Provokation
Herausforderung
»Auf dem Fußballfeld ist der Ball Gott. Oder das Tempo ist Gott, an der Börse heißt er Mammon.« (Karl Barth, in: Gespräche 1963 (GA IV.41), 27 auf die Frage, ob Gotteserkenntnis außerhalb der christlichen Offenbarung möglich sei).
»Ein in Davos hoffnungslos darniederliegender Lungenkranker, der in rechtschaffener innerer Auseinandersetzung mit seinem Schicksal, das ja zugleich eine allgemeine Bedrohung der Menschheit darstellt, begriffen ist, nimmt an der tätigen Bejahung des Daseins, obwohl sie für ihn praktisch nur im geduldigen Leiden und Ausharren und im Beweis von ein wenig Mut und paradoxer Freudigkeit inmitten seiner Umgebung bestehen kann, wahrhaftig auch und vielleicht intensiver teil, als der tüchtige Mann, der unterdessen im Bereich der Bahnhofstraße in Zürich ›Werte schafft‹, Geschäfte und Karriere macht.« (Karl Barth, KD III/4, 630).
»The shipping company whose president was also travelling on the Titanic and is among those who have been rescued – unfortunately, we are almost tempted to say. It is these people who saw this expensive ship, and all the intellectual effort which went into building it as well as the 800 sailors and 1400 passengers on board, as a great money-making operation. It is they above all who placed the safety of 2200 lives beneath their desire to compete with other companies. It is they who, for the sake of their dividends, have 1500 dead people on their consciences, together with all the distress this has brought upon families on both sides of the ocean. But ultimately not even this shipping company bears all the guilt for this disaster, but first and foremost the system of acquisition by which thousands of companies like this one are getting rich today, not only through shipping but across the whole spectrum of human labour.« (Karl Barth, Predigt am 21.4.1912 zu Ps 103,15-17, in: The Princeton Seminary Bulletin 28 (2007), 215).
»Es stand in der vorigen Woche in der National-Zeitung eine Weihnachtsbetrachtung (…), in der daran erinnert wurde, daß es dem Menschen im vergangenen Jahr gelungen ist, nach dem Mond zu greifen. Daran sei nun nichts mehr rückgängig zu machen und zu ändern, daß die Russen eine desinfizierte Kapsel dort hinauf gesendet haben und daß die nun eben dort ist! Dann fuhr der Verfasser aber fort: Es gebe etwas, was nun doch noch erstaunlicher und sicherer sei – daß nämlich Gott (der noch etwas weiter oben als der Mond und die Sonne, die Milchstraße und alle Welten jenseits der Milchstraße zu Hause ist) einen gewaltigen Griff nach der Erde getan, und daß er da etwas ganz Anderes und Besseres zurückgelassen habe als jene blöde Kapsel: eben den Bund seines Friedens, eben unsere Versöhnung mit ihm, eben den einen Jesus Christus, in welchem diese geschehen ist. Seht, darum, weil dieser Friede geschlossen ist, kann und wird Gottes Gnade nicht von uns weichen.« (Karl Barth, Predigt zu Jes 54,10 (1959), Predigten 1954-1967 (GA I.12), 158).
»Und traurig ist's, wenn man seine gestrigen Dummheiten und Verdrehtheiten ansehen und dann ins neue Jahr hinüber muss mit dem Gedanken: Fortsetzung folgt! Und traurig ist's, wenn man in die Welt hinaus sehen muss und seine Zeitungen liest am Neujahrsmorgen und nichts Anderes weiß als: Krieg und böse Zeiten gestern und heute dieselben! Dann ist ja zwischen gestern und heute kein Unterschied, beide sind eingetaucht in das gleiche Elend.« (Karl Barth, Predigt zu Hebr. 13,8, in: Predigten 1916 (GA I.29), 7)
»Es bedurfte nicht der französischen Revolution, um die wirkliche alte Ordnung Europas zu zerstören. Sie war schon zerstört, lange bevor diese Revolution, die Revolution von unten, Ereignis wurde.« (Karl Barth, Die Protestantische Theologie im 19. Jahrhundert, Zürich 1946, 24f)
»[König] David ragte in verschiedener Beziehung hoch über seine Zeitgenossen und über sein Volk hinaus: durch seine Tapferkeit, durch seine Klugheit, durch seine für jene wilde Zeit erstaunliche Großmut gegenüber seinen Feinden. Aber einmal beging er doch eine unerhörte Zügellosigkeit und Roheit: als er den Uria verräterisch ermorden ließ und dessen Frau Bathseba zu sich nahm [2. Sam 11]. Er meinte wohl im Stillen, bei seinen sonstigen ehrenwerten Taten sei das ein kleiner, unbedeutender Flecken, der den Glanz seines Namens und sein Verhältnis zum lebendigen Gott nicht trüben könne. Doch, das hatte er getan. Obwohl David damals nicht mehr jung war, würde er ein ganz anderer Mann geworden sein, wenn jene Untat ungetadelt und ungestraft vorbeigegangen wäre. Er stünde dann vor unsern Augen als einer von den wüsten, gewissenlosen Tyrannen, an denen das Morgenland so reich gewesen ist, und es würde uns ganz unmöglich, ihn mit so manchen schönen, tiefen Psalmen in Verbindung zu bringen, die uns unter seinem Namen überliefert sind. Wenn er trotz jener Untat schließlich noch ein anderer geworden ist, so verdankt er das nicht seinen sonstigen guten Eigenschaften, sondern der Tatsache, daß die faule Stelle an ihm, die ihn sonst ganz vergiftet haben würde, unbarmherzig aufgedeckt wurde.« (Karl Barth, Predigt zu Sprüche 23,23, in: Predigten 1913 (GA I.8), 529f)
»Ohne Geld keine Schweizer. Ohne Geld keine Kultur. Ohne Geld keine Ruhe und Rast. Ohne Geld keine Freude und keine Zufriedenheit. Ohne Geld leider auch kein Christentum. Ja, wir leben vom Geld. Wer das Geld hat, der wird respektiert und gefürchtet, der hat die Behörden von vornherein für sich, der kann, wenn es sein muß, auch den Gesetzen und Ordnungen eine kleine Nase drehen, der richtet sich überhaupt die Welt so ein, wie es ihm paßt. Er kann befehlen, und er kann, wenn er will, auch bestrafen, wie ein zweiter lieber Gott. Er kann mit seinem Geld, wenn es sein muß, auch Liebe und Barmherzigkeit spenden mit vollen Händen, mit seinem Geld in der Welt, die vom Gelde lebt, und kann dafür die Verehrung und Dankbarkeit und den ewigen Gehorsam der Anderen in Empfang nehmen. Und dabei kann er persönlich vielleicht ein ganz vortrefflicher, vielleicht aber auch ein sehr zweifelhafter oder schlechter Mensch sein. Das ist gerade das Entscheidende, daß es darauf nicht ankommt. Der Mammon weiß nichts von Gut und Böse. Der Mammon ist einfach Macht. Als Macht kommt er über die Menschen. Als Macht zwingt er sie in seinen Dienst, Macht schenkt er ihnen in unendlicher Fülle, wenn sie ihm einmal Untertan sind.« (Karl Barth, Predigt zu Lk 16,19-26 (1915), in: Predigten 1915 (GA I.27), 264).
»Niemand versteht, daß der Herr nahe ist, der nicht mit tiefstem Entsetzen hineingesehen hat in die Abgründe der menschlichen Torheit und Bosheit, der nicht schon darüber erschrocken wäre, wie gut es doch die Torheit versteht, sich als Weisheit – und die Bosheit, sich als Gerechtigkeit zu gebärden. Niemand versteht, daß der Herr nahe ist, der nicht von Herzen verzagt ist: nicht nur über die Beschränktheit seiner eigenen Fähigkeiten und Hilfsmittel, sondern noch vielmehr darüber, daß auch er selbst, daß auch alle Guten und Besseren in die Torheit, die klug, und in die Bosheit, die tüchtig sein möchte, so tief verstrickt sind. Und wieder versteht niemand, daß der Herr nahe ist, der die Hände in den Schoß legt, der sich mit bloßem Zuschauen und Abwarten begnügt« (Karl Barth, Brief nach Holland, 1942, in: GA V.36, 403)
»Die Fürsten dieser Welt kommen und gehen, Gott aber bleibt. Die Staatsordnungen wandeln sich, Gottes Ordnung aber besteht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Die Reiche der Menschen entstehen und gehen wieder unter, Gottes Reich aber gehört die Zukunft.« (Karl Barth, Predigt zu Mk 12,13-17, in: Predigten 1913 (GA I.8), 82)