in Baku gehen um die Welt. Mit einer riesigen Militärparade lässt sich der Präsident Aserbeidschans bejubeln und neben ihm steht sein türkischer Verbündeter, der mit dem „epischen Kampf“ seiner Truppen prahlt und den „glorreichen Sieg“ über Armenien feiert.