Wie mit Blasphemie umgehen?

Braucht es schärfere Gesetze, um den Glauben zu schützen?

Der Bamberger Bischof Ludwig Schick meint, das sei nötig. In manchen Ländern droht die Todesstrafe. Zwei Jahre Haft für die Pussy Riots. Protestanten halten sich aus der Diskussion heraus.

Mal wieder hat es ein "Titanic"-Titelbild aus den hinteren Ablagen der Zeitschriftenläden in den Mittelpunkt des Interesses geschafft. Die Redaktion wird dem Vatikan dankbar sein, der gegen eine Abbildung des Papstes mit gelbem Fleck auf der Soutane eine einstweilige Verfügung erwirkt hatte.

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick nahm diese Gelegenheit zum Anlass, schärfere Gesetze gegen die Blasphemie zu fordern und bekam von einzelnen CSU-Politikern umgehend Schützenhilfe. Auch ein bayerischer islamischer Imam sagte, die Blasphemie sei der Beginn eines Hasses, der zu Kriegen und Auseinandersetzungen führe. Daher finde er es richtig, wenn religiöse Werte und Symbole vor Spott geschützt würden. (SZ 2.8.12)

Was ist eigentlich Blasphemie?

Blasphemie bezeichnet im heutigen Kontext eine „Gotteslästerung“. Darunter wird unter anderem das Verneinen, Verhöhnen oder Verfluchen bestimmter Glaubensinhalte einer Religion bezeichnet (wikipedia). Gemeinhin gehört es zum allgemeinen Anstand, dass man sich nicht über den Glauben anderer Menschen (oder auch den eigenen) lustig macht.

Umso interessanter ist, dass Gesetze, die die Blasphemie verbieten, gegen die Menschenrechte verstoßen. Das hat erst im letzten Jahr eine hochrangige Kommission der UN bestätigt. Denn Blasphemie-Verbote schränken die Religionsfreiheit ein, die ja auch die Freiheit der Andersgläubigen und "Ungläubigen" schützt. Ausgenommen sind in manchen Ländern – wie auch in Deutschland – solche Beschimpfungen von Bekenntnissen oder religiösen Inhalten, die zur Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt anstiften.

In vielen – vor allem in islamisch geprägten – Ländern wird die Blasphemie gleichwohl streng bestraft, in Einzelfällen sogar mit dem Tod. Die Verunglimpfungen Mohammeds in einer dänischen Zeitung hatten seinerzeit sogar eine weltweite Hetzjagd gegen die Journalisten ausgelöst.

Das Verbot der Blasphemie hat freilich auch eine biblische und christliche Tradition. Das dritte Gebot verbietet den Missbrauch des Gottesnamens (2. Mose 20,7) in den weiteren Bestimmungen heißt es sogar: „Wer JHWHs Namen lästert, der soll des Todes sterben; die ganze Gemeinde soll ihn steinigen. Ob Fremdling oder Einheimischer, wer den Namen lästert, soll sterben.“ (3. Mose 24,16). In der Geschichte des Christentums wurden zahllose Menschen mit der Begründung, sie hätten Gott gelästert, hingerichtet.

In der jüngeren Geschichte gibt es auch in Mitteleuropa immer wieder Drohungen gegen Künstler und ihre Kunstwerke, jüngst auch gegen die russische Punk-Band „Pussy Riot“, die in der Moskauer Christ-Erlöser-Kirche die Gottesmutter in einem Punk-Gebet bestürmt hatten, Putin aus dem Amt zu vertreiben.

Fragen (teils rhetorische) zur Wertung der Blasphemie

Ist die Verletzung religiöser Gefühle durch staatliche Gesetze zu verhindern? Ist es überhaupt Aufgabe eines säkularen Staates, dies zu versuchen? Und wenn ja, mit welcher Begründung?

Warum bedürfen religiöse Gefühle eines besonderen Schutzes? Geht es dabei wirklich um die Verletzlichkeit einzelner Gläubiger oder um die Unantastbarkeit religiöser Repräsentanten?

Blasphemie und Verlogenheit

Interessanterweise ziehen gerade die typischen Verfechter von Blasphemie-Verboten hemmungslos über Lesben und Schwulen her, als gäbe es nicht auch eine schützenswerte Intimsphäre was die sexuelle Ausrichtung angeht.

Natürlich schmerzt es, wenn sich jemand über etwas lustig macht oder gar beleidigt, was einem besonders am Herzen liegt. Natürlich sind die religiösen Überzeugungen jedes Menschen zu achten. Das gebietet der Anstand.

Aber der oben zitierte Imam verdreht die Dinge. Nicht die Blasphemie führt zu Kriegen, sondern die Empfindlichkeit. Warum kann es kein lohnenswertes Ziel sein, dass alle Gläubigen den Spott der Anderen geduldig ertragen und damit ein gutes Beispiel der Friedfertigkeit abgeben?

Insofern ist es besonders bestürzend, was der Schriftsteller und Büchner-Preisträger Martin Mosebach zum Besten gab. "Es wird das soziale Klima fördern, wenn Blasphemie wieder gefährlich wird", schrieb Mosebach in einem Essay, in dem er die Christen kritisierte, dass sie sich die Schmähung ihres Glaubens gefallen ließen.


Georg Rieger