''Mut können wir von den Menschen in der Ukraine lernen''

Kirchentag: Interview mit Susanne Bei der Wieden


© Ulf Preuß

Die Kirchenpräsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche beobachtet gerade bei Menschen in Not oft ungeheuren Lebensmut - trotz allem.

Reformierter Bund: „Mutig, stark, beherzt“ - so lautet das Thema des Kirchentags. Wozu brauchen wir eigentlich Mut?

Susanne Bei der Wieden: Mut meint Lebensmut, Mut zur Wahrheit, Mut zum Widerspruch. Und den Mut zum Glauben. Wir erleben gerade eine sehr krisenhafte Zeit. Ich glaube, wir brauchen deshalb den Mut, so etwas wie ein fröhliches Herz zu behalten. Wir erleben momentan eine Stimmung, in der Menschen um uns sehr unzufrieden sind. Wir brauchen Gelassenheit, uns davon nicht infizieren zu lassen. Und den Mut, darauf hinzuweisen, wie gut es uns eigentlich immer noch geht: „Vertraue und glaube! Es hilft, es heilt die göttliche Kraft!“

Leicht gesagt. Menschen in Notlagen wie etwa in der kriegsgeplagten Ukraine könnten da widersprechen. Was würden Sie solchen Menschen sagen?

Zunächst einmal: Wenn Menschen persönlich sehr schweres Leid erfahren, versuche ich, mit ihnen mitzugehen und Trost zuzusprechen, wo ich es kann. Bei Menschen in schwierigen Situationen erlebe ich aber oft einen ungeheuren Lebensmut. In der Ukraine sehe ich Menschen, die weitermachen, die ihr Leben auch unter den momentanen Bedingungen gestalten. Es sind Menschen, die zu uns kommen und den Mut haben, ein neues Leben aufzubauen. Mut, so finde ich, können wir von den Menschen in der Ukraine lernen.

Wie viel Mut sollte Kirche in unserer Gesellschaft aufbringen? In diesen Tagen wurde immer wieder debattiert, ob Kirche politisch sein sollte.  Ist sie nur eine weitere NGO?

Kirche kann nicht unpolitisch sein. Wenn Kirche nichts sagt, ist sie auch politisch. Ich finde wichtig, dass wir deutlich machen, aus welcher Haltung heraus, aus welcher Glaubensgrundlage und mit welchem biblischen Bezug wir uns für gesellschaftliche Themen und gesellschaftliche Verantwortung einsetzen. Das unterscheidet uns von NGOs, auch wenn die Ziele manchmal übereinstimmen. Das macht uns ein Stück weit unverwechselbar.

Politisch sein bedeutet, gegen Menschen anzusprechen. Wie können wir Position gegen etwas beziehen, ohne Menschen von uns zu stoßen?

Wir sollten den Menschen sehen und die Rolle des Menschen in der Gesellschaft. Es macht einen Unterschied, ob ich mit jemand rede, der frustriert ist und die AfD wählt. Oder mit einem Funktionär der AfD, der die Gesellschaft zersetzen will. Wenn ein Gegenüber menschenverachtend wird, dann müssen wir klare Kante zeigen, Positionen hinterfragen und Menschen im Gespräch überzeugen.


RB
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