Psalm 38
In den Unschuldspsalmen (z.B. Ps 26) kämpfen Angeklagte um ihr Recht. Die Beter dieses Klageliedes aber treten im Bewusstsein ihrer Schuld vor Gott (vgl. Ps. 51). Sie wissen, dass ihr Elend durch eigene Dummheit und Verfehlung verursacht ist. Sie rechnen mit dem Schlimmsten (V. 18) und geben doch die Hoffnung auf eine gütige Zuwendung Gottes nicht auf. Im Hebräischen hat der Psalm so viel Verse, wie das Alphabet Buchstaben hat. Er ist ein kunstvoll gebautes Gebetslied.
Die Bereimung von Matthias Jorissen ist 200 Jahre alt, kann aber noch heute mitvollzogen werden. Die Melodie des Reimpsalms ist in kurzen Strophen gebaut und leicht singbar. Neben der Verwendung im Gottesdienst kann der Psalm auch das Gebet eines einzelnen sein. Er kann in bestimmten seelsorgerlichen Situationen die Tür zum lösenden Gespräch öffnen.
1. Großer Gott, du liebst Erbarmen, straf mich Armen / doch in deinem Zorne nicht. / Züchtigst du, ach, deine Stimme ruf im Grimme / mich nicht vor dein Zorngericht.
2. Ich bin voller Angst und Schrecken, und es stecken / deine Pfeile tief in mir. / Schwer ist deine Hand. Gebücket, schier erdrücket / lieg ich in dem Staub vor dir.
3. Meine Missetaten steigen hoch und beugen / mein mit Schuld bedecktes Haupt. / Ihre Last drückt mich danieder, meine Glieder / werden aller Kraft beraubt.
4. All mein Wünschen, all mein Hoffen leg ich offen / und verschweige nichts vor dir. / Sind doch Seufzer nicht noch Sorgen dir verborgen: / Ach, Erbarmer, hilf du mir!
5. HERR, ich fleh um dein Erbarmen für mich Armen, / alles in mir harrt auf dich. / Du wirst mich in Wahrheit leiten, für mich streiten, / HERR, mein Gott, sprich du für mich!
6. Offen will ich dir bekennen und dir nennen, / wie ich lebte fern von dir: / Viele Stunden, viele Tage ich beklage, / weil dein Wort nicht war bei mir.
7. Stehe du in meinem Leben mit Vergeben / bei mir und verlass mich nicht! / Ohne dich besteh ich nimmer, zeig du immer / mir dein gnädig Angesicht.
8. Wirst du nicht von allem Bösen mich erlösen? / Bist du nicht mein Gott, mein Teil? / Eile dann, mir beizustehen, hör mein Flehen, / HERR, ich warte auf dein Heil.
Melodie: Straßburg-Genf 1542 / Genf 1551 / Text: nach Matthias Jorissen 1793
Psalm der Woche, Alfred Rauhaus / Audio: Chormusik zum Genfer Psalter, Domkantorei Berlin