THEOLOGIE VON A BIS Z
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Die Flucht nach vorn IV
Von den Widersprüchen eines modernen Antimodernismus
1 Der Fundamentalismus ist eine reale Gefahr
2 Ein unklarer Begriff
3 Der christliche Fundamentalismus aus der ›neuen‹Welt
4 Fundamentalistische Tendenzen in der evangelikalen Bewegung
4.1 Das Bekenntnis der Wahrheit
4.2 Entlasteter Glaube
5 Fundamentalismus ist Klerikalismus von unten
6 Das nicht-fundamentalistische ›Fundament‹ des Glaubens
4 Fundamentalistische Tendenzen in der evangelikalen Bewegung
Die Wurzeln der evangelikalen Bewegung liegen im europäischen Pietismus des 17. und 18. Jahrhunderts und seinen Versuchen, eine von der dogmatisch geprägten Orthodoxie bestimmte Kirche aus ihrer Erstarrung herauszuführen. Im 19. Jahrhundert ist dann vor allem in der Erweckungsbewegung eine zweite Intention dazugekommen, die heute seitdem eine dominante Rolle spielt, nämlich das Engagement gegen die Selbstauflösungstendenzen der Kirche durch den Einfluß der sogenannten »modernen Theologie«.
Gemeint ist vor allem die liberale Theologie, der eine Selbstanbiederung an den jeweils herrschenden ›Zeitgeist‹ und damit die Preisgabe der spezifischen Kontur des überkommenen christlichen Bekenntnisses vorgeworfen wird. Daß sowohl im Pietismus als auch in der Erweckungsbewegung tatsächliche Probleme von Theologie und Kirche gesehen und aufgegriffen wurden, wird man kaum bestreiten können, so daß im Blick auf den Ursprung und die spezifische Tradition die evangelikale Bewegung deutlich vom Fundamentalismus zu unterscheiden bleibt.
Wenn ich im Zusammenhang mit dem Fundamentalismus aber dennoch auf die evangelikale und freikirchliche Bewegung zu sprechen komme, so deshalb, weil sich innerhalb der evangelikalen Bewegung immer wieder – und hier spielt zweifellos auch ein amerikanischer Einfluß eine Rolle – fundamentalistische Symptome ausmachen lassen. Die evangelikale Bewegung ist in großem Maße den Versuchungen des Fundamentalismus ausgesetzt, und nicht selten erliegt sie auch diesen Versuchungen. Gewiß bleibt einzugestehen, daß der Begriff ›evangelikal‹ ähnlich schwer zu bestimmen ist wie der Begriff ›Fundamentalismus‹ – im englischsprachigen Bereich scheitert eine Begriffsbestimmung völlig.
Es lassen sich sehr unterschiedliche evangelikale Strömungen ausmachen, die sowohl in ihren theologischen Akzenten als auch in den politischen Implikationen auseinandergehen. Das ist ein genereller Hinweis darauf, daß die Theologie in der evangelikalen Bewegung eine größere Bedeutung hat als im amerikanischen Fundamentalismus. Gleichzeitig kann festgestellt werden, daß die Grenzen zwischen Fundamentalismus und der evangelikalen Bewegung fließend sind[1].
Es kann auch hier nichts an einer so oder so vorzunehmenden Begriffsbestimmung liegen, sondern es ist inhaltlich zu beschreiben, worin die diagnostizierten fundamentalistischen Anteile liegen. Meine Überlegungen konzentrieren sich auf die Bekenntnisbewegung ›Kein anderes Evangelium‹, die ich am Maßstab ihrer kostenlos versandten Informationsbriefe[2] wahrzunehmen versuche. Bevor drei unmittelbare Verwandtschaften zum amerikanischen Fundamentalismus aufgezeigt werden sollen, möchte ich einige generelle Beobachtungen notieren, die mehr dem spezifischen Kontext zuzuschreiben sind, in dem sich die evangelikale Bewegung hier gestellt weiß.
4.1 Das Bekenntnis der Wahrheit
Die Bekenntnisbewegung versteht sich nicht wie der Fundamentalismus als Alternative zur Kirche, sondern sie kämpft für die ›wahre Kirche‹ innerhalb einer sich in Verwirrung und Auflösung befindlichen volkskirchlichen Landschaft. Es sind vor allem zwei Schwerpunkte, die ihren Konflikt mit den etablierten Lokalkirchen prägen:
1. An oberster Stelle steht das strikte Festhalten an der Wahrheit, die im Absolutheitsanspruch Jesu kulminiert. Hier liegt der Kampf gegen die liberale Toleranz und den theologischen Pluralismus begründet, in denen die Kirchen nach Ansicht der Bekenntnisbewegung ihren Herrn verleugnen. Die unablässige Betonung der missionarischen Dimension leitet sich unmittelbar aus diesem Selbstbewußtsein ab, denn Jesus will und muß bezeugt werden – das ist das Zentrum.
2. Unmittelbar damit verbunden wird der Vorwurf erhoben, daß die Christenheit weithin wieder in die Werkgerechtigkeit zurückgefallen sei, indem sie den ruinösen Glauben nun durch ethisches Engagement zu kompensieren trachte. Beide Aspekte sollen kurz entfaltet werden.
Zu 1:
Die Bekenntnisbewegung versteht sich als eine »notkirchliche Institution«[3], die sich durch das Versagen der Landeskirchen auf den Plan gerufen weiß. Immer wieder wird auf die Situation im ›Kirchenkampf‹ zur Zeit des Nationalsozialismus verwiesen, die mit der heutigen Zeit durchaus zu vergleichen sei. D.h. das Ganze steht auf dem Spiel, und die Kirche ist mit dem unversöhnlichen Gegensatz »zwischen wahrer und falscher Kirche«[4] konfrontiert.
Die ganze Emphase und der immer neu demonstrierte Bekenntnisdrang lassen sich nur nachvollziehen, wenn zunächst die dramatische Brisanz wahrgenommen wird, in der die Bekenntnisbewegung die heutige Kirche sieht. Im Grunde kann ein Konflikt gar nicht dramatischer sein als der, in dem die heutige Kirche in den Augen der Bekenntnisbewegung steht, denn es geht um Heil und ewiges Verderben, nicht im Streit mit der Welt, sondern innerhalb der Kirche. Indem die spezifische Herausforderung nicht in erster Linie – wie weithin im Fundamentalismus – in den Zerfallserscheinungen der Gesellschaft gesehen wird, geht es der Bekenntnisbewegung nicht nur um die stets notwendige Wachsamkeit gegenüber dem die Kirche umschleichenden Satan, sondern es geht um den Kampf gegen die ärgste und hinterhältigste List des Satans, der die Christen nun auch in der Gestalt der Kirche in Versuchung führt. Selbst in offiziellen Erklärungen wird dafür der Begriff der ›Entartung‹ benutzt[5].
Das ist eine Situation, deren Spannung im Grunde nicht mehr gesteigert werden kann, so daß auch alle Register der Polemik und der Selbstverteidigung gezogen sind, wenn die Wahrheitsfrage ins Blickfeld kommt. Und es gehört zu der spezifischen Kontur der Bekenntnisbewegung, daß stets dafür gesorgt ist, daß die Wahrheitsfrage ins Spiel kommt, so daß es eben auch stets um höchst brisante Konflikte geht, in denen das Bekenntnis herausgefordert ist.
Kommt erst die Wahrheit ins Spiel, die ja die Wahrheit des Bekenntnisses und nicht etwa eine allgemeine plausible Vernünftigkeit ist, so stellen sich zwangsläufig verschiedene Konfliktlinien ein. Indem die Wahrheit stets das höchste Gut ist, müssen in dem Moment, wo sie in Frage gezogen wird, alle anderen Gesichtspunkte zurückstehen. Sie ist wichtiger als die Einheit in der Kirche und unter den Kirchen[6]. Sie überragt aber auch die Liebe und verlangt u.U. Härte und Trennung[7]. Sie versetzt die Menschen in Entscheidungssituationen – »es gibt nur ein Entweder-Oder«[8] – und läßt die Abgrenzung als Notwendigkeit erscheinen. So ist es nicht verwunderlich, wenn immer wieder der eigene – u.U. einsame – Weg angesprochen wird, den die bekennenden Christen einzuschlagen haben.
Um etwas besonders eindrücklich zu beschreiben, werden nicht nur in den Informationsbriefen immer wieder gerne möglichst einfache, aber eindrucksvolle Bilder benutzt, die allerdings häufig recht mühsam, um nicht zu sagen gewaltsam wie das folgende sind:
»Der Reis braucht zwar nicht die Dämme, um zu wachsen, sondern das Wasser. Aber das Wasser braucht die Dämme, um das zu tun, wofür es bestimmt ist. Das Leben der Reispflanzen ist gefährdet, wenn die Dämme brechen. Ohne das Wasser sind die Dämme sinnlos und ohne Dämme ist das Wasser wirkungslos. Das Leben durchs Wasser und die Abgrenzung durch die Dämme gehören zusammen. Das ist auch in der christlichen Gemeinde so. Abgrenzung ist nichts negatives. Sie dient dem Wachstum und dem Leben. Es ist heute wichtig, diesen positiven Zusammenhang wieder sehen zu lernen. ... Wer jedoch meint, die ›Dämme‹ vernachlässigen zu können, der verliert am Ende seine Ernte.«[9]
Die Abgrenzung erhält die Klarheit – »Aufbruch - zielklar«[10]. Kompromisse kann es in Wahrheitsfragen nicht geben, und so muß man nur möglichst viele Probleme in den Rang von Wahrheitsfragen heben, um sich nicht mit den vielen Differenzierungen und Verantwortungsebenen auseinandersetzen zu müssen, die von den meisten ethischen Problemen angesprochen werden. Pluralismus und multikulturelle Gesellschaft werden ebenso als Bedrohung empfunden wie die Ökumene[11] und die Bemühungen um einen Dialog unter den Religionen.
Indem immer sofort das Wahrheitsproblem auf dem Plan ist, werden bereits im Vorfeld alle Annäherungen und Auseinandersetzungen verweigert, in denen es ja nun wirklich nicht immer sofort um den Nerv des eigenen Bekenntnisses geht. An die Stelle der Auseinandersetzung tritt immer wieder die Forderung nach ›vollem Gewissensschutz‹[12] für die eigenen Positionen. Dazu folgendes selbstredendes Beispiel: »Weil aber Kraft und Mut dazu fehlen, ... verweigern Kirchenleitungen und Synoden den Gegnern der Frauenordination den Gewissensschutz, den sie z.B. jedem Wehrdienstverweigerer sogar mit einem theologischen Beistand selbstverständlich gewähren.«[13]
Um keine verlegene Lücke entstehen zu lassen, wird in der Regel umweglos das Missionsproblem aufgeworfen, also die Treuefrage zum Missionsbefehl gestellt. Anstatt das Problem einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft in seinen verschiedenen Facetten zu diskutieren, wird beispielsweise festgestellt: Gott habe die Muslime nach Deutschland gebracht, damit sie uns an unseren Missionsauftrag erinnerten: »Gott sah unsere Trägheit, also brachte er das Missionsfeld vor unsere Haustüre.«[14]
»Darum müssen ›U-Boot-Christen‹ zu ›Seenotkreuzern‹ werden, die klare biblische Orientierung vermitteln und bereit sind, die dazu nötigen Opfer an Kraft, Bequemlichkeit und persönlichem Prestige zu erbringen.«[15] Die Anhänger der Bekenntnisbewegung erleben sich gern von ›allen Seiten umdrängt‹[16], was aus der Nachfolge eine gefährliche Angelegenheit werden läßt[17]. Aber das missionarische Zeugnis nimmt auch schwierige Umstände in Kauf.
Es wäre interessant zu untersuchen, wie der sich ständig wiederholende, in sich geschlossene Argumentationsmechanismus verläuft, der von einer Situationsbeschreibung über das Bekenntnis zu der vom Bekenntnis sanktionierten Verurteilung der Gegenposition verläuft. Offenkundig ist zunächst, daß die exponierte Bekenntnissituation nicht die Ausnahme darstellt, sondern daß wir nach Einschätzung der Bekenntnisbewegung in kirchlich derartig beschämenden Zeiten leben, daß im Grunde stets das Bekenntnis gefordert wird. So trägt die Bekenntnisbewegung ihren Namen zurecht; etwas anderes als eben Bekenntnisse sollte man in der Substanz von ihr auch nicht erwarten.
Das Bekenntnis scheint mir dabei keineswegs das Problematische zu sein. Der christliche Glaube bleibt nun einmal essentiell mit dem Bekenntnis zu Jesus Christus verknüpft, und es wird immer wieder Situationen geben, in denen Christen ihre Beteiligung an diesem oder jenem mit dem Hinweis auf ihr Bekenntnis verweigern. Das Problem liegt vielmehr in der synthetischen Dramatisierung der Gegenwart, die bisweilen als noch bedrohlicher als der Nationalsozialismus dargestellt wird.
Der synthetische Charakter des noch und noch beklagten Dramas wird schon allein daran erkennbar, daß der Preis für das Bekenntnis heute im Unterschied zur Zeit des Nationalsozialismus in der Regel doch als höchst ermäßigt gelten kann. Der emphatisch geforderte Mut stellt mehr eine Form der Selbstdramatisierung als einen Spiegel tatsächlicher Bedrängnis dar. Was aber sind die Motive für diese Selbstdramatisierung? Warum fühlt man sich überall und ständig in den ›status confessionis‹ versetzt[18]? Damit kommen wir zu dem zweiten spezifischen Merkmal, das bereits deutlich durch eine substantielle Verwandtschaft zum Fundamentalismus gekennzeichnet ist.
Zu 2: Will man die eben gestellten Fragen beantworten, so muß man sich die immer wieder durchbuchstabierten Krisenszenarien ansehen, von denen das Drama auf Dauerspannung gehalten wird. Es handelt sich um eine kleine Auswahl von Themen und Problemen, die unablässig in gleicher Weise in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestellt werden. Die Vermutung, daß diese stilisierten Krisenszenarien – es ließen sich ja auch leicht ganz andere vorstellen – eben deshalb so kontinuierlich umsorgt werden, weil sie in besonderer Weise die Bekenntnisfront zusammenzuhalten vermögen, weist zumindest in die Richtung, daß sich in der Bekenntnisbewegung ähnliche Mentalitäten und Weltanschauungsmuster versammeln, wie andernorts im Fundamentalismus.
Die Betonung der ›unabgeschwächten Gültigkeit‹ der biblischen Gebote für das gesellschaftliche Leben zielt vor allem auf die moralische Integrität des Individuums als des Garanten für die Gesundheit des gesamten Zusammenhangs. Auch hier sind die Kirchen die ersten Adressaten der Klage, denn sie bleiben »unserem deutschen Volke, dem Gott gerade erst durch das Wunder seiner Wiedervereinigung einen geschichtlichen Neuanfang ermöglicht hat, den Dienst der geistig-ethischen Wegweisung schuldig. So werden die Menschen einer Sinnkrise überlassen und drohen, im Materialismus und im Ausleben des allerwärts verbreiteten Lustprinzips zu versinken.«[19]
Die vor allem im Bereich der Sexualität wahrzunehmende Aufweichung der Moral (voreheliche Sexualität, Homosexualität, Aids, Abtreibung) wird als die Einbruchstelle für die Zerrüttung der Gesellschaft angesehen, deren Folgen sich in allen anderen Bereichen verheerend niederschlagen. Dagegen wird im Zusammenhang der Bemühung um »Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung« im konziliaren Prozeß von der »Peitsche der Moral«[20] gesprochen, mit der die Christen in die vorreformatorische Werkgerechtigkeit zurückgedrängt werden sollen.
Mit Martin Stöhr kann prägnant festgestellt werden: »So rigoros die private Moral auf dem Gebiet der Sexualität, des Ehe- und Familienbildes gewonnen wird, so ethikfrei werden die großen Institutionen der Industrie und des Militärs, der Wissenschaften und der Politik betrachtet.«[21] Verlegt sich auf der einen Seite das Engagement vor allem auf die laute Klage – das scheint bereits »die offene Feldschlacht« zu sein, in die sich hier die Christen geschickt wissen[22] –, so wird auf der anderen Seite sehr schnell von Selbstgerechtigkeit, Selbsterlösung und Werkgerechtigkeit geredet, die eine Verleugnung des Evangeliums einschließen. »Unser Glaubensbekenntnis spricht nicht vom Überleben der Menschheit, wohl aber von der Auferstehung der Toten und dem ewigen Leben«[23].
Eine solche Feststellung wird ja nicht als theologisches Problem formuliert, sondern es ist eine Abgrenzungsformulierung (wahrscheinlich einer dieser eben zitierten Dämme) gegenüber dem konziliaren Prozeß, der im Übrigen nur da Aufmerksamkeit auf sich zieht, wo er auf Schwierigkeiten stößt, die dann als Bestätigung dafür genommen werden, daß auf dem ganzen Prozeß keine Verheißung liegen kann.
Die eigene Treue zur Wahrheit sperrt sich gegen alle Politisierungen der anderen, die sich in den Augen der Bekenntnisbewegung das Christentum nur noch als einen Schafspelz umbinden. Sie werden – ebenso wie weithin die Vertreter der Universitätstheologie – »die politische Verwertbarkeit christlicher Restvorstellungen dazu mißbrauchen, eine andere Weltvorstellung zu etablieren, alternativ, sub- und multikulturell, post-neosozialistisch.«[24]
Obwohl hier via negationis auch eine massive politische Option vorgetragen wird, gilt die theologische Einlassung auf Politik als eine sachfremde Funktionalisierung. Alle gesellschaftlichen Probleme der Ethik, die sich nur durch längere kollektive Anstrengungen lösen lassen, sind im Grunde nichts weiter als Versuchungen zur Werkgerechtigkeit, während sich die Lebensrelevanz des Glaubens und seine Wahrhaftigkeit auf der Ebene individueller Moral im oben beschriebenen Sinne bewährt. Daß es dabei auch nicht ohne das Spiel mit heilsopportunistischen Kalkulationen abgeht, das sich sehr schnell mit dem Vernichtungsstempel der Werkgerechtigkeit versehen ließe, zeigt folgendes Beispiel:
»Die Früchte des Glaubens, der Liebe, der Freundlichkeit, der Keuschheit usw. werden auffallen und Gelegenheit zum bezeugenden Wort geben. Dabei geht es nicht nur um das Heil des anderen, sondern zugleich um das meinige! Wenn ich mich ganz zu Jesus stelle, wird er sich ganz zu mir stellen, auf Erden wie im Himmel. Wenn ich ihn aber verleugne, wird er mich an der entscheidenden Stelle auch verleugnen!«[25]
Der Erzfeind sind die neuzeitlichen emanzipativen Ideologien[26], die mit ihrem Toleranzideal auch für die bekenntnistreuen Christen zu einer Versuchung werden: »Zu groß ist die Faszination des kritischen Denkens; zu tief sind wir selbst in der abendländischen Emanzipation des Denkens verhaftet!«[27] Solche selbstkritischen Anspielungen finden sich keineswegs selten, doch sie sind in der Sache nichts weiter als eine nochmalige Unterstreichung der nach außen gewandten Kritik, um die kompromißlose Grundsätzlichkeit des Angriffs auf die Erosionen des Zeitgeistes noch einmal zu unterstreichen[28]. Die negative Fixierung auf bestimmte Aspekte der Aufklärung unterstreicht sachlich den neuzeitlichen Charakter auch der Bekenntnisbewegung.
[1] Vgl. zum ganzen E. Geldbach, Evangelikalismus. Versuch einer historischen Typologie, in: R. Frieling (Hg.), Die Kirchen und ihre Konservativen (BenshH 62), Göttingen 1984, 52-83; P. Zimmerling, Protestantischer Fundamentalismus als gelebter Glaube, in: H. Hemminger (Hg.) (s. Anm. 12), 97-130, bes. 98-101; M. Stöhr (s. Anm. 9), 238.
[2] Die Informationsbriefe können über die Versandstelle der Bekenntnisbewegung ›Kein anderes Evangelium‹ bezogen werden: Jakobstr. 60, 70794 Filderstadt-Sielmingen.
[3] Informationsbrief 142 (1990), 22.
[4] Vgl. Informationsbrief 164 (1994), 7.
[5] Vgl. ebd.
[6] Das ist das Schlüsselargument, mit dem weithin alle Aktivitäten des Ökumenischen Rates der Kirchen als selbstzerstörerisch abgelehnt werden. Die Wahrheit duldet keine Kompromisse, und eine Einheit, die auf Kompromissen gründet, kann keine der Wahrheit entsprechende Einheit sein (vgl. u.a. Informationsbrief 154 [1992], 10). Der ÖRK ziehe alles in den Strudel der Vereinheitlichung (Informationsbrief 126 [1988], 12) und verfolge eine Einheitsideologie.
[7] »Um der Liebe willen kann nicht die Wahrheit vernachlässigt werden.« Informationsbrief 138 (1990), 4.
[8] Informationsbrief 147 (1991), 16.
[9] Informationsbrief 144 (1991), 23.
[10] Informationsbrief 147 (1991), 21. P. Zimmerling, der als evangelikaler Autor dem Fundamentalismus kritisch begegnet, sieht in der Abgrenzung ein essentielles Kennzeichen des Fundamentalismus, das zwar der eigenen Gemeinschaft dienen mag, im Übrigen aber dialogunfähig mache (s. Anm. 39, 107).
[11] Die Bestrebungen der Ökumene zielen auf eine »luziferisch-panreligiös fundierte Weltregierung«; Informationsbrief 125 (1987), 13.
[12] Informationsbrief 164 (1994), 8.
[13] Informationsbrief 169 (1995), 6f.
[14] Informationsbrief 138 (1990), 21.
[15] Inforamtionsbrief 163 (1994), 31.
[16] Dies ist eine typische Themenformulierung für einen Evangelisationsvortrag; vgl. Informationsbrief 163 (1994), 27.
[17] »Nachfolge ist gefährlich«, Informationsbrief 163 (1994), 19.
[18] Allerdings wird nichts schärfer angegriffen als eben der ›status confessionis‹, wenn er von anders denkenden Christen einmal in Anspruch genommen wird. Ich denke hier u.a. an verschiedene Reaktionen auf die Erklärung des Moderamens des Reformierten Bundes: Das Bekenntnis zu Jesus Christus und die Friedenverantwortung der Kirche, Gütersloh 1982.
[19] Informationsbrief 164 (1994), 7. Hier klingt auch allzu deutlich der dem Fundamentalismus eigene patriotische Resonanzboden mit.
[20] Informationsbrief 138 (1990), 5.
[21] S. Anm. 9, 242.
[22] Vgl. Informationsbrief 156 (1993), 3. Dazu paßt: »Aus einem ›Frontbericht‹ des Ringens um die Schrift- und Bekenntnisbindung der Kirche: ›Inzwischen überstürzen sich die Ereignisse, so daß man nur noch reagieren kann, statt zu agieren, wobei gesagt werden muß, daß alle unsere Reaktionen bei den Kirchenleitungen auf taube Ohren stoßen.‹ Hier sei nur an die starre Haltung des Ratsvorsitzenden in der Angelegenheit des Frauen- und Studienzentrums der EKD erinnert. ›Der Marsch der Homos in die Pfarrämter ist nicht mehr aufzuhalten, die Lesben haben vielerorts gesiegt.‹ ›Der Wind gegen uns wird zum Sturm werden: wir aber müssen um so fester zusammenstehen und inniger füreinander beten.‹« Informationsbrief 160 (1993), 11f.
[23] Informationsbrief 138 (1990), 6.
[24] Informationsbrief 161 (1993), 20
[25] Informationsbrief 141 (1990), 2.
[26] Vgl. u.a. Informationsbrief 173 (1995), 3.
[27] Informationsbrief 138 (1990), 11.
[28] Zur Zeitkritik vgl. auch die Klagelisten in Informationsbrief 162 (1994), 22-24 und Informationsbrief 169 (1995), 6f.
Michael Weinrich