Psalm 74
„Aus dem Klage- und Bittlied der Gemeinde hebt sich das hymnische Mittelstück klar heraus (V. 12-17). Der Gott Israels ist ‚König’ und Weltschöpfer. Unbegrenzt ist die Macht dessen, der die Urmächte überwunden hat und der alles Leben der Schöpfung in seiner Hand hält. Mitten im tiefen Leid der Gottesverlassenheit und Verwerfung (V. 1) hält die Gemeinde an den schöpferischen Heilstaten Gottes fest. In der Klage aber werden die Nöte in einigen Bildern vor Gott ausgebreitet. Die Bitten kreisen dabei immer nur um einen Hauptgedanken: die Ehre Gottes, der Name Gottes ist durch das Zerstörungswerk der Feinde und durch den Unglauben des Volkes angetastet und geschmäht worden. So hat das Psalmgebet nur eine einzige Erwartung, dass Gott seine Ehre wiederherstellen möge.“ (H.J. Kraus)
Von der alten Bereimung durch Matthias Jorissen blieb allein die 7. Strophe erhalten. Im übrigen wurde der Psalm 1990 neu bereimt. Die Melodie ist sehr bekannt; sie entspricht dem 116 Psalm. Der Psalm kann an jeder Stelle im Gottesdienst gesungen werden.
1. Warum, o Gott, willst du in Ewigkeit / dein Volk verstoßen, deiner Schafe Herde / durch deinen Zorn vertilgen von der Erde? / Warum verwirfst du uns für alle Zeit?
2. Gedenke doch, wie du seit Urzeit schon / dein Volk erlöst, dein Erbteil dir erkoren, / wie Treue du und Huld ihm zugeschworen / und Zion wähltest, deiner Gnade Thron.
3. Erhebe dich, Schau das Zerstören an. / Sieh, wie der Feind dein Heiligtum verwüstet. / Hör, wie er sich mit Stolz und Hochmut brüstet / und rühmt, was seines Armes Macht getan.
4. Wir gehn einher in tiefer Finsternis. / Dein Wort ist fern, die Weisung bleibt verborgen / und kein Prophet verkündet uns den Morgen. / Im Dunkel wandeln wir und ungewiss.
5. Ach Gott, wie lange soll der Feind dich schmähn? / Wie lange soll der Widersacher toben? / Wann endlich zeigst du deine Macht von oben / und lässt uns deiner Rechten Stärke sehn?
6. Von alters her bist König du allein, / vollbringst die Taten deines Heils auf Erden. / Selbst Meereswut muss stille vor dir werden, / der Tiefe Macht dir unterworfen sein.
7. Dein ist der Tag, dein ist die Nacht dazu, / du rufst dem Licht und lässt die Sonne glänzen, / du stellest fest der Erde weite Grenzen, / den Sommer wie den Winter machest du.
8. Du bist ein Gott, der Bund und Treue hält. / Gewalttat reckt ihr Haupt in allen Landen. / Führ deine Unterdrückten aus den Banden / und schaffe Recht den Armen in der Welt!
9. Wie lange währt’s, wann kommst du zum Gericht? / Auf, führe deinen Streit, o Gott der Götter! / Sei unser Helfer, sei du unser Retter, / sei unser Heil. O HERR, vergiss uns nicht.
Melodie: Genf 1562 / Text: Str. 1-6, 8, 9: Alfred Rauhaus 1990, Str. 7: Matthias Jorissen 1793
Psalm der Woche, Alfred Rauhaus / Audio: Dick Sanderman