Provokation

Herausforderung

Absurdes und Nachdenkenswertes aus den sozialen Medien kommentiert von Georg Rieger

Wahlbriefbombe

»Wenn der König oder Herr durch allgemeine Abstimmung gewählt wird, so soll er, wenn er Böses tut, durch allgemeine Abstimmung wieder abgesetzt werden, andernfalls aber werden seine Wähler mit ihm zusammen bestraft. Wenn ihn eine kleine Zahl Fürsten gewählt hat, soll man diesen mitteilen, dass man sein anstößiges Leben nicht mehr hinnehmen könne, und sie auffordern, den König abzusetzen.« (Zwingli, Auslegung und Begründung der Thesen und Artikel (1523), in: Schriften II, 393).

Geldgeist

»Der Geldgeist macht die Leute freilich vorsichtiger, sie sagen es nicht so offen heraus, wem sie dienen, wie wenn sie etwa Untertanen des Zeitgeistes sind. Man rühmt sich nicht damit. Der Götzendienst geschieht in der Stille. Der Geldgeist lehrt seinen Leuten das vielsagende Achselzucken und die zweideutigen Worte, mit denen sie verstecken können, worum es ihnen eigentlich zu tun ist. Er wirkt darum nicht minder gewaltig. Er diktiert die Leitartikel in den Zeitungen, er bläst ein, wenn die Gesetze geschrieben und beraten werden, er sitzt als unsichtbares Mitglied mit beratender, aber entscheidender Stimme im Bundesrat, im Regierungsrat und im Gemeinderat, er führt dem sogenannten freien Bürger die Feder, wenn er seinen Stimm- und Wahlzeddel ausfüllt.« (Karl Barth, Predigt zu 2. Kor 3,17, in: Predigten 1913 (GA I.8), 226)

Recht haben

»Und nun ist gerade das Rechthaben ungefähr das Verhängnisvollste, was einem Menschen geschehen kann. Rechthaben ist immer etwas Hartes, Sachliches, Steifes. Da reißt der Mensch etwas an sich, was ihm nicht gehört. Da feiert er einen Triumph, der immer zu früh ist. Da scheint er groß und wird im selben Augenblick klein. Das Rechthaben macht das Gute in dem guten Menschen unwirksam. Sie müssten gut sein, (...) ohne recht haben zu wollen. Denn in dem Augenblick sieht man nur noch den Menschen, nicht mehr den guten Menschen. In dem Augenblick, wo Einer mit dem Guten einen Triumph feiern kann, wirkt das Gute mit dem Bösen auf der gleichen Linie. Man bewundert und respektiert es wohl noch, aber es ist nicht mehr ein Geheimnis, es ist keine Majestät mehr, es hat den Namen und das Gesicht dieses und dieses Menschen. (...) Die guten Menschen decken das Gute sozusagen zu; damit ist ihm seine Kraft genommen« (Karl Barth, Predigt zu Lukas 6,27-36, in: Predigten 1921 (GA I.44), 179).
 

Schlappe Hirten

»Doch was tun heute diese schlappen Hirten, die täglich den Ehebruch der Vornehmen konstatieren und die ihm gleichwohl nicht zuvorkommen, sondern häufig auch noch Kupplerdienste leisten? Was wollen wir erst von der unkeuschen Keuschheit (..) sagen, die ihre heuchlerische Enthaltsamkeit nicht genug herausstreichen können, sich uns aber täglich obszöner als die Hunde darbieten? Dies alles ginge ja noch halbwegs an, bliebe es bei einigen innerhalb der natürlichen Grenzen!« (H.Zwingli, Der Hirt (1524), in: Huldrych Zwingli Schriften I, 274) 

Verödung

»Gewiss, das sind Kämpfe, die durchgekämpft werden müssen, aber was für eine Verödung des politischen Lebens, (...) wenn die Leute außer den schönen Redensarten der patriotischen Feste nur noch durch solche Dinge in politische Erregung versetzt werden können, wenn nachgerade alle Politik zum wirtschaftlichen Zank auszuarten droht! Kein Wunder, wenn viele anständige und feinere Leute den Ekel bekommen vor aller Politik. Man blickt heute mit Entsetzen und fast mit Verachtung zurück auf die Zeiten, wo sich in unserm Lande die Konfessionen gegenseitig befehdeten und bedrängten, und wir wollen sie nicht zurückwünschen, aber war es nicht vielleicht doch fast noch die noblere, geistig höherstehende Zeit, in der man sich um den Glauben stritt, gegenüber einer Zeit, in der es scheint, als könne man nur noch wegen Eisenbahnen und Milchpreisen in Leidenschaft geraten?« (Karl Barth, Predigt zu Psalm 62,12, in: Predigten 1913 (GA I.8), 486)  

Kollege Populist

»Der deutsche Nationalsozialismus bedeutet die auf die bewußte Lüge und auf die blinde Gewalt gestützte Diktatur eines antichristlichen Mythus mit der notwendigen Konsequenz der grundsätzlichen Inhumanität, Unfreiheit und Rechtlosigkeit im Bereich des ganzen staatlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. Das europäische Vordringen dieses Systems bildet nicht nur ein politisches, nicht nur ein moralisches, sondern auch ein theologisches Problem. Im Bereich dieses Systems kann es grundsätzlich keine Verkündigung des Evangeliums, keine Kirche mehr geben. Dieses System kann die Kirche – es kann aber auch die Kirche dieses System nur verneinen.« (Karl Barth, an die Studenten der reformierten Theologie in Budapest (1938), in: Offene Briefe 1935-1942 (GA V.36), 154) 

Allerhand Befreiungen

»Noch seine Sklaven, treten sie ihm jetzt als Roboter gegenüber, die er – nicht ohne ihre mögliche Tücke fürchten zu müssen – seinerseits zu bedienen hat. Und indem sie seine früheren Bedürfnisse befriedigen und erfüllen, erregen sie ihn mit neuen, zuvor gar nicht empfundenen, die er nun doch angesichts der lockenden Möglichkeit, sie zu befriedigen, auch nicht verleugnen und unterdrücken kann. Indem sie sein Leben vereinfachen und erleichtern, komplizieren und erschweren sie es auch und erst recht. Kleine Sorgen nehmen sie ihm ab, aber nur um ihm andere, größere zu bereiten (…), [ihn] ihrerseits zu binden, zu verpflichten, zu tyrannisieren, ihn zu führen, wohin er nicht will, ihn unter dem Vorwand und Schein von allerhand Befreiungen erst recht unfrei zu machen.« (Karl Barth, in: Das christliche Leben 1959-1961 (GA II.7), 390) 

Helden

»Wenn wir die Menschheit ansehen könnten mit den Augen Gottes, dann würden wir sehen, wie die als die Großen, als die Helden dastehen: die einsamen Ausgelachten, Angefochtenen, Zurückgewiesenen, die stillen Beter, Kämpfer, Liebhaber, Hoffer, da ein paar, dort ein paar zerstreut über die weite Erde, übersehen von den Gelehrten und Fürsten und Diplomaten und Feldherren, die scheinbar die Geschichte machen, übertönt vom Knittern der Banknoten und vom Donnern der Kanonen, auf die scheinbar Alles ankommt - sie sind's, die in Wirklichkeit der Weltgeschichte den Sinn und die Richtung geben.« (Karl Barth, Predigt zu Mt 10,21-22, in: Predigten 1916 (GA I.29), 142).
 

Nücherne Taten

»Der Rechtsstaat braucht keine Liebe, sondern nüchterne Taten einer entschlossenen Verantwortlichkeit.« (Karl Barth, Rechtfertigung und Recht (1938), in: Eine Schweizer Stimme: 1938-1945, 52). 

Heisszeit

»Mag sein, daß die Schöpfung besudelt, gefährdet, bedroht wird, mag sein, daß es in der Schöpfung Seufzen, sehr, sehr viel Seufzen gibt, mag sein, daß die menschliche Kreatur sündigen kann und tatsächlich sündigt und daß sie als Sünder verdammt und gehaßt sein kann! Aber die Schöpfung und das Geschöpf als solches kann nicht zerstört und vernichtet werden. Die schrecklichsten Dinge mögen geschehen und geschehen auch, aber das nicht: keine Zerstörung, keine Auflösung, keine Verneinung. Gott ist und bleibt seinem Werk treu. Und selbst da, wo es so aussieht, daß nur noch der Zorn Gottes über seinem Geschöpf hängen kann, da bleibt das Geschöpf doch in den Händen seines Schöpfers.« (Karl Barth, Fragebeantwortung (1960), in: Gespräche 1959-1962 (GA 25), 109)

"Maybe that creation is soiled, is endangered, is threatened; maybe in creation there is suffering, a great deal of suffering; maybe the human creature can and does sin and can as sinner be damned and loathsome. But creation and creature as such cannot be destroyed, annihilated. The most terrible things may happen, and they do happen, but not destruction, not dissolution, not negation. God is and remains faithful to his work, and even where it seems that only the wrath of God can hang over the creature, the creature remains in the hands of his Creator. The creature, as such, cannot fall into oblivion." (Karl Barth, Fragebeantwortung bei der Konferenz der World Student Christian Federation, in: Gespräche 1959-1962 (GA IV.25), 429).

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