Okay und Amen

Literaturgottesdienst zu Marc-Uwe Klings Roman 'QualityLand'


© Pixabay

Von Stephan Schaar

Der Gott des Friedens bewahre euer ganzes Wesen - Geist, Seele und Leib - in Jesus Christus, unserem Herrn.

(Amen.)

Es gibt hier, liebe Gemeinde, nur eine Option - wie in QualityLand; nur heißt sie hier “Amen” und nicht “Okay”.
Also grüße ich noch einmal und hoffe auf eine entsprechende Resonanz: Der Gott des Friedens bewahre euer ganzes Wesen - Geist, Seele und Leib - in Jesus Christus, unserem Herrn.

(Amen.)

So geht das! Wunderbar!
Jetzt können wir fortfahren.
QualityLand ist überall, möchte ich meinen, vor allem, seitdem Donald Trump wieder die Macht überlassen worden ist und er mit aller Kraft daran arbeitet, demokratische Prinzipien zu zerstören und soziale Korrektive auszuhebeln. Big Tech mit seinen Algorithmen soll es richten, auf dass America great again werde.

Faktencheck in sozialen Netzwerken? - Abgeschafft!
Kontrolle über virtuelle Währungen? - Fehlanzeige!

Jeder ist seines - und ausschließlich seines eigenen - Glückes Schmied; es liegt auf der Hand, dass das zu Deformationen bei anderen führt - aber wen kümmert das?! Wollen wir in einem solchen Paradies der Möglichkeiten leben?

Sicher werden jetzt nicht alle “hier” schreien - oder besser “Amen” sagen, auch wenn es genügend Leute gibt, deren Spieltrieb ausgeprägt genug ist, sich eine Welt vorstellen zu können, in der alles wie am Schnürchen läuft, wo man mit einem Fingerschnipsen die abgefahrene U-Bahn zurück dirigieren kann oder mit einem Kuss bestellt und bezahlt, was immer man haben möchte.

Vorausgesetzt natürlich, man verfügt über die erforderlichen Mittel.
Vorausgesetzt auch, es macht einem nichts aus, zu einem gläsernen Menschen zu werden - zumindest in den Augen Höherstehender.
QualityLand ist, das möchte ich zumindest hoffen, nicht überall, noch nicht einmal überall dort, wo Künstliche Intelligenz eine größere Rolle spielt als in Deutschland, das technisch erheblich hinterher hinkt, was aber wenigstens damit einhergeht, dass Menschenrechte und die Errungenschaften der Gewerkschaften noch immer etwas gelten - noch.

Aber was Marc-Uwe Kling ironisch überspitzt darstellt, gibt es mancherorts tatsächlich schon in Wirklichkeit: In China werden die Leute nahezu lückenlos mit Kameras überwacht, und mithilfe von - hierzulande verbotener - Software zur Gesichtserkennung ist es leicht möglich, beispielsweise Verkehrssünder zu identifizieren und sanktionieren.

Klar, wenn man der Meinung ist, nichts zu verbergen zu haben, mag einem das unerheblich scheinen.
Sie sind doch unbescholtene Bürgerinnen und Bürger, nicht wahr?
Ah - ich muss es andersherum formulieren: Gebt zu, dass auch Ihr etwas auf dem Kerbholz habt, alle!

(Amen.)

Das war leise, fast nicht zu hören.
Bekennt Ihr euch schuldig? Seid Ihr Sünder?

(Amen.)

Na, also!
Mir könnt ihr ja vielleicht noch etwas vormachen. Aber glaubt ja nicht, dass dem Himmlischen irgend etwas verborgen bliebe!
Oder glaubt ihr das nicht? - Aber warum seid ihr dann hier?

Ihr, liebe Geschwister, gehört doch bestimmt zu denen, die sich zwar die eine oder andere  Optimierung des Alltags vorstellen können, vielleicht auch wünschen, möglicherweise sogar bereits in Anspruch nehmen - Lebensmittel liefern lassen statt lange einkaufen gehen zu müssen, beispielsweise. Aber zugleich möchtet ihr nicht in einer Welt leben, in der es keinen freien Willen und keine Auseinandersetzung auf Augenhöhe mehr gibt, sondern Rund-um-die-Uhr-Service, ob man will oder nicht.

Es folgt nun ein weiteres Kapitel [Ein ungewünschtes Produkt”] aus “QualityLand”, das wir mit verteilten Rollen lesen; es wird der letzte Ausschnitt aus dem Buch für heute sein.

DIALOGISCHE LESUNG

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen unseres Landes werden am kommenden Sonntag von uns allen beeinflusst, jedenfalls, sofern wir von unserem Wahlrecht Gebrauch machen.

Es gibt Leute, Michel Friedmann hat sie “Die Partei des Hasses” genannt, denen die Regeln von Humanität und Toleranz ein Dorn im Augen sind. Und es gibt Taktierer  - oder sollte ich besser “Hasardeure” sagen? -, die es bewusst in Kauf nehmen, von “denen da”, auf die man vor kurzem noch mit dem Finger zeigte, unterstützt zu werden, und zwar in dem Bemühen, dem Willen der Bevölkerung willfährig zu sein, auch wenn es auf Kosten von Menschen geht, die alles riskiert und sehr viel verloren haben, auch wenn es unsere Demokratie in Gefahr bringt und mit christlichen Werten rein gar nichts zu tun hat.

Gebe Gott, dass unsere Gesellschaft nach der Wahl nicht auseinanderbricht!

[Ggf. wiederholen, bis die Gemeinde “Amen” ruft.]


Stephan Schaar