Aktuelles
Aktuelles aus den Landeskirchen >>>
Aktuelles aus den Gemeinden >>>
Kolumne >>>
Buchtipps >>>
from... - die reformierte App
Newsletter
Wir auf Facebook
Letzter Sonntag des Kirchenjahres: Matthäus 25, 1-13 - Von den klugen und törichten Jungfrauen
von Johannes Calvin
Matthäus 25,1-13
1 Dann wird das Himmelreich gleich sein zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen aus, dem Bräutigam entgegen. 2 Aber fünf unter ihnen waren töricht, und fünf waren klug. 3 Die törichten nahem ihre Lampen; aber sie nahmen nicht Öl mit sich. 4 Die klugen aber nahmen Öl in ihren Gefäßen samt ihren Lampen. 5 Da nun der Bräutigam lange ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein. 6 Zur Mitternacht aber ward ein Geschrei: Siehe, der Bräutigam kommt; geht aus, ihm entgegen! 7 Da standen diese Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen fertig. 8 Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl; denn unsre Lampen verlöschen. 9 Da antworteten die klugen und sprachen: Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein; geht aber hin zu den Krämern und kauft für euch selbst. 10 Und da sie hingingen, zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür wurde verschlossen. 11 Zuletzt kamen auch die andern Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr tu uns auf! 12 Er antwortete aber und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht. 13 Darum wacht! Denn ihr wißt weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird.
Obwohl dieses Gleichnis, wie sich aus dem Schlußsatz zeigt, das gleiche Ziel hat wie die vorangehende Mahnung (vgl. Matth. 24, 42), wird es doch noch besonders hier angefügt; es soll die Gläubigen noch in der Beharrlichkeit bestärken. Der Herr kannte die Schwachheit der menschlichen Natur und ihre Neigung, nicht bloß im Lauf der Zeit allmählich müde zu werden, sondern ganz plötzlich den Kampf aufzugeben. Um dieser Schwäche aufzuhelfen, zeigt er den Jüngern, daß sie nur dann richtig gerüstet seien, wenn ihr Warten sich auf eine lange Zeit einrichte. Wenn wir diese Absicht des Gleichnisses verstanden haben, brauchen wir uns bei den Einzelheiten nicht weiter aufzuhalten, da sie dem Gedanken Christi nichts Neues hinzufügen. Viele quälen sich nämlich mit den Lampen, den Gefäßen und dem Öl; dabei ist der einfache, ursprüngliche Sinn: es genügt nicht, nur für eine kurze Zeitspanne äußersten Eifer an den Tag zu legen, wenn dazu nicht auch eine unermüdbare Ausdauer hinzukommt. Das jedoch bringt das Gleichnis ausgezeichnet zum Ausdruck. Kurz vorher hatte Christus die Jünger ermahnt, auf ihrem Weg durch die Dunkelheit Lampen mitzunehmen; jetzt sagt er ihnen, daß ohne immer neues Öl ihre Lampen vertrocknen und verlöschen. Darum müssen die Gläubigen immer neue Kraft empfangen, um das in ihren Herzen angezündete Licht zu nähren; sonst wird ihr Eifer mitten auf dem Weg in sich zusammenfallen.
Matth. 25, 1. „Dann wird das Himmelreich gleich sein zehn Jungfrauen.“ Unter „Himmelreich" versteht Christus die Gemeinde, wie sie einst sein wird, wenn sie unter der Führung des Messias gesammelt ist, Diese überaus deutliche Schilderung zeigt uns, wie falsch der Wahn der Gläubigen ist, daß sich die Gemeinde in einem Zustand seliger Vollkommenheit befindet. Christus hat sein Gleichnis aus dem täglichen Leben herausgegriffen. Geradezu kindisch ist demnach die Auslegung des Hieronymus und ähnlicher Leute, die daraus ein Lob der Jungfrauenschaft machen; Christus wollte nichts anderes, als den Überdruß und die Langeweile vermindern, die aus der Verzögerung seines Kommens entstehen konnten. Er sagt also, daß er nicht mehr von uns verlangt, als was man sonst bei der Hochzeitsfeier seinem Freunde zu erweisen pflegt. Es war nämlich Sitte, daß Jungfrauen, die doch schwach und zart sind, dem Bräutigam das Ehrengeleit zu seiner Wohnung gaben. Demnach ist der Hauptgedanke des Gleichnisses, daß es nicht genügt, sich einmal für seine Aufgabe vorzubereiten, sondern daß es gilt, bis zum Ende durchzuhalten.
Matth. 25, 2. „Fünf waren klug.“ Am Ende des Kapitels 24 hatte der Herr besonders von den Haushaltern Klugheit gefordert; denn es ist nur billig, daß einer sich um so klüger benimmt, je größer und schwieriger seine Aufgabe ist. Hier jedoch verlangt er Klugheit von allen Kindern Gottes ohne Unterschied, damit sie nicht gedankenlos dem Satan in die Schlingen laufen. Christus meint vor allem die Klugheit, die für die nötigen Hilfsmittel sorgt, damit der Lauf auch wirklich vollendet werden kann. Denn obwohl die Zeit gar nicht so lang ist, scheint sie sich doch für unsere Ungeduld endlos auszudehnen; und wir sind dabei so arm, daß wir jeden Augenblick der Hilfe bedürfen.
Matth. 25, 5. „Da nun der Bräutigam lange ausblieb.“ Daß die Jungfrauen einschlafen, wird von einigen Auslegern ungünstig gedeutet, daß auch die Gläubigen sorglos werden und sich von den Eitelkeiten der Welt einschläfern lassen. Das liegt jedoch dem Gedanken Christi und dem Zusammenhang des Gleichnisses völlig fern. Besser noch wäre es, an den Tod zu denken, der die Gläubigen vor dem Kommen Christi gefangen hält; denn nicht nur jetzt sollen wir auf das Heil warten, sondern auch dann, wenn wir das Leben vollendet haben und in Christus ruhen. Ich denke jedoch viel einfacher an die irdischen Geschäfte, in die die Gläubigen während ihres Lebens notwendigerweise verwickelt sind. Dabei sollen sie zwar Gottes Reich nicht vergessen; trotzdem kann man die Ablenkung, die die Aufgaben dieser Welt bringen, gut mit einem Schlaf vergleichen. Denn sie können gar nicht so angespannt auf Christi Erscheinen warten, ohne daß die verschiedensten Sorgen sie zerstreuen, aufhalten oder sie in ihren Bann ziehen. Sie wachen und sind doch halb entschlafen. Wenn Christus von einem Geschrei spricht, das um Mitternacht ertönt, so soll dieser Zug das Plötzliche seines Kommens hervorheben, da bei unerwarteten Ereignissen die Menschen gewöhnlich in Aufregung geraten. Zwar ruft der Herr täglich, er werde bald kommen; einst aber wird die ganze Welt davon widerhallen, und seine furchtbare Majestät wird Himmel und Erde so erfüllen, daß er nicht nur die Schlafenden aufweckt, sondern sogar die Toten aus ihren Gräbern herausführt.
Matth. 25, 8. „Die törichten aber sprachen zu den klugen.“ Hier wird die späte Reue derer geschildert, die ihren Mangel erst dann erkennen, wenn der Weg zur Abhilfe verschlossen ist. Denn sie werden deshalb der Torheit bezichtigt, weil sie sich nicht für längere Zeit vorsehen, sich sorglos mit ihrer Spärlichkeit zufriedengeben, die Zeit für den Austausch miteinander verstreichen lassen und die ihnen angebotene Hilfe verschmähen. Sie versäumen, rechtzeitig für öl zu sorgen; nun spottet Christus über ihre allzu späte Erkenntnis und zeigt ihnen die Folge ihrer Nachlässigkeit: sie müssen einsehen, daß sie arm und leer sind, ohne daß noch etwas für sie getan werden kann.
Matth. 25, 9. „Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein.“ Der Herr teilt seine Gaben jedem nach seinem Maß zu, damit wir einander damit dienen und der Allgemeinheit zugänglich machen, was jedem einzelnen geschenkt ist; auf diese Weise wird in der Gemeinde die heilige Gemeinschaft unter den Gliedern gepflegt. Hier dagegen redet Christus von dem Tag, an dem er alle ohne Gespräch vor seinen Richterstuhl fordert, damit jeder berichte, was er in seinem Leben getragen hat. Was der einzelne an Gnadengaben empfangen und sich zugeeignet hat, vergleicht er mit Recht mit einem Reisevorrat, der für mehrere nicht genügen würde. Die Antwort der Jungfrauen: „Geht hin und kauft für euch selbst“, ist keine Ermahnung, sondern ein Tadel, in dem Sinn: Vorher war Zeit zum Einkaufen, die ihr nicht hättet versäumen dürfen; es war genügend Öl zu haben, jetzt ist die Möglichkeit verpaßt. Hieraus beweisen die Römischen, daß wir uns mit unseren Tugenden und unserem Fleiß die Gabe der Beständigkeit erwerben können. Doch wird, wenn im Gleichnis von Kaufen die Rede ist, nichts von einer Bezahlung gesagt. Auch bei Jesaja (vgl. 55, 1) fordert der Herr uns zum Kaufen auf, ohne dafür eine Bezahlung zu verlangen; der Herr werde Wein und Milch umsonst geben. Also ergibt der Vergleich nur, daß wir im Glauben annehmen, was uns angeboten wird. Der Schluß des Gleichnisses zeigt, daß die Tür des Himmelreichs für alle, die sich schlecht vorgesehen haben, verschlossen sein wird, weil sie mitten auf dem Weg schlappmachten und in dem entscheidenden Augenblick nicht bereit waren.
Aus: Otto Weber, Calvins Auslegung der Heiligen Schrift. Dreizehnter Band: Die Evangelien-Harmonie 2. Teil, Neukirchener Verlag, 1974, S. 289ff.