Psalm 104
Unser Psalm „schildert nirgends Ruhe, überall herrscht Bewegung. Die gesamte Welt ist von Taten Gottes getragen und beherrscht, auf die alle Elemente und Kreaturen hin ausgerichtet sind. Und dies alles geschieht aus souveräner, weltüberlegener Macht, tiefer Weisheit und huldvoller Güte heraus. Die gesamte Schöpfung ist zu Gott hin offen, sie ist absolut von ihm abhängig, stirbt ohne ihn. Sie lebt von seiner schöpferischen Tat, die erneuernd fortgesetzt wirksam wird. Mit Gottes ‚kabod’ (=Lichtglanz, Gewicht, Würde) liegt auf der Welt, wie Ps. 104 sie sieht, der Glanz der Königsherrlichkeit Gottes, das Licht einer neuen, anderen Welt, in der Frevler keinen Raum mehr haben. In dieser Welt kann der Mensch auf die Taten und Gaben Gottes nur reagieren mit einem täglichen, abhängigkeitsbewußten Lob.“ (H.J. Kraus)
Ps. 104 ist im Gesangbuch mit zwei großartigen Bereimungen vertreten: von Gerhard Fooken auf die verkürzte Melodie und von Jürgen Henkys in neuer Bereimung für die vollständige Melodiefassung. Beide Bereimungen eignen sich nicht nur zum Singen, sondern auch als Lesetexte. Wer will, kann den gesamten Gottesdienst am Erntedanktag von Psalm 104 her gestalten. Außer in den beiden Reimpsalmen ist der Text des biblischen Psalms in den Liedern 626 und 690 aufgenommen. Einzelne Verse liegen den beiden Kanons 340 und 640 zugrunde.
1. Komm, Seele, sing! Ihr Sinne, feiert mit! / Lobt Gott, der euch im Glanz entgegentritt. / HERR, du bist schön, du bist mit Licht umkleidet, / das unter Menschen Wahn und Wahrheit scheidet. / Du spannst den Himmel. Deine Stürme ziehn. / Voll unbegriffner Botschaft Blitze sprühn. / Erdreich und Meer hast du sich trennen lassen: / hier Berge, Ebnen, dort nur Wassermassen.
2. Doch zwischen Felsen gehen Quellen auf, / du sammelst sie im Tal zum Wasserlauf. / Da trinkt das Wild. Die schönen Fische schwimmen. / Das Uferlaub steckt voller Vogelstimmen. / Du gibst dem regenfeuchten Lande Kraft, / füllst seine Früchte mit Geschmack und Saft. / Aus Saat wächst Brot. Der Wein wächst aus den Reben. / Des Menschen Herz wird stark und liebt das Leben.
3. Von dir sind unsre Zeiten in der Zeit, / der Tag, das Jahr, Frist und Gelegenheit, / der Mond – und Sonnenlauf in ihren Bahnen, / was wir errechnen, was wir nur erst ahnen. / Von dir ist selbst die Finsternis der Nacht, / in der das Unheil schleicht und Beute macht, / von dir der Morgen, wenn die Ängste schwinden / und Mensch und Welt im Werk zusammenfinden.
4. Wie weise deine Werke, HERR, wie groß! / Der Vorrat deiner Hand scheint grenzenlos. / So wollen alle von dir Luft und Nahrung. / Sie sammeln, wenn du gibst: Brot, Gut, Erfahrung. / Sie sind verstört, wenn’s ihnen nicht gedieh. / Wenn du den Atem anhältst, sterben sie. / Du sendest Atem aus, dass Atem werde, / und du erneuerst die Gestalt der Erde.
5. Es freue sich der Schöpfer seiner Welt, / damit sie nie dem Unverstand verfällt. / Wenn unter seinem Blick die Krater rauchen - / nie soll ein Mensch die Welt in Feuer tauchen. / Ich lobe Gott, solang ich Atem hab. / Die Sünder haben kurzen Weg zum Grab. / O würden sie des blinden Wahns doch inne! / Komm, Seele, sing! Und feiert mit, ihr Sinne!
elodie: Straßburg-Genf 1542 / Lyon 1548 / Text: Jürgen Henkys 1992
Psalm der Woche, Alfred Rauhaus / Audio: Dick Sanderman