Geschäftsstelle des
Reformierten Bundes
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Aktuelle Termine
27.09.2023-15.07.2024, Hamburg-Altona
Eine Sonderausstellung spannt einen Bogen vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart und zeigt, dass die Geschichte der Glaubensfreiheit eine Geschichte über Freiheiten und Grenzen ist. Auch unsere reformierte Gemeinde konnte bekanntlich ab 1602 in Altona siedeln und eine Kirche an der Großen Freiheit errichten. Die Ausstellung erzählt Altonas Glaubens- und Freiheitsgeschichte und führt die religiöse Vielfalt damals wie heute vor Augen. Einen lebendigen Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart soll die Ausstellung ermöglichen, denn auch heute muss um Freiheiten gerungen werden. Weltweit ist die Freiheit zu glauben - oder nicht zu glauben - ein Vorrecht weniger.
Schon im Oktober 2020 stand die Ausstellung auf der Agenda. Dann kam die Pandemie und hat die Ausstellung ausgebremst. Jetzt endlich ist sie erneut zugänglich. Damals hat Kuratorin Dr. Hirsch über ein halbes Jahr den Kontakt zu unserer Gemeinde gepflegt. Im gemeinsamen Gespräch haben wir die reformierte Gemeindegeschichte erforscht und Exponate für die Ausstellung ausgewählt. So stellten wir dem Altonaer Museum alte Abendmahlskelche, eine alte französische Bibel und ein französisches Gesangbuch als Leihgaben zur Verfügung. Diese Exponate werden gleich im Eingangsteil der Ausstellung zu sehen sein... neben jüdischen, katholischen und mennonitischen Leihgaben. Außerdem sind Videoclips von Gemeindegliedern zum Thema „Glaubensfreiheit“ zu sehen. Und die Familiengeschichte der Familie Boué ist – exemplarisch für eine hugenottische Flüchtlingsfamilie – dokumentiert.
Eine unserer Leihgaben ist die silberne Abendmahlskanne, die von Johann Peter Menadier gespendet wurde (siehe Abbildung). Er ist der Erfinder der Altonaischen Kronessenz. In unserer Dauerausstellung – so schreibt Dr. Hirsch - findet sich folgender Text über ihn:
Nach der Vertreibung der französischen Protestanten, der Hugenotten, aus Frankreich bildete sich ab 1685 auch in Altona eine franzö- sisch-reformierte Gemeinde. Der Hugenotte Johann Peter Menadier (1735–1797) emigrierte nach Altona und verkaufte eine von ihm seit 1773 hergestellte Gesundheitsessenz, die „Essentia Coronata“. Ab 1796 ist das Mittel als „Keisserliche privilegirt Altonatiche W. Krones- sents“ nachweisbar. In kleinen Glasflaschen wurde die Kräutertinktur als „Wundermedizin“ gegen eine Vielzahl von Erkrankungen verkauft und weltweit verbreitet. Nach Menadiers Tod führte seine Witwe Anna Cecilia geb. Sparka die Geschäfte weiter. Die Firma „J. P. Menadier Wwe & Sohn“ wurde 1951 von der Firma Asche & Co. AG übernommen, die seit 1972 zur Schering AG gehört.
Stings like a bee
Predigt im Jazzgottesdienst auf dem Kirchentag am 21. Juni 2019
Einer von den Pflöcken des Zeltes. Hering würde ich sagen.
Wenn der erstmal drin ist in der Erde, bekommt man ihn schwer wieder raus.
Sie kennt sich aus damit. Jael ist die Frau aus den Zelten, die Nomadin, eine alte Pfadfinderin.
Von der einen Seite drücken, dann von der anderen, bis er sich lockert,
wie ein Milchzahn. Dann hat sie ihn.
Aber die straff gespannte Zeltbahn hängt jetzt durch.
Beinahe streift sie Siseras Gesicht. Als wolle sie ihn noch einmal streicheln.
Sie hat ihn zugedeckt.
Sie hat ihm Milch zu trinken gegeben.
Jetzt schläft er wie ein Säugling.
Siesta Sisera.
Sie muss mit der Spitze des Pflocks vorsichtig diese eine Stelle an der Schläfe suchen, wo eine Ader pocht, wo das Leben ist.
Das Holz drückt eine kleine Delle in die Haut, als sie ansetzt.
In der linken Hand den Pflock, in der rechten Hand den Hammer. Sie wendet den Kopf lieber leicht nach links (wird es spritzen?)
Aber hinsehen muss sie. Sonst trifft sie nicht.
Und holt aus, nicht weit. Und schlägt.
Und der Pflock dringt durch Haut und dünnen Knochen,
durch Hirn und noch einmal Knochen und Haut (das Geräusch)
und wieder in die Erde, bis er den Hammer dumpf zurückfedern lässt.
Drin.
Noch einmal schlägt Sisera die Augen auf, groß und irrend wie im Traum,
sein Blick nichts mehr haltend, wie bei den Neugeborenen.
Und Jael neben ihm sieht, wie er kommt, der Tod. Wie Sisera sich noch einmal streckt, als wollte er doch noch aufwachen. Wie er erschlafft.
*
Artemisia Gentileschi hat sie gemalt. Jael mit dem Hammer in der rechten und dem Pflock in der Linken. Sisera in ihrem Schoß. Sie hat beide gemalt zu einer Zeit, in der man Frauen nicht einmal zutraute, dass sie einen Pinsel halten, geschweige denn ihn führen könnten.
Artemisia wurde als sehr junges Mädchen von ihrem Lehrer vergewaltigt. Wenn sie nicht darüber spräche, würde er sie heiraten. Das tat er aber nicht, sondern brachte sie stattdessen vor Gericht. Artemisia wurde in dem Prozess gefoltert und zutiefst entehrt. Niemand glaubte ihr. Sie musste die Stadt verlassen.
Und malte fortan fast nur noch Frauen. Malte sie als Objekte männlicher Lust und Gewalt: die gierig betatschte Susanna im Bade. Die nackte, schöne Batseba. Sie malte die gefolterte Katharina von Alexandria, einfach zu klug für all die Männer. Sie malte sich selbst als Märtyrerin. Und Artemisia malte weibliche Gewalt. Immer wieder Judith mit dem Kopf des Holofernes.
Und Jael mit dem Hammer und dem Pflock. So gleichmütig sieht sie aus auf Artemisias Bild. Als läge da nicht ein Mensch, ein Mann in ihrem Schoß, sondern als täte sie bloß ihre tägliche Arbeit beim Aufbau des Zeltes. Die Frau aus den Zelten, die Nomadin, sie kennt sich eben aus mit Hammer und Pflöcken.
Ich stelle mir Artemisia vor, wie sie das malt und sich selbst Pflock und Hammer in die Hände wünscht statt Pinsel und Palette. Wessen Gesichtszüge trägt ihr Sisera eigentlich?
Ein Gemälde voller Gewalt. Ein Gemälde als Therapie. Gewalt als Therapie, als eine Selbstermächtigung der Opfer. Endlich Subjekt sein statt Objekt.
*
Ginge es um diese Art von Gewalt in Deboras Lied, um die Selbstermächtigung der Opfer, um Rache für angetane Gewalt, um Genugtuung – ich könnte das nicht gutheißen, natürlich nicht. Nachvollziehen vielleicht.
Aber dieses Lied ist von vorne bis hinten voller Bosheit und Gewalt. Deboras Name bedeutet Biene
and she floats like a butterfly and stings like a bee.
Debora, die Richterin muss Barak, den Feldherrn, in die Schlacht begleiten wie ein Kind in den Kindergarten.„Wenn du mit mir gehst, werde ich gehen; gehst du aber nicht mit mir, werde ich nicht gehen“, quengelt Barak, so als sei er zum Muttersöhnchen der Mutter in Israel geworden. Mit Debora an der Seite zieht er in die Schlacht. Das feindliche Heer besiegt er nicht, das tun, wie auch immer, die Sterne und der Bach.
Sisera flieht zu Fuß, kommt zu Jael, nimmt das erwähnte Ende und als Barak endlich bei Jaels Zelt ankommt, ist Sisera schon tot und Jael wahrscheinlich gerade bienenfleißig damit beschäftigt, den benutzten Zeltpflock durch einen neuen zu ersetzen. Summend vermutlich.
Ach ja, und wir erfahren auch noch, wie Siseras Mutter vergeblich darauf warten wird, dass ihr Sohn von der Arbeit zurückkommt. Sie könnte einem ja leidtun, fantasierte sie nicht von der reichen Beute dieses Krieges, von bunten Tüchern und Frauen, die nur noch Leiber sind, bestimmt zur Vergewaltigung durch die Soldaten.
Bosheit und Gewalt, vor allem von Frauen. Mal nicht Opfer, sondern Täterinnen.
*
In den Tagen von Jael
waren die Wege verödet,
und die auf Pfaden gingen,
mussten gewundene Wege gehen. (Richter 5, 7)
Um es mal euphemistisch auszudrücken.
Deboras Weiberlist, she floats like a butterfly and stings like a bee.
Und am Ende nach der ganzen Morderei war vierzig Jahre lang Ruhe im Land.
Der predigenden Frau von heute hilft natürlich ihr erworbenes exegetisches Wissen, um eine Antwort auf die Frage zu finden, warum hier eigentlich im Buch der Richter so bedenkenlos mit Hammer und Pflock hantiert wird. Wo doch schon lange vor dem Einzug in das Gelobte Land die Zehn Gebote ausgereicht worden sind. Sogar mehrfach im 2. und extra nochmal abgedruckt im 5. Buch Mose. Dass es auch die allerletzten am Ende des Einzugs in das Gelobte Land einher schlurfenden Fußlahmen noch mitbekommen:
Du. Sollst. Nicht. Töten.
Das Deboralied gehört zu den ältesten Texten des Alten Testaments und die Zehn Gebote gehören leider Gottes zu den jüngsten Texten des Alten Testaments.
Und lies die Bibel bei Gott besser nicht in der Reihenfolge, in der die Bücher jetzt abgedruckt sind. Sonst kommst du nur durcheinander.
Oder lies sie einfach doch in der Reihenfolge, in der die Bücher jetzt abgedruckt sind. Und du wirst richtig lesen.
Denn die Wege veröden immer ja wieder aufs Neue, sie enden in Bosheit, Gewalt, Krieg.
Vierzig Jahre Ruhe im Land, ein Traum für viele Länder auf dieser Erde.
Über siebzig Jahre Ruhe in unserem Land nach der ganzen Morderei.
Und ein Kopfschuss aus unmittelbarer Nähe in den Kopf des Regierungspräsidenten von Kassel.
Es gibt einen Täter. Es gibt Mitwisser. Und die Bosheit der vielen im Netz.
Sag nicht so schnell „in den Tagen Jaels“.
Sag „in unseren Tagen“.
Sag
Du.
Sollst.
Nicht.
Töten.
Und frag:
„Was will Gott im sechsten Gebot?
Ich soll meinen Nächsten
weder mit Gedanken
noch mit Worten oder Gebärden,
erst recht nicht mit der Tat
auch nicht mit Hilfe anderer,
schmähen, hassen, beleidigen oder töten.
Darum hat auch der Staat die Aufgabe, durch seine Rechtsordnung das Töten zu verhindern.“
(Heidelberger Katechismus)
Amen
Kathrin Oxen