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Biografien A bis Z
(1907-1979)
Roland de Pury entstammt einer alten Patrizierfamilie aus dem schweizerischen Neuchâtel. Nach dem Studium der alten Sprachen wandte er sich der Theologie zu und legte 1932 in Paris sein Abschlussexamen ab. Nach zwei weiteren Semestern Studium in Bonn bei Karl Barth wurde er 1934 Landpfarrer in der Charente. 1939 wechselte er nach Lyon, wo er bis 1956 blieb. Anschließend wirkte er als Dozent an theologischen Seminaren in Kamerun und Madagaskar. 1965 kehrte er nach Aix-en-Provence zurück, wo er zunächst als Studentenpfarrer und anschließend, bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1972, als Gemeindepfarrer wirkte.
De Pury unterhielt eine lebenslange intensive Korrespondenz mit seinem Freund und späteren Schwager, dem schweizerischen Schriftsteller und Pädagogen Eric de Montmollin. De Pury war auch ein fesselnder und gesuchter Vortragsredner. Seinen letzten Vortrag zum Thema „Brauchen wir eine Kirche um zu glauben“ hielt er am 29. Januar 1979. Auf dem Heimweg erlitt er einen Gehirnschlag und starb in den Armen eines seiner acht Kinder.
Roland de Pury hat eine beträchtliche Anzahl von Büchern zu theologischen, aber auch sozialen und kulturellen Themen verfasst, von denen einige in die deutsche Sprache übersetzt worden sind. International bekannt wurde er durch sein Journal de Cellule (deutsch: Tagebuch einer Gefangenschaft), verfasst 1943 während seiner Haft im Gestapo-Gefängnis von Lyon. Sehr beschäftigt hat ihn das Thema der Freiheit des Menschen. Für ihn waren Freiheit vor Gott und Freiheit in der Gesellschaft untrennbar1.
Die Briefe, die de Pury während eines Aufenthaltes in Bonn verfasste2, zeigen seine kompromisslose Ablehnung des Nationalsozialismus. Professor Karl Barth hatte den jungen Theologen nach Bonn gezogen. Was wie ein ganz normaler, arbeitsamer Studienaufenthalt beginnt (vgl. den Brief vom 30. Oktober 1932), erfährt durch Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 eine jähe Wendung. De Pury erweist sich als hellsichtiger Beobachter und Kommentator der Ereignisse. Der Theologe, der als Monarchist nach Bonn kam und dem Parlamentarismus eigentlich ablehnend gegenüberstand, heilte durch das, was er in Deutschland erlebte, von der Droge des Antiparlamentarismus, wie er es selbst ausdrückte: der Nationalsozialismus machte ihn zu einem Demokraten (vgl. den Brief vom 5. Juli 1933).
Als Hitlerdeutschland im Sommer 1940 Frankreich besetzt, ist de Pury einer der ersten und entschiedensten Gegner einer Kollaboration mit der Besatzungsmacht. Er belässt es nicht bei Predigten, sondern hilft furchtlos und unermüdlich den Verfolgten. Dafür verleiht ihm Israel 1976 den Ehrentitel eines „Gerechten unter den Völkern“. Als die Gestapo de Pury 1943 schließlich einkerkerte, verdankte er sein Leben nur dem Umstand, dass er gegen in der Schweiz inhaftierte deutsche Spione ausgetauscht wurde.
Roland de Pury betonte später immer wieder, wie wichtig sein Bonner Aufenthalt für seinen späteren Lebensweg war. 1973 schrieb er rückschauend auf sein Leben: „Das Jahr 1933 und meine deutschen Brüder haben mir in Bonn die Augen dafür geöffnet, dass die theologische Existenz ein Kampf ist“.
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1 Siehe dazu: Das Abenteuer der Freiheit, Neukirchen 1969.
2 Der originale französische Text ist veröffentlich in: Etudes Théologiques & Religieuses, 2007/4, 473-492.
Körtner: Barth hat Evangelische Kirche durch Predigtkultur erneuert
Der Wiener Systematiker würdigt den Theologen Karl Barth zum 125. Geburtstag
Der Ordinarius für systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, Ulrich H.J. Körtner, hat einen Gedenkartikel zum 125. Geburtstag des evangelischen Theologen Karl Barth in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift "Furche" und auf science.ORF.at geschrieben.
Körtner schildert den Werdegang des am 10. Mai 1886 in Basel geborenen und am 10. Dezember 1968 dort verstorbenen Barth, der als einer der bedeutendsten evangelischen Theologen gilt. Für ihn sei allein Gott der Gegenstand der Theologie gewesen. "Die unmögliche Möglichkeit, von Gott zu sprechen", so Körtner über den Schweizer Theologen, "gründet einzig und allein in der Selbstoffenbarung Gottes. Gottes Offenbarung aber bedeutet die Krisis aller Religion und zerbricht die kulturprotestantische Synthese von Christentum und moder-ner Kultur." Die Autonomie des Menschen sei als eine von Gott bestimmte Selbstbestimmung zu verstehen.
Körtner kritisiert in diesem Zusammenhang neue Entwicklungen in der Theologie: "Die theologische Diskussion der Gegenwart ist wieder stark vom Begriff der Religion bestimmt. Gelebte Religion und die vermeintliche Wiederkehr der Religion stehen im Zentrum theologischer Programme, die die Theologie in Abgrenzung von Barth als Kulturwissenschaft verstehen." Eine rein kulturwissenschaftliche Auffassung von Religion führe jedoch letztlich zur Auflösung der Theologie in Religionswissenschaft oder Anthropologie.
Gefahr der "Selbstimmunisierung von Theologie und Kirche"
In seinem Artikel erinnert Körtner daran, dass Barth als ein Vorkämpfer der Bekennenden Kirche in Deutschland auch der Hauptautor der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 gewesen sei, auf die sich heute auch die Evangelische Kirche A. und H.B. in Österreich beruft. In Österreich hätten vor allem die evangelischen Theologen Wilhelm Dantine und Kurt Lüthi Gedanken Barths aufgegriffen.
Kritisch vermerkt Körtner in seinem Artikel, dass sich innerhalb der Barth-Schule allerdings "ein regelrechter Barthianismus mit der Tendenz zur Selbstimmunisierung von Theologie und Kirche" entwickelt habe. So habe schon Dietrich Bonhoeffer Barth und seinen Schülern "Of-fenbarungspositivismus" vorgeworfen.
>>> Ulrich H. J. Körtner: Der ganz Andere (Mai 2011)
Quelle: evang.at, 25. Mai 2011