Sonstige ehrenwerte Taten
»[König] David ragte in verschiedener Beziehung hoch über seine Zeitgenossen und über sein Volk hinaus: durch seine Tapferkeit, durch seine Klugheit, durch seine für jene wilde Zeit erstaunliche Großmut gegenüber seinen Feinden. Aber einmal beging er doch eine unerhörte Zügellosigkeit und Roheit: als er den Uria verräterisch ermorden ließ und dessen Frau Bathseba zu sich nahm [2. Sam 11]. Er meinte wohl im Stillen, bei seinen sonstigen ehrenwerten Taten sei das ein kleiner, unbedeutender Flecken, der den Glanz seines Namens und sein Verhältnis zum lebendigen Gott nicht trüben könne. Doch, das hatte er getan. Obwohl David damals nicht mehr jung war, würde er ein ganz anderer Mann geworden sein, wenn jene Untat ungetadelt und ungestraft vorbeigegangen wäre. Er stünde dann vor unsern Augen als einer von den wüsten, gewissenlosen Tyrannen, an denen das Morgenland so reich gewesen ist, und es würde uns ganz unmöglich, ihn mit so manchen schönen, tiefen Psalmen in Verbindung zu bringen, die uns unter seinem Namen überliefert sind. Wenn er trotz jener Untat schließlich noch ein anderer geworden ist, so verdankt er das nicht seinen sonstigen guten Eigenschaften, sondern der Tatsache, daß die faule Stelle an ihm, die ihn sonst ganz vergiftet haben würde, unbarmherzig aufgedeckt wurde.« (Karl Barth, Predigt zu Sprüche 23,23, in: Predigten 1913 (GA I.8), 529f)