Aktuelles
Aktuelles aus den Landeskirchen >>>
Aktuelles aus den Gemeinden >>>
Kolumne >>>
Buchtipps >>>
from... - die reformierte App
Newsletter
Wir auf Facebook
Letzter Sonntag nach Epiphanias - Mt 17,1-9: Zeichen, die dem Begriffsvermögen des Fleisches angepaßt sind
von Johannes Calvin
Matthäus 17, 1-8
1 Und nach sechs Tagen nahm Jesus zu sich Petrus und Jakobus und Johannes, seinen Bruder, und ging mit ihnen allein auf einen hohen Berg. 2 Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leutete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. 3 Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm. 4 Petrus aber hob an und sprach zu Jesus: Herr, hier ist für uns gut sein! Willst du, so wollen wir hier drei Hütten machen, dir eine, Mose eine und Elia eine. 5 Da er noch redete, siehe, da überschattet sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören! 6 Da das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr. 7 Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht! 8 Da sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein. 9 Und da sie vom Berge herabgingen, gebot ihnen Jesus und sprach: Ihr sollt dieses Gesicht niemand sagen, bis des Menschen Sohn von den Toten auferstanden ist.
Zuerst haben wir zu erwägen, aus welchem Grund Christus sich für kurze Zeit in die himmlische Herrlichkeit hüllte und warum er nur drei seiner Jünger als Zeugen bei diesem Anblick zuließ. Manche Ausleger meinen, daß er sie gegen die Versuchungen, die ihnen sein Tod bringen mußte, wappnen wollte. Aber das erscheint mir unwahrscheinlich. Denn warum hätte er den andern das gleiche Schutzmittel entzogen, ja, warum verbietet er ausdrücklich, vor seiner Auferstehung anderen von ihrem Erlebnis zu berichten, wenn der Nutzen aus diesem Gesicht nicht für die Zeit nach seinem Tod sein sollte? Darum bin ich der Meinung, daß Christus bezeugen wollte, daß er nicht gegen seinen Willen zu Tode gebracht werde, sondern daß er freiwillig auf ihn zuginge, um dem Vater das Opfer des Gehorsams zu bringen. Diesen Zusammenhang erkannten die Jünger jedoch erst, nachdem Christus auferstanden war. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt war es auch noch nicht nötig, daß sie die göttliche Macht Christi begriffen, deren Sieg sie im Kreuz erkennen sollten. Was sie damals lernten und auch wir jetzt dabei lernen, sollte ihnen in einer späteren Zeit dazu helfen, an Christi Schwachheit keinen Anstoß zu nehmen, als ob er gezwungenermaßen und aufgrund menschlicher Gewalt gelitten hätte. Denn das ist sicher, es wäre für Christus genauso leicht gewesen, seinen Leib vor dem Tod zu bewahren wie ihn mit himmlischer Herrlichkeit zu verklären. Wir sehen also, daß er dem Tod unterworfen war, weil er es so wollte, und daß er gekreuzigt wurde, weil er sich dazu darbot. Denn jenes selbe Fleisch, das am Kreuz geopfert wurde und dann in einem Grabe lag, hätte auch von Tod und Grab verschont bleiben können; er war ja bereits davor der himmlischen Herrlichkeit teilhaftig geworden. Wir lernen, daß Christus, solange er in Knechtsgestalt in der Welt weilte und seine Majestät unter der Schwachheit des Fleisches verborgen war, doch nichts von seiner Herrlichkeit verloren hatte, weil er sich freiwillig erniedrigte. Nun hat die Auferstehung jenen Schleier gelüftet, mit dem seine Macht zeitweilig bedeckt war. Der Herr brauchte nur drei Zeugen auszuwählen, denn diese Zahl war zum Erweis einer Sache im Gesetz so vorgeschrieben (vgl. Deut. 17, 6). Die verschiedenen Zeitangaben, die die Evangelisten bei dieser Geschichte machen, dürfen uns nicht stören: Matthäus und Markus zählen sechs volle Tage, die seit dem Bekenntnis des Petrus verflossen waren; Lukas sagt, es sei fast acht Tage später gewesen, aber er zählt sowohl den Tag des Bekenntnisses als auch den Tag der Verklärung mit. Wir sehen also, daß sich bei den verschiedenen Worten sehr schön der gleiche Sinn ergibt.
Matth. 17, 2. „Und er wurde verklärt.“ Lukas sagt, das sei geschehen, während Christus betete; aus den Begleitumständen von Zeit und Ort läßt sich erschließen, daß Christus um das bat, was er dann erhielt, nämlich daß im Glanz einer neuen Gestalt seine Gottheit sichtbar würde. Nicht weil er es nötig gehabt hätte, etwas von jemandem zu erbitten, was er nicht besaß, oder weil ihm der Wille seines Vaters zweifelhaft geworden wäre, sondern weil er während der ganzen Zeit seiner Erniedrigung immer dem Vater zuschrieb, was er an göttlicher Tat vollbrachte, und weil er uns mit seinem Beispiel zum Beten antreiben wollte. Diese Verklärung stellte den Jüngern Christus nicht so dar, wie er jetzt im Himmel ist, sondern sie gab ihnen nur eine Ahnung von seiner unermeßlichen Herrlichkeit, soweit sie diese überhaupt fassen konnten. Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne; jetzt jedoch überstrahlt es den Glanz der Sonne bei weitem. Ein ungewöhnlicher Glanz leuchtete von seinen Kleidern; nun, da er ohne Gewand ist, durchstrahlt seine göttliche Herrlichkeit seinen ganzen Leib. So erschien Gott einst den heiligen Vätern, nicht wie er an sich war, sondern soweit sie die Strahlen seines unermeßlichen Glanzes ertragen konnten. Denn nach der Behauptung des Johannes (vgl. 1. Joh. 3, 2) werden die Gläubigen ihn nicht eher sehen, wie er ist, als bis sie ihm ähnlich sein werden. Darum ist es unnütz, jetzt feinsinnig über die Weißheit der Kleider oder über das glänzende Gesicht zu reden; denn wir haben es nicht mit einer völligen Entfaltung der himmlischen Herrlichkeit Christi zu tun, sondern mit Zeichen, die dem Begriffsvermögen des Fleisches angepaßt sind. Christus gab ihnen damit eine Vorahnung von dem, was sie in seiner Ganzheit noch nicht fassen konnten.
Matth. 17, 3. „Da erschienen ihnen Mose und Elia.“ Es fragt sich, ob Mose und Elia in Wirklichkeit dagewesen sind oder ob die Jünger nur eine Erscheinung hatten, ähnlich wie die Propheten oft Gesichter von Dingen sahen, die nicht anwesend waren. Obgleich man beide Möglichkeiten erwägen kann, erscheint es mir doch wahrscheinlicher, daß sie in Wirklichkeit an diesen Ort geführt worden waren. Denn es ist ja nichts Unmögliches, daß Gott, der Leib und Seele in seiner Hand hat, nach seinem Willen die Toten wieder für eine Zeitlang ins Leben ruft, wenn er damit einen Plan verfolgt. Dann sind Mose und Elia nicht um ihrer selbst willen auferstanden, sondern um vor Christus zu erscheinen. Wenn einer nun die Gegenfrage stellt, woran die Apostel Mose und Elia überhaupt erkannt hätten, wo sie sie doch noch nie gesehen hatten, so läßt sich leicht darauf antworten: Wenn Gott sie erscheinen ließ, dann hat er ihnen auch Zeichen und Merkmale gegeben, an denen sie sie erkennen konnten. Durch eine besondere Art von Offenbarung müssen die Jünger erfahren haben, daß sie es ganz sicher mit Mose und Elia zu tun hatten. Warum erscheinen aber nun gerade diese beiden aus der Reihe der heiligen Väter? Es muß uns als Grund genügen, daß damit gezeigt werden sollte, daß das Gesetz und die Propheten kein anderes Ziel haben als Christus. Unserem Glauben ist natürlich viel daran gelegen, daß Christus nicht ohne Zeugnis auftaucht, sondern schon vor Zeiten von Gott angekündigt wurde. Es widerspricht dem auch nicht, was die Vernunft gern anführt, daß Elia darum leiblich auffuhr, damit er dadurch allen Propheten überlegen wäre; denn, obwohl Elia nichts Schriftliches hinterlassen hat, ragt er nach Mose als der Bedeutendste hervor: Er hat den verderbten Gottesdienst wieder in Ordnung gebracht, er war ein unvergleichlicher Kämpfer für das Gesetz und die wahre Frömmigkeit, die damals beinahe erloschen waren. Daß die beiden bei Christus erscheinen und mit ihm ein Gespräch führen, ist ein Zeichen von Übereinstimmung. Welcher Art die Unterredung war, berichtet nur Lukas: Sie sprachen von dem Ende, das Christus in Jerusalem erwartete. Mose und Elia waren also nicht als Privatpersonen erschienen, sondern als Vertreter des ihnen einst aufgetragenen Amtes. Denn der Herr wollte, obgleich sie längst tot waren und den Auftrag ihrer Berufung erledigt hatten, ihr Wort noch einmal bestätigen, das sie in ihrem Leben gelehrt hatten. Wir sollen dadurch wissen, daß uns im Opfertod Christi das Heil gemeinsam mit den Vätern dargeboten wird. Schon als die alten Propheten vom Tode des Christus weissagten, saß er selbst, der ja die ewige Weisheit Gottes war, auf dem unsichtbaren Thron seiner Herrlichkeit. Daraus folgt, daß Christus, als er Fleisch anzog, dem Tode nicht unterworfen wurde, außer soweit er sich freiwillig unterwarf.
Matth. 17, 4. "Herr, hier ist für uns gut sein." Lukas berichtet, Petrus habe so geredet, während Mose und Elia weggingen. Daraus können wir schließen, daß Petrus befürchtete, mit ihrem Weggang werde jener liebliche, beseligende Anblick zerstört. Wenn man sich auch nicht darüber zu wundern braucht, daß Petrus von jener Schönheit so gefesselt war, daß er nach nichts anderem mehr fragte und an diesem Genuß allein genug hatte, wie es in Ps. 17, 15 heißt: „Ich will satt werden, wenn ich erwache, an deinem Bilde" - so war doch sein Wunsch verkehrt, weil er den Zweck des Gesichtes nicht begriff. Darüber hinaus setzte er törichterweise die Knechte mit dem Herrn auf eine Stufe. Und endlich irrte er, weil er Menschen, die bereits in die Herrlichkeit des Himmels und der Engel aufgenommen waren, vergängliche Hütten errichten wollte. Der Zweck der Erscheinung war ihm also nicht zugänglich. Denn obwohl er aus dem Munde des Elia und des Mose hörte, daß die Zeit für den Tod Christi bevorstehe, wähnte dieser kurzsichtige Mann, jene zeitliche Erscheinung werde für ewig sein. Was wäre geworden, wenn er das Reich Christi auf einen engen Raum von fünf oder zehn Metern eingesperrt hätte? Wo wäre dann die Erlösung für die gesamte Gemeinde geblieben? Was wäre aus der Gemeinschaft am ewigen Heil geworden? Auch das war völlig verdreht, daß er sich Elia und Mose gewissermaßen als Kollegen des Sohnes Gottes vorstellte, als ob nicht alle zurücktreten müßten, damit er allein hervorragt. Und wenn Petrus schon mit seinem Los zufrieden ist, warum meint er, daß diese Männer, die einen glücklichen Eindruck auf ihn machen, irdische Zufluchtsstätten brauchen? Mit Recht bemerken also Markus und Lukas: „Er wußte nicht, was er redete.“ Und Markus nennt auch die Ursache dafür: „Sie waren bestürzt.“ Nach Gottes Willen sollte den Aposteln damals nicht mehr zuteil werden, als daß sie für einen Augenblick die Gottheit seines Sohnes wie in einem lebenden Bilde erkannten. Erst in der Folgezeit sollte ihnen die Bedeutung jener Erscheinung und die Verkehrtheit ihres Urteils aufgehen. Darum deutet Markus an, daß Petrus in Verzückung gesprochen habe wie ein Mensch, der außer sich geraten ist.
Matth. 17, 5. „Da überschattete sie eine lichte Wolke.“ Diese Wolke erschien vor den Augen der Jünger, um ihnen zu zeigen, daß sie noch nicht fähig waren, den Glanz der himmlischen Herrlichkeit anzuschauen. Denn immer wenn der Herr Zeichen für seine Gegenwart gab, sorgte er zugleich auch für einen gewissen Schutz, der die Vermessenheit des menschlichen Geistes in Schranken halten sollte. So übt er auch jetzt seine Jünger in der Bescheidenheit, indem er den Anblick der himmlischen Herrlichkeit ihren Augen wieder entzieht. Das soll auch uns mahnen, nicht in Geheimnisse eindringen zu wollen, die unseren Verstand übersteigen; dafür soll sich jeder lieber nüchtern an das halten, was ihm an Glauben zugemessen wurde. Schließlich soll die Wolke uns ein Zügel sein, damit unsere Neugier nicht zu weit ausschweife. Außerdem erinnert diese Erscheinung die Jünger daran, daß sie wieder in den alten Kampf zurück müssen, damit sie sich nicht etwa schon vor der Zeit einen Triumph versprechen.
„Eine Stimme aus der Wolke sprach.“ Es ist wichtig, zu beobachten, daß zwar die Stimme Gottes aus der Wolke sprach, sein Leib oder sein Gesicht jedoch nicht sichtbar wurde. Das erinnert uns an die Stelle bei Mose (vgl. Deut. 4, 15.16), Gott hülle sich nicht in sichtbare Gestalt, damit wir nicht etwa auf den törichten Gedanken kommen, er sehe einem Menschen ähnlich. Es ist wohl wahr, daß die heiligen Väter einst die verschiedenartigsten Erscheinungen hatten, in denen sie Gott erkannten. Aber immer hat Gott solche Erscheinungsformen vermieden, die ihnen Anlaß zur Herstellung von Götzenbildern geben konnten. Der menschliche Geist neigt ohnehin mehr als genug zu unpassenden Phantasiebildern; es wäre ihm darum nicht im geringsten geholfen, wenn noch Öl ins Feuer gegossen würde. Diese Offenbarung der göttlichen Herrlichkeit war überaus deutlich. Wenn er uns durch eine Wolke hindurch mit seiner Stimme zu sich einlädt, so ist es doch einfach dumm, wenn man seine Gegenwart in Holz oder Stein darstellen will. Wir sehen also, daß nur der Glaube, nicht aber die fleischlichen Augen, in jenes unzugängliche Licht eindringt, in dem Gott wohnt. Die Stimme drang aus der Wolke, damit die Jünger merkten, daß sie von Gott käme, und sie mit der gebührenden Ehrfurcht aufnahmen.
„Dies ist mein lieber Sohn.“ Ich pflichte gern der Annahme einiger Ausleger bei, die in diesem Hinweis einen versteckten Gegensatz zu Mose und Elia vermuten. Christus hätte also seinen Jüngern befohlen, sich an dem einigen Sohn genügen zu lassen. Das Wort „Sohn“ wird betont, um ihn gegenüber den Dienern hervorzuheben. Christus wird hier mit zwei Prädikaten geehrt, die für ihn ebenso ehrenvoll wie für unseren Glauben nützlich sind. Er heißt der geliebte Sohn und der Lehrer, auf den wir hören sollen. Wenn der Vater ihn den „geliebten Sohn“ nennt, an dem er Wohlgefallen hat, gibt er ihn als den Mittler zu erkennen, durch den er die Welt mit sich versöhnt. Wenn er befiehlt, daß man ihn hören solle, macht er ihn zum höchsten und einzigen Lehrer für seine Gemeinde. Denn da es sein Plan war, ihn von allen andern zu unterscheiden - wie wir es aus diesen Worten sinnvollerweise erschließen können -, weil er ja von Natur der einzige Sohn Gottes war, so folgt auch, daß er allein vom Vater geliebt und zum Lehrer eingesetzt wird, damit alle Macht bei ihm ruhe. Wenn einer einwenden will, ob Gott denn die Engel und die Menschen nicht liebe, so ist die Antwort einfach: Die väterliche Liebe Gottes, die sich auf Engel und Menschen ergießt, stammt aus jener Quelle, der Liebe des Vaters zum Sohn. Denn der Vater liebt den Sohn nicht dazu, daß er die anderen Geschöpfe hasse, sondern darum, daß er ihnen mitteile, was ihm gehört. Natürlich sind wir in einer völlig anderen Lage als die Engel. Denn sie haben sich niemals von Gott entfremdet, daß sie einen Versöhner brauchten, während wir durch die Sünde Gottes Feinde sind, bis Christus ihn mit uns versöhnt. Doch gilt trotzdem, daß Gott Menschen wie Engeln gnädig ist, indem er uns in Christus umschließt. Denn ohne dieses Haupt hätten nicht einmal die Engel eine feste Verbindung zu Gott. Wenn hier der Vater spricht und sich dadurch als ein anderer zeigt als der Sohn, ergibt sich, daß die Personen verschieden sind, obwohl die Wesenheit und die Majestät dieselbe sind.
„Den sollt ihr hören.“ Ich habe gerade schon darauf hingewiesen, daß mit diesem Wort die Gemeinde zu dem alleinigen Lehrer Christus gerufen wird, damit sie nur an seinem Munde hängt. Denn obgleich Christus kam, dem Gesetz und den Propheten Anerkennung zu verschaffen, nimmt er doch die höchste Stellung ein, so daß der Glanz seines Evangeliums die Fünkchen, die im Alten Testament schimmerten, in sich aufsaugt. Denn er ist die Sonne der Gerechtigkeit, mit deren Aufgang der volle Tag angebrochen ist. Darum heißt es auch im Hebräerbrief (vgl. 1, 1), daß Gott, der einst vielfach und auf mancherlei Weise durch die Propheten geredet hat, zuletzt durch seinen geliebten Sohn gesprochen habe. Wir vernehmen also heute im Gesetz und den Propheten genauso die Stimme Christi wie in seinem Evangelium. Er hat die Vollmacht des Meisters, wie er sie auch für sich allein in Anspruch nimmt (vgl. Matth. 23, 8). Dieses sein Recht kann nur bewahrt werden, wenn alle menschlichen Zungen schweigen. Wenn wir also unter seiner Lehre gehalten werden sollen, muß alles, was sich Menschen ausgedacht haben, zu Boden geschlagen und vernichtet werden. Christus sendet zwar auch heute noch Lehrer aus, aber nur solche, die in reinem, aufrichtigem Glauben wiedergeben, was sie von ihm gelernt haben, nicht aber solche, die das Evangelium mit ihren Zutaten verderben. Kurz gesagt, keiner ist ein treuer Lehrer der Gemeinde, der nicht auch ein Jünger Christi ist und der ihm nicht die anderen zuführt, damit er sie unterweise.
Matth. 17, 6. „Da das die Jünger hörten.“ Gott wollte den Jüngern einen solchen Schrecken einjagen, um ihren Herzen die Erinnerung an das Geschaute um so stärker einzuprägen. Dabei sehen wir, wie schwach es um unsere Natur bestellt ist, wenn sie beim Hören der Stimme Gottes so außer Fassung gerät. Denn daß die Gottlosen diese Stimme entweder verspotten oder sie leichtsinnig überhören, kommt daher, daß Gott sie nicht so hart anfaßt. Sobald wir Gottes Majestät und darin ihn erfahren, müssen wir zusammenbrechen. Dann aber übt Christus sein Amt aus und richtet die am Boden Liegenden wieder auf. Denn dazu steigt er zu uns herab, daß die Gläubigen unter seiner Führung getrost vor das Angesicht Gottes kommen und vor seiner Majestät, die sonst alles Fleisch vernichtet, nicht mehr zu fürchten brauchen. Er tröstet sie auch nicht nur durch sein Wort, sondern er bestärkt sie auch durch seine Berührung. Wenn es heißt, sie hätten zum Schluß niemanden außer Christus allein gesehen, so soll damit ausgedrückt werden, daß die Herrlichkeit des Gesetzes und der Propheten zeitlich beschränkt war, während Christus allein ewig sichtbar bleibt. Wie aufrichtig wir das Werk des Mose auch schätzen, wir dürfen an ihm doch nicht hängenbleiben, sondern müssen zusehen, daß Mose uns zu Christus hinführt, dessen Diener er zusammen mit allen andern Lehrern ist. Diese Stelle kann auch dazu verwandt werden, den Aberglauben all derer zu verurteilen, die Christus nicht nur mit den Propheten und Aposteln, sondern auch mit ihren gewöhnlichen kleinen Heiligen so auf eine Stufe stellen, daß er nur noch irgendeiner aus ihrer Reihe ist. Die Gnadengaben Gottes, die den Heiligen zuteil wurden, verfolgen einen völlig andern Zweck, als daß diese nun einen Teil der Ehre, die wir Christus schuldig sind, an sich reißen. Die Quelle dieses Irrtums kann man schon an den Jüngern sehen: Solange sie von der Majestät Gottes in Furcht gesetzt waren, waren sie ratlos und suchten die Lösung bei Menschen; sobald Christus sie jedoch freundlich aufrichtete, stand er allein in ihrem Blickpunkt. Denn wenn in uns der Trost lebendig wird, mit dem uns Christus unsere Furcht nimmt, müssen all die törichten Neigungen zerfließen, die uns hierhin und dorthin ziehen.
Matth. 17, 9. „Und da sie vom Berg herabgingen.“ Wir sagten schon, warum damals die Zeit noch nicht reif dafür war, das Geschaute weiterzuerzählen. Ohne Zweifel hätten man den Jüngern auch keinen Glauben geschenkt, wenn Christus in der Auferstehung nicht einen noch glänzenderen Beweis seiner Herrlichkeit gegeben hätte. Nachdem aber seine göttliche Macht sich öffentlich entfaltet hatte, begann auch jener zeitliche Anblick seiner Herrlichkeit eine Bedeutung zu erhalten. Und dadurch wurde nur erst recht gewiß, daß seine Gottheit auch in der Zeit seiner Erniedrigung unverkürzt gegenwärtig war, mochte sie auch unter der Hülle des Fleisches verborgen gewesen sein. Darum befiehlt Christus seinen Jüngern nicht ohne Grund zu schweigen, bis er vom Tod auferstanden wäre.
Aus: Calvin, Auslegung der Heiligen Schrift, Die Evangelienharmonie 2. Teil, Neunkirchener Verlag 1974, S. 74ff.
Achim Detmers