Psalm 69
Der Psalm ist das Lied eines Menschen, der um seines Gottes willen leidet und Schmach für seinen Eifer um den Tempel trägt, obwohl er unschuldig ist. „Eben dieser leidende, verlassene und verschmähte Gottesknecht steht exemplarisch und zeugnishaft für alle, die als „Arme“ nach Gottes Hilfe ausschauen... Seine Rettung wird zum Erweis der Heilswirklichkeit Gottes und wirkt Vertrauen und Erquickung. Beachtet man diese eigenartigen Aussagen des Psalm, die alle individuelle Bezogenheit weit übersteigen, so wird sogleich verständlich, dass die Urgemeinde das Wirken und Leiden Jesu Christi in dem alttestamentlichen Psalm vorangekündigt sah. Nach der Tempelreinigung erinnern sich die Jünger an Ps 69, 10 (Joh. 2.17). In seinem unschuldigen Leiden ‚erfüllt sich’ die Aussage in Ps 69, 5 (Joh. 15, 25). Dem Gekreuzigten wird die ‚giftige Trostnahrung’ (Ps 69, 22) gereicht (Mt. 27, 34.48 u.ö). Und noch im Schicksal des Judas sieht Apg. 1, 20 eine Erfüllung von Ps 69, 26. Durch das Leiden des Gottesknechtes Jesus ist das Geheimnis der Botschaft des 69. Psalms erst aufgeschlossen worden. Dieser Psalm wird fortan auf keinem anderen Wege in seinem wesentlichen Aussagegehalt zugänglich sein. Die Erfüllung ... tritt ein in die unerschöpfliche Tiefe der Leidensaussagen eines Liedes, das in seiner gewaltigen Verkündigung neben Jes. 53, Ps 22 und Ps 118 steht.“ (H.J. Kraus)
Die neue Bereimung nimmt die Kernaussagen des Liedes auf und lässt die neutestamentlichen Bezugnahmen hervortreten. Sie läuft auf den hymnischen Ruhm Gottes zu, der auch aus dem Tod erwecken kann, und ruft Himmel, Erde und Meere auf, Gott zu preisen. / Der Psalm kann in jedem Passionsgottesdienst gesungen werden.
1. HERR, rette mich, das Wasser steigt und steigt, / und immer höher türmen sich die Wogen. / Da ist kein Halt, ich werd hinabgezogen, / dem Abgrund zu, wo jede Stimme schweigt. / Ich schrie zu dir die ganze, lange Nacht. / Nach dir, mein Gott, nach dir rief meine Seele. / Vergeblich habe ich geweint, gewacht. / Mein Gott ist fern, sieht nicht, wie ich mich quäle.
2. Unzählbar ist, wie Haar auf meinem Haupt, / der Feinde Schar, die hasserfüllt mich jagen, / mich ohne Grund bedrängen und verklagen. / Ich soll erstatten, was ich nicht geraubt. / Du kennst mein Herz, HERR, du erforschest mich, / und meine Schuld – liegt sie nicht vor dir offen? / Lass nicht um meinetwillen schämen sich, / die, HERR, auf dich von ganzem Herzen hoffen.
3. Um deinetwillen trag ich Schmach und Spott. / Selbst meine Brüder haben mich vergessen. / Der Eifer um dein Haus hat mich gefressen. / Nun schmähen mich, die dich verschmähen, Gott. / Ich aber ruf zu dir aus meinem Leid, / wenn über mich die dunklen Fluten gehen, / aus meiner Angst, HERR der Barmherzigkeit. / Errette mich und lass mir Heil geschehen.
4. Wie schrecklich ist der Menschen Hass und Wut, / kein Mitgefühl, kein Trost in ihren Mienen. / Sie sind mir feind. Die meine Freunde schienen, / verhöhnen mich in ihrem Übermut. / Mit Galle speist mich ihre harte Hand, / gibt bittren Essig meinem Mund zu trinken. / Sie haben sich von dir, HERR, abgewandt. / Lass sie in Schmach und Todesnot versinken.
5. Mein Lied erhebt dich, Helfer in der Not. / Nimm meinen Dank, dein Name ist mein Leben. / Du warst mein Schutz, du hast mir Kraft gegeben, / ja, deine Macht erweckte mich vom Tod. / Nun kommt, ihr Menschen, die sein Geist bewegt! / Ihr Himmel, kommt! Ich rufe euch, ihr Meere! / Du Erde, komm, und was auf dir sich regt: / Der HERR ist Gott! Gebt unserm HERRN die Ehre! /
Melodie: Straßburg 1539 / Genf 1551 / Text: Alfred Rauhaus 1993
Psalm der Woche, Alfred Rauhaus / Audio: Dick Sanderman