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Warum wird er Christus, das heißt ''Gesalbter'' genannt?
Das dreifache Amt Christi im Heidelberger Katechismus
In Frage 31 erklärt der Heidelberger Katechismus: "Er (Jesus Christus) ist von Gott dem Vater eingesetzt und mit dem Heiligen Geist gesalbt zu unserem obersten Propheten und Lehrer, der uns Gottes verborgenen Rat und Willen von unserer Erlösung vollkommen offenbart; und zu unserem einzigen Hohenpriester, der uns mit dem einmaligen Opfer seines Leibes erlöst hat und uns alle Zeit mit seiner Fürbitte vor dem Vater vertritt; und zu unserem ewigen König, der uns mit seinem Wort und Geist regiert und bei der erworbenen Erlösung schützt und erhält."
Was ist neu an Calvins Lehre vom dreifachen Amt?
Das Grundverständnis der reformierten Christologie seit Calvin, die auch auf die lutherische und sogar die römisch-katholische Christologie ausgestrahlt hat, ist die Lehre vom dreifachen Amt Christi. Mit diesem Abschnitt macht Calvin zum ersten Mal eine in der Wirkungsgeschichte kaum zu überschätzende neue Lehre bekannt: Die Lehre vom dreifachen Amt Christi. Es ist nun nicht einfach ganz neu, dass von Christus und seinen Ämtern gesprochen wird: Luther hat etwa durchaus das Amt des Königs und Priesters aufgegriffen, hat also ein duales Modell ohne das prophetische Amt. Das ist neu – und auch, dass die Ämterlehre so an die Spitze gerät.
Christologie in Luthers Kleinem Katechismus
In Luthers Kleinem Katechismus findet sich die Christologie viel knapper als im HK. Luther "Ich glaube, dass Jesus Christus, wahrhaftiger Gott vom Vater in Ewigkeit geboren und auch wahrhaftiger Mensch von der Jungfrau Maria geboren, sei mein Herr, der mich verlornen und verdammten Menschen erlöset hat, erworben, gewonnen von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels; nicht mit Gold oder Silber, sondern mit seinem heiligen, teuren Blut und mit seinem unschuldigen Leiden und Sterben; damit ich sein eigen sei und in seinem Reich unter ihm lebe und ihm diene in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit, gleichwie er ist auferstanden vom Tode, lebet und regieret in Ewigkeit. Das ist gewißlich wahr." Der HK ist hier ausführlicher – er hat der Christologie, abgesehen von den Fragen 12-18 – 24 Fragen und Antworten gewidmet.
Das dreifache Amt hält "Person" und "Werk" Christi zusammen
Was leistet die Lehre vom dreifachen Amt Christi? Sie stellt eine Beziehung herstellen zwischen der Person Jesu Christi und seinem Werk. Wenn wir uns das Apostolikum ansehen, so hat es ja zwei Dimensionen. Einmal redet es von der "Person" (Ich setze das Wort "Person" in Anführungsstriche, weil der Begriff als solcher nicht unproblematisch ist) Jesu Christi: Gottes eingeborener Sohn, Herr. Das ist Jesus Christus.
Und die weiteren Sätze reden von dem, was geschehen ist: empfangen, geboren, gelitten, gekreuzigt, gestorben, begraben, hinabgestiegen, auferstanden, aufgefahren, sitzend, kommend. Das alles sind Aussagen über das Werk Jesu Christi, wie man es dogmatisch nennt. Die Lehre vom Amt hält Person und Werk zusammen, weil sie nicht allein auf das Werk, sondern auch auf die Person, nicht allein auf die Person, sondern auch auf das Werk sieht.
Eine Problemanzeige
Diese Problematik ist heute so virulent wie seit jeher. Denn es ist immer wieder wahrzunehmen, wie in der christlichen Kirche Akzente zu beiden Seiten hin verschoben werden und dann Einseitigkeiten die Folge sind. Wenn wir etwa auf die liberale Theologie insgesamt oder auch nur auf viele Äußerungen über Jesus schauen, dann betonen sie unter isolierter Betrachtung vor allem der Synoptiker einen Blick auf die Person Jesu.
Wie viele Jesus-Bücher sind nicht schon geschrieben worden, die sich allein mit der Perspektive auf den Menschen und vielleicht den Gott-Menschen Jesus beziehen. Und dabei außer Acht lassen, dass es den Evangelien beispielsweise gar nicht darum geht, eine Geschichte der Person Jesu zu schreiben, sondern aus der Perspektive des Kreuzes und der Auferstehung nach dem zu fragen, der dieses erlitten hat und der von Gott bestätigt wurde. Die Synoptiker sind nicht allein an der Person interessiert.
Auf der anderen Seite findet man Theologien, die ganz von der Person Jesu absehen und ganz auf das Werk schauen. Da gehört hinein etwa die Theologie Rudolf Bultmanns und seiner Schüler. Bultmann geht aus von 2. Korinther 5,16, wo es heißt: Darum kennen wir von nun an mehr "kata sarka"; und auch wenn wir Christus gekannt haben "kata sarka", so kennen wir ihn doch jetzt so nicht mehr. Bultmann folgert daraus, dass Christus als Person, und das heißt für ihn vor allem der historische Jesus, aber nicht nur der, unwichtig, irrelevant ist. Und damit also die Frage nach der Person Christi gar nicht mehr nötig sei, sie führe vielmehr in die Irre.
Abgesehen davon, dass ich die Exegese dieser Stelle so nicht nachvollziehen kann: "kata sarka" ist nach meiner und nicht nur meiner exegetischen Überzeugung auf das Erkennen und nicht auf Christus bezogen, und Paulus will damit sagen, dass er Christus nicht mehr auf fleischliche Weise und also abgesehen von der Versöhnungsdimension kenne – abgesehen auch davon ist die Frage, ob man so weit gehen kann wie etwa Bultmann und alles auf das Werk konzentrieren kann.
Beide Akzentsetzungen: Person und Werk Jesu Christi fallen in der Interpretation in der christlichen Theologie immer wieder auseinander. In der Lehre vom dreifachen Amt Christi können beide Dimensionen zusammen gehalten werden.
Altes und Neues Testament gehören zusammen
Hinzu kommt, dass das Verständnis der Ämter, zu denen Christus gesalbt ist, eine Zusammengehörigkeit von AT und NT verstärkt. Christus ist nicht ohne das Alte Testament zu verstehen.
Die Glieder Christi haben Anteil an seiner Salbung
Außerdem ist zu erwähnen, dass es so gelingt, die trinitarische Verortung deutlich zu machen: Christus ist vom Vater eingesetzt/verordnet und mit dem Heiligen Geist gesalbt. Matthias Freudenberg schreibt dazu (zwar mit Blick auf Calvin, aber das trifft hier auch zu): "Christus ist der durch die Wirkung des Heiligen Geistes ausgestattete Träger von Funktionen, mit denen er seiner Gemeinde gegenübertritt. Sogleich wird diese Begabung Christi mit dem kommunikativ-ekklesiologischen Gedanken verbunden: Der Nutzen für die Christen besteht in der guten Gabe, an seinen Ämtern teilzuhaben, um aus ihrer Fülle in dem Maße zu schöpfen, wie Gott es für jeden als zuträglich erkennt."
Das wird an der Frage 32 deutlich, mit der die Zusammengehörigkeit von Christus und der Gemeinde deutlich wird: Wir haben als Glieder Christi Anteil an seiner Salbung. Interessant ist zu sehen, dass die Reihenfolge von der bei Calvin abweicht: Entweder hat Calvin die Reihenfolge Prophet, König, Priester (Institutio) oder König, Priester, Prophet (Genfer Katechismus); hier ist es die Reihenfolge Prophet, Priester, König.
Nur drei Ämter Christi?
Bevor ich knapp auf die Einzelheiten eingehe, ist nach der grundsätzlichen Berechtigung dieser theologischen Theorie zu fragen. Man wird nicht sagen können, dass Jesus selber diese drei Titel: König, Prophet, Priester gebraucht habe. Also ist es keine historisch entwickelte Theorie, sondern eine deutende. Denn auch an den neutestamentlichen Schriften wird man sie so ja nicht einfach finden. Obwohl es Hinweise gibt: Jesus als der König der Juden (INRI), Jesus als der einzige Hohepriester im Hebräerbrief, Jesus als der Lehrende, so ist doch zu sagen, dass es keine direkt dem Neuen Testament entnommene Lehre ist.
Und dann ist, so Klauspeter Blaser (1), zu fragen, ob denn die Einschränkung auf gerade diese drei Ämter hilfreich ist, oder man nicht andere Aspekte aufgreifen will. Blaser selber will ihr aufhelfen, indem er ihre Intentionen im Hinblick auf ihre missionarische Struktur und Tendenz und ihre kritische Struktur und Tendenz für wichtig erachtet. Ich bin da nicht so skeptisch wie Blaser und sehe mehr Chancen. Und wenn man die Theologie Barths sieht, so ist darauf hinzuweisen, wie sehr er diese Lehre vom dreifachen Amt Christi aufnimmt und produktiv fortführt.
Das prophetische Amt: Gottes Willen kund tun
Das prophetische Amt (HK 31) hat die Aufgabe, Gottes Willen kund zu tun. Deswegen steht dieser Grundsatz mit HK 19 in enger Verbindung (Sie erinnern sich: Woher weißt du das? Aus dem heiligen Evangelium). Vom Propheten und also von Christus erfahren wir, was Gott uns sagen will! Und eben auch, wer Gott ist. Christus ist Gottes Stimme auf Erden. Das könnte man jetzt ausführen in alle möglichen Richtungen – sachlich steht dieser Grundsatz in Entsprechung zur ersten Berner These und zur ersten Barmer These, dass Jesus Christus das eine Wort Gottes ist, dem wir zu vertrauen und zu gehorchen haben. Spannend ist dann in HK 32, dass dem handeln Gott – er macht sich in Christus selbst bekannt – HK 32 entspricht: Auch ich soll ihn bekennen – hier existiert eine Parallelität.
Das priesterliche Amt: Versöhnung
Das priesterliche Amt thematisiert die Erlösung – das habe ich vorhin ausdrücklich hervorgehoben. Dass 12-18 vorgeschaltet sind, ist auch ein Hinweis auf die besondere Dimension der Rechtfertigungs- und Versöhnungslehre in der Reformationszeit. Typisch wieder für den HK ist das Entsprechungsverhältnis: Der Erlösung entspricht ethisch das lebendige Dankopfer, also die Dankbarkeit. Der Aufbau des HK mit seiner Betonung der Dankbarkeit ist hier zu hören – dieses Amt ist das im HK am stärksten thematisierte Amt – bei Christus und bei uns. Es gibt also in der Akzentsetzung eine Asymmetrie im Blick auf die anderen beiden Ämter.
Das königliche Amt: Jesus Christus regiert
Das königliche Amt thematisiert ist die Herrschaft Christi: Jesus Christus regiert. Es ist ein geistliches Königtum, darf also nicht mit irgendwelchen irdischen vielleicht theokratischen Anstrengungen verwechselt werden, darauf legt Calvin eingehenden Wert. Nein, es ist die Herrschaft des zur Rechten Gottes sitzenden Christus, der durch Wort und Geist regiert. Er schützt und erhält uns – diese Worte tauchen dann auch in HK 54 in der Ekklesiologie wieder auf.
Deutlich ist hier, dass die Rede von einem deus absconditus, von einem verborgenen Gott, nicht aufgenommen wird. Unser Anteil am königlichen Amt besteht "Zwischen den Zeiten" im "Streit gegen Sünde und Teufel", ein Mitregieren ist erst in Ewigkeit verheißen. Es ist nicht schwer, hier theokratische Überlegungen abgelehnt zu sehen – die Herrschaft ist eschatologisch verstanden. Jetzt befinden wir uns zwischen den Zeiten, und der Kampf ist Kennzeichen der christlichen Gemeinde.
---(1) Klauspeter Blaser, Calvins Lehre von den drei Ämtern Christi (Theologische Studien 105), Zürich 1970.
Georg Plasger