Recht haben
»Und nun ist gerade das Rechthaben ungefähr das Verhängnisvollste, was einem Menschen geschehen kann. Rechthaben ist immer etwas Hartes, Sachliches, Steifes. Da reißt der Mensch etwas an sich, was ihm nicht gehört. Da feiert er einen Triumph, der immer zu früh ist. Da scheint er groß und wird im selben Augenblick klein. Das Rechthaben macht das Gute in dem guten Menschen unwirksam. Sie müssten gut sein, (...) ohne recht haben zu wollen. Denn in dem Augenblick sieht man nur noch den Menschen, nicht mehr den guten Menschen. In dem Augenblick, wo Einer mit dem Guten einen Triumph feiern kann, wirkt das Gute mit dem Bösen auf der gleichen Linie. Man bewundert und respektiert es wohl noch, aber es ist nicht mehr ein Geheimnis, es ist keine Majestät mehr, es hat den Namen und das Gesicht dieses und dieses Menschen. (...) Die guten Menschen decken das Gute sozusagen zu; damit ist ihm seine Kraft genommen« (Karl Barth, Predigt zu Lukas 6,27-36, in: Predigten 1921 (GA I.44), 179).