Ungeheuer
»[Die Menschen] stehen unter einer ungeheueren Knechtschaft, sie alle, die Reichen und die Armen, die Herren, die Bauern und die Arbeiter. Das Geld, das ihnen dienen sollte, ist in Wirklichkeit ihr Meister geworden, und es ist ein grausamer Meister. Wie ein greulicher Drache lauert überall und überall der Drache des Kapitals. Er will nicht den Frieden, nicht das Glück, nicht die Freiheit der Menschen, er will nicht einmal, dass sie leben und satt werden, das Alles kümmert ihn gar nicht, er will nur seine Zinsen, seinen Profit, der niemandem zugute kommt oder doch nur ganz Wenigen, während der übergroßen Mehrzahl der Menschen nur das Nötigste übrigbleibt und infolgedessen eben die Sorge, die Unzufriedenheit, die ewige Unruhe. Überall, überall in der Stadt und auf dem Land, in der Villa und in der Arbeiterwohnung, in der Seele derer, die scheinbar Alles haben, was das Leben schön macht, und in der Seele dessen, der aus der Hand in den Mund leben muss, stoßen wir auf die verderblichen Folgen dieser ungeheueren Knechtschaft, unter der unser Zeitalter seufzt.« (Karl Barth, Predigt zu Mt. 6,33, in: Predigten 1914 (GA I.5), 249)