Psalm 10
Der Psalm gehört mit Psalm 9 zu einer Einheit zusammen. Seine durchgehende Aussage ist das Rühmen des erhabenen Gottes, der sich zugleich erniedrigt hat, auf dem Zion zu wohnen und der Zufluchtsort der Hilflosen und Verfolgten zu sein. Der Psalm lässt erkennen, wie wunderbar Gott erretten und helfen kann. Er lässt aber auch sichtbar werden, welche Anfechtungen ein Mensch erlebt, wenn die Zeichen der Hilfe Gottes ausbleiben. „Es ist aber wichtig, die Stimme der Anfechtung genau zu vernehmen. Unter der Last der verzögerten Heilszuwendung breitet sich nicht Verzweiflung aus. Leidenschaftliches Rufen und zugleich tiefes Vertrauen kennzeichnet die Aussagen in 10, 12-15. In den hymnisch bestimmten Schlussworten aber wird die Anfechtung des Wartenden in den eschatologischen Hymnus hineingenommen. Sie wird nicht hymnisch überblendet, sondern sie wird aufgenommen in eine definitive Klärung aller Rätsel... Die gottesdienstliche Überlieferung, dass Gott Richter und König der Völker ist, bedeutet für den Glaubenden also etwas Letztes, von keiner Macht Überbietbares.“ (H.J. Kraus)
Die neue Bereimung geht an den Worten des Psalms entlang. Sie beschreibt das Elend des Rufenden, den Stolz der Übeltäter, den leidenschaftlichen Hilferuf des Armen und die Gewissheit endlicher Erhörung. Die Melodie ist ausdrucksstark und leicht zu lernen. / / Der Gesang des Psalms passt gut zum Predigttext Römer 5, 1-11.
1. Warum, o HERR, bleibst du so ferne stehn, / verhüllst dich in den Zeiten unsrer Not? / Die Elenden in ihrem Leid vergehn, / da sie des Frevlers Übermut bedroht. / Mit seinen Ränken bringt er sie zu Tod. / Er preist den Frevel, weil er Gott verachtet / und nach Gewinn nur seine Habgier trachtet.
2. In seinem Stolz meint er, Gott frage nicht / nach seiner Untat, und sein böser Sinn / spricht kühn: Es ist kein Gott und kein Gericht, / er ahndet’s nicht, ob ich auch ruchlos bin. / So fährt er seinen krummen Weg dahin. / Er sagt sich: Not und Unglück wird mich schonen, / ich wanke nie, ich werde sicher wohnen!
3. Voll Fluch sein Mund, voll Trug und voll Gewalt, / in seinem Wort hält Unheil er versteckt. / Er sitzt und späht aus seinem Hinterhalt, / wie sich ein Löwe tief im Dickicht deckt, / bis er den Armen fängt und niederstreckt. / Er spricht voll Trotz: Mir wird schon nichts geschehen, / Gott hat’s vergessen, wird es nimmer sehen.
4. Steh auf, HERR! Gott, erhebe deine Hand! / Vergiss die Elenden und Schwachen nicht! / Soll immerdar der Frevler Unverstand / verachten deine Rechte, dein Gericht? / Such heim den Bösen, dass sein Arm zerbricht! / Du schaust die Not, du hörst der Waisen Klagen. / Der Arme fleht! Beende seine Plagen!
5. Der HERR allein ist König allezeit. / Die Völker konnten nicht vor ihm bestehn. / Den Armen hast du, HERR, erhört im Leid / und hast geneigt dein Ohr zu seinem Flehn. / Der Waisen Elend hast du angesehn. / Du schaffest Recht den Schwachen und Geringen. / Des Frevlers Rat lässt nimmer du gelingen.
Melodie: Straßburg-Genf 1542 / Genf 1551 / Text: Alfred Rauhaus 1990
Psalm der Woche, Alfred Rauhaus / Audio: Dick Sanderman