Verabschiedung einer Küsterin

Predigt zu Psalm 84 und Gebet


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"... auch wenn Küsterarbeit immer im Hintergrund bleiben wird – darin teilt sie das Los jeder Hausarbeit – so trägt sie doch ganz entscheidend dazu bei, was für eine Atmosphäre in einer Kirche entsteht. Und nicht nur wir Menschen, auch der heilige Geist kehrt am liebsten da ein, wo eine Atmosphäre von Achtsamkeit und Liebe herrscht. Auch KüsterInnen haben also ein geistliches Amt!! Und ihre praktische Arbeit ist gleichzeitig auch eine Form von Gottesdienst."

Liebe Gemeinde!

Wir verabschieden heute die Küsterin der Dietrich Bonhoeffer Kirche in den Ruhestand, viele von sagen: „unsere Gerda“: ein Anlass, nicht nur Gerda Blums Arbeit noch einmal ausdrücklich zu würdigen, sondern auch, grundsätzlich über die Bedeutung von Küstern und Küsterinnen für unsere Kirche nachzudenken.

Beginnen wir mit der Frage nach dieser merkwürdigen Berufsbezeichnung, die junge Leute in der Gemeinde und erst recht Kirchenfremde kaum noch kennen. Küster?? Was ist das denn?? Hat das was mit Küssen zu tun?? Bei Gerda vielleicht, denn die hat gern schon mal dicke Küsse verteilt – aus lauter Überschwang und manchmal auch, um Traurige zu trösten, wenn ihr die Worte ausgegangen sind.

Aber das Wort Küster leitet sich ursprünglich von dem lateinischen Custos ab und bedeutet Wächter. Das haben einige aus der Küsterzunft manchmal dahingehend missverstanden, als sollten sie vor allem die Sauberkeit der Kirche bewachen und sie vor allen möglichen störenden Einflüssen schützen. Dazu zählten sie alle Besucher, die sich nicht fromm genug zu benehmen wussten, wilde Kinder und Jugendliche sowieso, aber auch die, die ungewöhnliche neue Gottesdienste mit entsprechender lauter Musik einführen wollten, also Pfarrer inklusive.

Da konnten manche Küster richtig Zähne zeigen und es gibt, oder vielleicht muss ich besser sagen: es gab in der Vergangenheit etliche Leidengeschichten in Gemeinden, die aus solchen Küsterblockaden entstanden sind.

Da haben wir`s hier mit allen unseren Küstern und Küsterinnen natürlich viel besser. Und wenn es heute speziell um Gerda geht, dann kann ich sagen: Sie wusste, dass es nicht darum gehen kann, ein heiliges Gebäude gegen lebendigen Gebrauch zu schützen. Sie hat darüber gewacht, dass sich das Leben in unserer Kirche voll entfalten konnte. Denn aus einem Gotteshaus, das nicht zugleich auch ein Haus für Menschen ist, zieht Gott ganz sicher aus! 

Auch deshalb kommt zu dem Wächteramt der Küster noch ein anderer Aspekt, der bei der kirchlichen Einführung in dieses Amt immer betont wird. Da wird nämlich folgender Vers aus dem sog. Küsterpsalm, Psalm 84 zitiert: Ich will lieber die Tür hüten in meines Gottes Haus als da sein, wo die Gottlosen, sprich die Gewissenlosen wohnen. Das bedeutet: eine wesentliche Aufgabe der Küster besteht darin, Menschen, die zur Kirche kommen, über die Schwelle zu helfen. Und die ist bei einigen inzwischen ziemlich hoch, weil ihnen alles, was mit Gott zu tun hat, völlig fremd geworden ist. Die, die an der Tür stehen – und das sind bei uns inzwischen nicht immer nur die Küster – sollen zeigen: Jeder, der kommt ist willkommen. In Gottes Haus und in seiner Gemeinde gibt es für jeden Platz! Und keine Angst: Ihr müsst nicht erst eine Gesinnungsprüfung bestehen. Ihr gehört ganz einfach dazu!

Ich habe oft erlebt, wie Gerda diese Aufgabe erfüllt hat, wie sie aufgeregte Brautpaare oder Tauffamilien mit dem ihr eigenen Zauber beruhigt hat, oder wie sie Traurige erst mal zu sich in die Küche geholt hat. Gelangweilte Konfirmanden konnte sie mit Aufgaben beglücken, die sie wichtig machten und schon die Kleinsten durften die Vater Unser Glocke läuten.

Türsteher im Hause Gottes müssen den Herzen der Menschen nahestehen, denn schon auf der Schwelle dieses Hauses soll etwas davon spürbar werden, was wir drinnen predigen: Kein Mensch geht über die Erde, den Gott nicht liebt.

Schließlich wird im Zusammenhang mit der Küsterarbeit oft auch der Anfang von Ps.84 zitiert: „Wie lieb sind mir deine Wohnungen Herr Zebaoth!“ Diesen Satz müssen Küster und Küsterinnen wirklich aus tiefster Überzeugung nachsprechen können, sonst haben sie ihren Beruf verfehlt. Und vielleicht erleben sie manchmal auch auf ganz eigene Weise, dass die Arbeit, die sie in der Kirche verrichten, nicht nur den Menschen dient die darin zusammen kommen; vielleicht werden sie aus dem stillen Echo der Gottesdienste manchmal auch von einem Hauch der Gegenwart Gottes berührt, der sich an ihnen freut. In früheren Dienstanweisungen für Küster stand deshalb ausdrücklich die Mahnung, die Küsterarbeit sei in ehrfürchtigem Schweigen zu verrichten.

Wir gehen inzwischen davon aus, dass Gott sich auch auf andere Art als im Schweigen ehren lässt, aber wir alle können doch im Grund nur dankbar staunen, dass Gott in unsere Bauwerke, die wir für ihn errichten, tatsächlich einzieht und sie immer wieder mit seinem heiligen Geist füllt. Auch damit beweist Gott seine Liebe zu uns. Denn er selbst braucht keine Tempel oder Kirchen.

Aber wir brauchen sichtbare Gotteshäuser für unseren Glauben. Wir brauchen Räume, in die wir uns aus der Hektik des Alltags eine zeitlang zurückziehen können, die uns helfen zur Ruhe zu kommen und uns ganz auf den Kontakt mit Gott zu konzentrieren. Wir brauchen einen festen Ort, an dem wir mit anderen Menschen unsere Glaubenserfahrungen, aber auch unsere Fragen und Zweifel teilen können, wo wir Gott vielstimmig loben und ihm unsere Klagen ausbreiten können und wo wir Sprache finden für unser stummes Entsetzen angesichts großer Katastrophen.

Unsere ganze Gesellschaft braucht sichtbare Kirchen, die dafür stehen, das das was ist, nicht alles ist, dass es noch andere Werte gibt als die, die man kaufen oder sich verdienen kann, und ein höhere Glück als das, was die Türme der Banken versprechen. Unser Glaube kann sich nicht auf Innerlichkeit beschränken, er braucht auch einen sichtbaren Ausdruck. Denn er nährt sich von dem, was uns von außen berührt: von dem Wort Gottes, das uns sagt, was wir uns nicht selbst sagen können, von den Menschen, die uns praktisch und seelsorgerlich zur Seite stehen (und oft geht Beides wirklich zusammen), und von vielen fremden Erfahrungen von Trost, Widerstand und Hoffnung.

Deshalb brauchen wir Kirchen als Orte, wo wir das alles finden. Aber es ist wie F. Steffensky schreibt: Eine Kirche ist nicht schon eine Kirche, wenn sie fertig gestellt und eingeweiht ist. Eine Kirche wird eine Kirche mit jedem Kind, das darin getauft wird, mit jedem Gebet, das darin gesprochen wird, mit jedem Toten, der darin beweint wird. ….Sie wird zu einem Kraftort, indem Menschen sie heiligen mit ihren Tränen und ihrem Jubel.. Ich muss mir nicht in Dauerreflexion sagen, wer ich bin und was der Sinn meines Lebens und Sterbens ist. Der Raum redet zu mir und erzählt mir die Geschichten und die Hoffnungen meiner toten und lebenden Geschwister. So baut auch der Raum an meiner Lebensvision….“

Oft sind es die KüsterInnen, die diese besondere Patina der Kirchen am besten kennen und die viele der Geschichten lebendig halten, die einer Kirche Seele geben. Bei Gerda ist das so, und wenn sie erzählt von unserer Dietrich Bonhoeffer Kirche, dann spürt jeder etwas von dem, was diese Kirche ausgemacht und was sie für uns zu unserer Kirche gemacht hat. Dabei gehörte die DBK ja zu den eher schlichten Wohnungen Gottes und das war bei ihrem Bau in den 60er Jahren ja auch bewusst so gewollt. Aber auch Fremde haben eben sofort etwas von der besonderen Wärme in diesem Gotteshaus gespürt und auch das lag zu einem großen Teil an Gerda. Nicht nur, weil sie die Heizung immer sehr großzügig aufgedreht hat, sondern weil spürbar war: diese Kirche ist Gerdas große Liebe und zwar rundrum: mit jedem Ziegelstein aus dem sie gebaut war und den vielen lebendigen Steinen, die zu ihr gehört haben.

Ich bin überzeugt: auch wenn Küsterarbeit immer im Hintergrund bleiben wird – darin teilt sie das Los jeder Hausarbeit – so trägt sie doch ganz entscheidend dazu bei, was für eine Atmosphäre in einer Kirche entsteht. Und nicht nur wir Menschen, auch der heilige Geist kehrt am liebsten da ein, wo eine Atmosphäre von Achtsamkeit und Liebe herrscht. Auch KüsterInnen haben also ein geistliches Amt!! Und ihre praktische Arbeit ist gleichzeitig auch eine Form von Gottesdienst. „Wir wollen tun und hören alles was uns der Herr geboten hat“ sagt Israel beim Empfang der Gebote. Tun und Hören, diese ungewöhnliche Reihenfolge charakterisiert vielleicht auch Küsterfrömmigkeit.

Wir können jedenfalls dankbar sein, dass es immer noch Menschen gibt, die diese Arbeit tun aus Liebe zu Gotte, seinem Haus und zu den Menschen, die darin zusammenkommen. Und wenn wir heute Gerda Blums Arbeit ausdrücklich würdigen, sollte uns das auch den Blick schärfen für das, was unsere anderen KüsterInnen für unser Gemeindeleben bedeuten und gerade an so großen Festtagen wie heute. Denn ohne ihr Engagement könnten wir uns weder auf diesen Gottesdienst konzentrieren noch das Fest anschließend unbeschwert genießen.

Im 1. Thessalonicher heißt es: „Wir danken Gott allezeit für euch und gedenken eurer in unserem Gebet.“ Das gilt heute insbesondere für dich Gerda und deinen Mann, der dich im Hintergrund oft mit Rat und Tat unterstützt hat. Hier in der Hauptkirche wird Frank Mosebach ab jetzt der „Türhüter“ sein und die Türen von Gottes Haus offen halten für uns alle und für Gottes heiligen Geist.

Amen. 

Gebet im Anschluss an Psalm 84

Du treuer Gott,
wir danken dir,
dass du mitten unter uns wohnst,
dass es einen Ort gibt,
wo wir gemeinsam auf dich hören können
und dir sagen dürfen, was uns bewegt.
Heute danken wir dir besonders für alle,
die für dein Haus sorgen:
für die Küster, die Reinigungskräfte und alle, die ehrenamtlich helfen.
Wir übersehen oft,
wie wichtig ihre praktische Arbeit ist
für unser geistliches Leben,
und obwohl wir wissen,
dass alle Ämter in deiner Kirche gleich wichtig sind und Ehre verdienen,
gehen wir oft achtlos mit denen um,
die im Hintergrund wirken.
Wir bitten dich
Öffne unsere Augen und Herzen neu füreinander,
Hilf uns, einander mit Wertschätzung zu begegnen
und stärke unsere Gemeinschaft durch deinen heiligen Lebensgeist.


Sylvia Bukowski