Mission ist die ureigenste Sache der Kirche: ''Schämt euch des Evangeliums nicht''

Westfälischer Impulstag ''proViele'' in Ahlen

AHLEN/WESTFALEN - „Aufrichten - Stärken - Kräftigen - Gründen“: Unter diesem Motto stand der 6. westfälische Impulstag für Christsein mit Profil - „proViele“ - zu dem am Samstag (17. März) rund 250 Teilnehmende aus ganz Westfalen in die Stadthalle nach Ahlen gekommen waren. Sie erwarteten Vorträge und Diskussionen, biblische Impulse und seelsorgliche Angebote, viel Musik und praktische Anregungen für das ehrenamtliche Engagement in der eigenen Gemeinde. Zu Gast war auch Präses Annette Kurschus, die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen.

„Schämt euch des Evangeliums nicht“, so die klare Botschaft der 49-jährigen Theologin. Für Christen sei eine missionarische Ausrichtung keine persönliche Vorliebe oder kein theologischer Akzent, keine Spezialität eines bestimmten Frömmigkeitsstils: „Mission ist die ureigene Sache der ganzen Kirche.“ Wer die Worte Jesu ernst nehme, wisse sich ganz selbstverständlich in die Welt gesandt - mit einer Botschaft, „die wir um Gottes und der Menschen willen nicht für uns behalten und im stillen Kämmerlein pflegen dürfen, sondern die hinaus will unter die Leute.“ Ihr Fazit: „Missionarisch heißt schlicht: Der Verheißung Jesu trauen und unseren Auftrag als Christen ernst nehmen.“

Das Evangelium gelte aller Welt - nicht nur der Kirche. Die Kirche sei kein Selbstzweck, sondern dazu da, „die Botschaft von der freien Gnade Gottes auszurichten an alles Volk“, erinnerte Präses Annette Kurschus an die 6. These der Barmer Theologischen Erklärung. Darin sei der Auftrag begründet, „zu zeigen, was uns erfüllt, weiterzusagen, was wir selbst gehört haben; zum Leuchten zu bringen, was uns selbst wärmt und was uns Orientierung gibt.“ In der Wahrnehmung des missionarischen Auftrags sind der westfälischen Präses drei Dimensionen wichtig: theologische Konzentration, wache Zeitgenossenschaft und ökumenische Weite.

Theologische Konzentration

Kirche missionarisch nach vorne zu denken, bedeutet für Kurschus zuallererst „die Quelle unserer eigenen Kraft und Hoffnung immer neu entdecken.“ Das Evangelium müsse authentisch gelebt werden, schließlich würden die Menschen spüren, ob Christen Gottes Wort ernst nehmen und ihm tatsächlich revolutionäre Kraft zutrauen. Gleichzeitig warnte sie sowohl vor „pausenloser Geschäftigkeit“, die das Wesentliche aus den Augen verliere, als auch vor einer „falsch verstandenen Niederschwelligkeit“. Wenn zum Beispiel in Gottesdiensten biblische Texte durch Bilderbücher, Literaturklassiker oder psychologische Texte als Predigtgrundlage verdrängt würden. Kritisch fragte sie: „Trauen wir dem Wort des Lebens so wenig zu? Sind uns die uralten Texte der Bibel peinlich? Sind sie wirklich so welt- und wirklichkeitsfern?“ Nein. Ihr Appell: „Schämt euch des Evangeliums nicht. Und: Gebt ihm Raum in eurem Tun!“

Wache Zeitgenossenschaft

Kirche missionarisch nach vorne zu denken, so Kurschus, bedeute zweitens: „Mitten in der Welt stehen und wahrnehmen, was die Menschen hier und heute beschäftigt.“ Dabei müsse Kirche aber nicht auf jede Frage eine Antwort haben, nicht zu allem „ihren Senf dazugeben“. Wenn sich Kirche zu jedem aktuellen Thema, das in den Medien oder an Stammtischen diskutiert wird, äußere, bestünde die Gefahr, irgendwann nicht mehr gehört zu werden und im „Geschwätz der vielen“ unterzugehen. Aber: „Es gibt Themen, zu denen haben wir vom Evangelium her unsere Stimme zu erheben. Wenn es um Gerechtigkeit geht oder um Frieden. Wenn es um Schutz und Bewahrung der Erde geht, die Gott uns anvertraut hat. Wenn es darum geht, wie Menschen menschenwürdig leben können. Überall, wo wir Hass und Gewalt und Ausgrenzung begegnen, dürfen wir um Gottes und der Menschen willen als Kirche nicht schweigen.“

Wache Zeitgenossenschaft bedeutet für Kurschus, gesellschafts- und sozialpolitisch Zeichen zu setzen mit der Unterhaltung von christlichen Kindergärten und Schulen, von kirchlichen Hochschulen und diakonischen Einrichtungen. Es bedeutet auch, den Dialog mit Andersgläubigen und Atheisten nicht zu scheuen, sondern selbstbewusst den eigenen Glauben zu bezeugen. Dabei warb sie für die inzwischen landeskirchenweit gestarteten Glaubenskurse (www.kurse-zum-glauben.de), die über elementare Grundlagen des christlichen Glaubens informieren. „Wache Zeitgenossenschaft“, so Kurschus, „braucht lebensfrohe, kritische, auskunftsfähige Christen. Menschen, die mit beiden Beinen im Leben stehen; die mit feinen und offenen Sinnen wahrnehmen, was hier und jetzt vom Evangelium her zu sagen und zu tun ist - und die auch den Mut haben, im Namen des Evangeliums deutlich Nein zu sagen und gegen den Strom zu schwimmen.“

Ökumenische Weite

Zu guter Letzt braucht es für Kurschus auch ökumenische Weite, um Kirche missionarisch nach vorne zu denken. Die weltweite Gemeinschaft von Christen unterschiedlicher Konfessionen und Nationalitäten. Denn: „Wir wären nicht Kirche ohne die Kontakte über unseren eigenen Tellerrand hinaus.“ Nur gemeinsam könne Verantwortung getragen werden für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Aus der Kraft des Evangeliums weltweit füreinander eintreten, einander beistehen und stärken, voneinander lernen, miteinander Wege in die Zukunft suchen und sie gemeinsam gestalten - auch das, so Kurschus, sei Mission. Und die leitende Theologin der westfälischen Landeskirche ist gewiss: „Eine Kirche, die ihren Schatz unter die Leute bringt, wird staunend entdecken, wie reich sie in Wahrheit ist.“

Material vom Impulstag proViele


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Pressemeldung der EKvW, 17. März 2012