Helvetische Konsensusformel: Formula Consensus (1675)

Formula Consensus Ecclesiarum Helveticarum Reformatarum


Portrait von Moïse Amyraut © Wikicommons

Das hochorthodoxe, schließlich zum Scheitern verurteilte Bekenntnis verteidigte die reformierte Orthodoxie gegen neue Ideen, vor allem theologische der hugenottischen Akademie von Saumur und aufkommende (natur-)wissenschaftliche , zu verteidigen.

1671 schlossen sich die Theologen Lukas Gernler (Antistes von Basel), François Turretini (Genf) und Kaspar Waser (Zürich) zusammen, um die reformierte Orthodoxie gegen neue Ideen, vor allem theologische der hugenottischen Akademie von Saumur und aufkommende (natur-)wissenschaftliche , zu verteidigen.

Auf ihr Bestreben wurde 1674 die Zürcher Kirche mit der Redaktion eines neuen Glaubensbekenntnisses beauftragt. Diese Aufgabe übernahm Johann Heinrich Heidegger, der ein Projekt unter Einbezug des von Turretini redigierten Entwurfs Gernlers ausarbeitete. Im Juli 1675 stimmte die Tagsatzung der evangelischen Orte in Baden dem Text zu. Bis 1710 blieb der Text ungedruckt, dies aus Rücksicht auf die ausländischen evangelischen Kirchen.

Als Symbol der rückständigen und autoritären Hochorthodoxie stiess die Formula Consensus bald auf Widerstand. 1686 warnte der brandenburgische Kurfürst die reformierten Orte; die Formula beleidige die Lutheraner. Dadurch wurde z.B. in Basel unter Antistes Peter Werenfels die Unterzeichnungspflicht nach nur elf Jahren bereits wieder abgeschafft. Zürich und Bern verzichteten aber erst ab Mitte des 18. Jh. darauf, von ihren angehenden Pfarrern die Unterschrift unter die Konsensus-Formel zu verlangen.

 


 

Vorrede.

Was dort der Heil. Paulus dem Timotheo/ seinem eigentlichen Sohn im Herzen mit grossem ernst anbefohlen/ daß er nemlich (*)bleibe in dem/ das er erlehrnet hat und dessen er vergwüssert seye; das sol zu diesen letsten betrübten Zeiten uns mehrmahlen in unsern Sinn und Gedächtnuß kommen/ und zwar um so vil desto mehr/ weil die traurige Erfahrung leider ! bezeuget/ daß man hin und wider/ in unterschied- lichen Puncten der Göttlichen warheit von dem vorbild der heilsamen Worten abweichet/ und das der Glaub/ welcher den Heiligen einmahl auß Gottes Wort angegeben worden/ durch herfürwachsende Irrthumme in etwas beflekt werde. Wir zwar unsers theils danken es billich der grossen Gnad und Gütigkeit des Allerhöchsten/ mit welcher Er der Himlische Vatter für andere Völker auß bisher ob uns unwürdigen gehalten/ daß er unsere hohe Fürgesetzte/ und vorauß unsere allerseits Gnädige Liebe Herren und Obere/ als Vätter des Vatterlandes/ und Treue-Pfleger und warhaffte Säugamme der Lieben Kirchen mit dem Geist der Gottesforcht/ Weißheit und Dapferkeit begabet/ krafft dessen sie das theure Kleinod der Warheit/ welches Sie auß Gottes Wort von ihren Gottseligen Vorfahreren empfangen/ so heiliglich bewahret/ und darob so gar steiff und fest gehalten/ daß sie bisher keiner schädlichen Lehr in unsern Kirchen einigen Zugang nit getatten wollen. Wann aber ein grosses daran gelegen/ daß man das jenige/ was man einmahl erworben/ zu behalten treulich unterstehe: wann auch täglich in unsern Ohren erschallen soll/ was dort der Geist Gottes dem Engel zu Philadelphia zu rüefft: Sihe ich komme bald! Behalte was du hast/ damit niemand deine Cron nemme: als beugen wir die Knie unserer Herzen zu dem Vatter unsers Herren Jesu Christi/ und bitten Ihn von eingrund unserer Herzen/ daß bey diesen so schweren Zeiten und Läuffen/ Er bey und unter uns diesen wehrten Schatz und grosse Gutthat bis zum ende der welt gnädiglich erhalten wolle.Damit aber die jenige fremde Lehren/ welche in etlichen Puncten/ sonderbar in der Lehr von der Erstreckung einer allgemeinen gnad Gottes auf alle und jede Menschen/ anderstwo auf die Ban kommen/

nicht auch etwan unsere zarte jugend/ und vermittelst derselben mit hinfliessender Zeit auch unsere Kirchen selbst anstecken; und damit nicht/ wann selbige auch bey und unter uns mit still schweigen geduldet wurden/ noch andere und schwerere darauß erwachsen: wie dann bekannt/ daß die Irrthum ein Fruchtbarer und böser Samen seyen: und dessen die Historj der also genanten Remonstranten uns zu einem lebendigen Beyspiel dienen mag: als haben wir mit vorwüssen und willen unserer allerseits Gnädigen Herren und Oberen/ auf ein kräfftiges Mittel/ und gleichsam einen Zaun und Vormaur/ selbige von unsern Kirchen abzuhalten/ bedacht seyn sollen. Und haben hiemit zusammen getragen/ und einmütig gut geheissen hernachfolgende Lehr-sätze/ betreffend die Lehr von der allgemeinen Gnad Gottes/ und was derselbigen anhänget; So dann auch etliche andere Religions-Puncten. Wir haben uns aber hierin äussersten vermögens angelegen seyn lassen/ daß Wahrheit und Liebe/ als ein edles liebliches Paar ein ander unzertrennt begleiten.

Und haben danahen etwan außländische unsere Ehrende Liebe Herren und Brüder/ welche wir sonst/ als die im übrigen mit uns einen gleich theuren Glauben überkommen haben/ Brüderlich ehren und lieben/ keine Ursach/ dise von uns also bezeugerte ungleiche Meinung zu empfinden/ oder gar es dahin außzudeuten/ als wann hierdurch jemanden zu einiger Trennung anlaß gegeben wurde. Sitenweiln ja ohne dem beiderseits durch Gottes-Gnad das rechte fundament des Glaubens/ auf welches beiderseits auß dem Wort Gottes vil gutes Gold/ Silber und Edelgestein gebaut sind/ steiff und vest bestehet. Es bleibet auch unversehrt die Einigkeit des Geistes/ und des Geheimnissreichen Leibs Christi. (**)Wie wir dann allerseits beruffen sind auf einerley Hofnung unsers Beruffs. Und bey uns ist ein Herr/ ein Glaub in den vornemsten Stucken unsers Heils/ eine heilige übereinstimmung in Beschützung desselben: Eine Tauffe/ ein Gott und Vatter aller/ der da ist über alles/ und durch alles/ und in uns allen. Endlich soll auch durch die Gnade Gottes bey uns das Band und aller hafft der inniglichen Liebe/ wie auch alle Hochheilige Dienste der Gemeinschafft der Heiligen beharrlich und unzerbrüchlich verbleiben. Im übrigen wollen wir nicht unterlassen/ Gott den Vatter der Liechtern einbrünstiglich zubitten/ daß Er durch Jesum Christum/ den einzigen Herzogen und follender unsers Glaubens/ dieses unser gegenwärtiges Vorhaben zu unserem ewigen Heil und Seligkeit von obenherab segnen wolle!

Lehrsätze.

  1. Der Allmächtige Gnädige Gott hat sein heiliges Wort/ welches (a)eine Krafft Gottes zum Heil ist einem jeden/ der da glaubt/ nicht allein durch Mosen/ die Propheten und Apostel in Schrifft verfassen lassen: sonder auch bis daher für diese Heilige Schrifft ganz Vätterliche Sorg getragen/ damit sie nicht etwann durch des leidigen Sathans argen list/ oder Menschlichen Betrug auf einige weise (ihrem Buchstaben nach) verfälscht werden könne. Dannenher die Kirchen Gottes dessen sonderbarer Gnad und Güte höchlich danken sol/ daß sie noch hat/ und bis an das ende der Welt behalten wird ein (b)vestes Prophetisches Wort/ und eine (c)Heilige Schrifft/ von welcher bis daß der Himmel und die Erde wird zergangen seyn/ (d)nicht ein Buchstaben/ noch pünctlein zergehen wird.
  2. Sonderbar aber den Hebräischen Grund-Text des alten Testaments belangend/ welchen wir von der Jüdischen Kirchen/ als welche (e)die Herrliche Reden Gottes vorzeiten vertraut worden/ empfangen/ und noch auf den heutigen Tag behalten; so ist derselbige theils nach den so genanten consonanten/ theils nach den vocal-Pünctlein/ oder wenigst dero Krafft und nachtruck/ so gültig und authentisch/ wie auch so wol in Ansehung der Wörteren/ als der Sach selbst von Gott eingegeistet/ daß er beneben dem Griechischen Text des Neuen Testaments für die einzige und unverfälschte Regul und Richtschnur unsers Glaubens und Lebens billich gehalten werden sol/ nach welcher/ als einem unfehlbaren Probierstein alle andere so wol Orientalische als occidentalische Dolmetschungen bewährt/ und wo Sie von selbiger abweichen/ eingerichtet und verbessert werden müssen.
  3. Wir können hiemit die Meinungen der jenigen keines wegs gut heißen/ welche dafür halten/ es rühre die jenige Lection/ welche der Hebräische Grund-Text an die hand gibet/ nur von Menschlichem gutduncken her/ und daher sich nicht scheuhen/ den jenigen Hebräischen Text/ welcher ihnen etwann als unfüglich vorkomt/ zuverwerffen; und selbigen auß den also genannten LXX Elteste/ wie auch andern Griechischen/ Samaritanischen/ Chaldaischen/ und andern Dolmetschungen/ ja zuweilen gar nur auß ihrem blossen gut dunken zu verbessern/ und fehrners keine andere Lection für Göttlich und gültig erkennen wollen/ als einzig und allein die jenige/ welche auß vergleichung unterschidlicher Texten auch des Hebräischen selbst/ welchen sie für vilfältig verfälscht dargeben/ vermittelst eines zwischen denen ungleichen Lectionen gemachten vernünfftigen Unterscheids/ gezogen werden mag: welche endlich schliessen/ es seyen neben dem heutigen auch noch andere Hebräische Text (Bibeln) gewesen/ und seyen dessen gewüsse Gemerck anzutreffen in der alten dolmetsch[t]en Ubersetzungen/ als in welchen eines und das andere von den heutigen Hebräischen Text abweiche/ und gewüsse Anzeigung gebe/ daß einest die Hebräischen Bibeln den unserigen ungleich gewesen seyen: Wodurch dann die Heilige Schrifft/ das einzige fundament unsers Glaubens/ und dero Hochheiliges Ansehen in nicht geringe Gefahr gesetzt wird.
  4. Gott der Herr hat vor der Welt grundlegung in Christo Jesu unserem Herren einen (f)ewigen Fürsatz gemachet/ in welchem Er auß pur lauterem Wolgefallen seines willens/ ohne Vorsehung einiges Verdienstes der Werken oder Glaubens/ zu lob und Ehr seiner Herrlichen Gnad/ eine gewüsse und bestimmte Anzahl der Menschen; welche da mit den übrigen in gleicher Verderbnuß und allgemeinem Blut begriffen/ und also mit der Sünd behaftet/ ihm fürkommen; außerwehlt/ damit sie in der der Zeit durch Christum/ ihren einzigen Mittler und Bürgen Heil und Selig gemachet/ und so wol durch dessen Verdienst/ als des Heiligen widergebährenden Geistes allmächtige Kraft/ kräftiglich beruffen/ widergeboren/ und mit dem waren Glauben und Seligmachender Buß begabet werden. Und zwar so hat Gott der Herr beschlossen/ erstlich den Menschen aufrichtig zuerschaffen/ darnach seinen Sündenfall zuverhengen/ und endlich auß dem gefallenen Geschlecht sich etlicher zu erbarmen/ und dieselbige zuerwehlen; die andern aber in dem verlornen Hauffen stecken zulassen/ und dannethin sie außgerechtem seinem Gericht um ihrer Sünden willen mit endlichem ewigen Untergang zustraffen.
  5. In disem Rahtschluß nun der ewigen Gnadenwahl ist auch der Herr Christus selbst begrieffen/ nicht zwar als eine verdienstliche Ursach/ oder als ein Fundament/ auf welches die Gnadenwahl habe müssen gebauet werden: sonder auch Er selbst ist von Gott (g)erwehlt/ und vor der Grundlegung der welt vorgesehen worden/ und hat also seyn müssen das fürnemste Mittel unsere Gnadenwahl zuvollstrecken/ unser außerwehlter Mittler/ und erstgeborne Bruder; dessen verdienst Gott der Himlische Vatter brauchen wollen/ damit Er ohne Abbruch seiner Gerechtigkeit uns ewig Selig machen könnte. Dann die Heilig Schrifft bezeuget nicht allein/ daß unsere Gnaden-wahl beschehen seye (h)nach dem Wolgefallen des Göttlichen Rahts und Willens; sonder auch/ daß die Verordnung und Sendung des Herren Christi/ unsers Mittlers einzig und allein von der einbrünstigen (i)Liebe Gottes des Vatters zu der Welt der Außerwehlten herfliessen thüe.
  6. Derowegen können wir auch der Meinung der jenigen nicht beyfallen/ welche da lehren/ daß Gott der Herr/ auß trieb einer sonderbaren Liebe gegen den ganzen/ in die Sünd gefallenen Menschlichen Geschlecht/ vermittelst eines allgemeinen Rahtschlusses/ welcher der Gnaden-wahl selbst vorgegangen/ und in welchem sich ein bedingter Will/ kraftloser Wunsch/ eine erste Barmhezigkeit; wie sie reden; und vergebliche Begierd eräugt; gezilet habe auf das Heil aller und jede Menschen/ ja mit dem Beding/ wann sie glauben: daß Er hiemit auch allen und jeden in die Sünd gefallenen Menschen den Herren Christum zu einem Mittler verordnet/ und erst darauf etliche/ welche er nicht einfältig als Sünder in den ersten Adam/ sonder als schon in dem anderen Adam erlößte/ außerwehlt/ das ist/ bey sich selbst beschlossen/ ihnen in der Zeit die Heilsame Gabe des Glaubens auß lauteren Gnaden zubeschehren: Und bestehe also der ganze Handel/ der ewigen Gnadenwahl in disem letst gemeldten Stuck einzig und follkommen. Dieses alles/ und was fehrner diesem also gleichförmig gelehrt wird/ trittet nicht wenig ab von dem vorbild der heilsamen Worten Gottes/ von der ewigen Gnadenwahl. Dann je die Heilige Schrifft den jenigen Vorsatz Gottes/ nach welchem Er sich der Menschen erbarmet/ nicht auf alle und jede/ sonder einzig und allein auf die außerwehlten zeucht/ und hingegen die Verworffnen/ zum Beyspil/ den Esau(j) welchen Gott von Ewigkeit gehasset/ heiter außschleußt. Und bezeuget daneben eben die Heilige Schrifft/ daß sein Raht und Will unwankelbar und unbeweglich stehe(k) und daß (l)unser Gott im Himmel alles schaffe/ was Er nur will. So ist auch bey Gott dem Herren keine dergleichen Unfollkommenheit wie bey den Menschen/ bey welchen mehrmahlen kraftlose Anmuthungen und Begierden/ Unbesonnenheiten/ Reuen/ Veränderung der Rahtschlägen herfürbliken. Jetzt zu geschweigen/ daß so wol die Bestimmung des Herren Christi zu unserem Mittler/ als das Heil der jenigen/ welche ihm zu seinem Eigenthum/ und beständigen Erb zugetheilet worden/ von der Gnadenwahl selbst herfleußet/ und nicht derselben/ als ein Fundament/ auf welches sie gegründet seye/ fürgesetzet wird.
  7. Gleich wie (m)Gott dem Herren von Ewigkeit her alle seine Werke bekannt gewesen; also hat Er auch nach seiner unendlichen Allmacht/ Weißheit und Güte/ in der Zeit/ den Menschen/ als eine Zierd und Follkommenheit aller seiner Werken zu seinem Ebenbild/ und hiemit aufrecht/ weiß und Heilig erschaffen; mit ihm einen Bund der Wercken aufgerichjtet/ kraft dessen Er ihm seine Göttliche Gemeinschafft und Leben/ dafehrn er Ihm nach seinem Willen gehorsamete/ Vätterlich zugesaget.
  8. Diese Verheissung nun/ welche Gott der Herr diesem Bund der Werken einverleibet hatte/ bestuhnde nicht nur darinn/ daß Er hie auf Erden sein Leben und Glückseligkeit immer hinfort setzen möchte/ sondern fürnemlich darinn/ daß er/ nach Leistung eines follkommenen gehorsams/ eine ewige Himmlische Herrlichkeit/ in unaußsprechlicher Freude/ in der Gemeinschafft Gottes/ beides nach seinem Leib/ und auch nach seiner Seel besitzen sollte. Dann nicht allein dieses dem Adam durch den Baum des Lebens fürgebildet worden; sonder es erweiset solches auch klärlich/ theils die Kraft des Göttlichen Gesetzes/ welches uns in Christo/ der die Gerechtigkeit des Gesetzes an unser statt erfüllet/ ein Ewiges Himlisches Leben verspricht: theils auch die Dräuung/ welche den Verheissungen entgegen gesetzet wird/ und dem übertretter nit nur den zeitlichen/ sonder auch den ewigen Tod andräuwt.
  9. Deßwegen nun können wir auch der Meinung der jenigen nicht beypflichten/ welche nicht gestehen wöllen/ daß unserm ersten Vatter Adam/ wann er gleich Gott gehorsam gewesen wäre/ die Belohnung einer Himmlischen Seligkeit seye verheissen worden: und hiemit keine andere dem Bund der Werken zugehörige Verheissung erkennen wöllen/ als daß er ein immerwährendes/ mit überflüssigen Gütern/ an Leib und Seel besättigtes/ und dem Stand seiner Follkommenheit gemässes Leben in dem irdischen Paradeys hätte geniessen sollen; dann das streitet heiter mit dem gesunden Verstand des Worts Gottes/ und benimmt dem Gesetze Gottes/ wie es an sich selbst betrachtet wird/ alle Krafft (Heil und Selig zumachen.)
  10. Gleich wie aber Gott der Herr den Bund der Werken mit unserm ersten Vatter Adam also aufgerichtet hat/ daß er sich nicht auf ihn allein sonder in Ihm/ als dem Haubt-stamm/ auf das ganze Menschliche Geschlecht/ welches kraft des Segens/ welchen Gott der Herr in die Natur eingedrukt/ von ihm hätte geboren werden/ und seine Unschuld und Gerechtigkeit/ dafern er namlich in derselben bestanden wäre/ ererben sollen/ erstreckt hätte: Also hat auch Adam durch seinen traurigen Sündenfall/ nicht nur für sich allein/ sonder auch für das ganze Menschliche Geschlecht; so auß dem Blut und Willen des Fleisches hätte herfürkommen sollen; gesündiget/ und alle in dem Bund verheissene Güter verlohren. Halten hiemit dafür/ es werde die Sünd Adams allen seinen Nachkommen durch ein heimliches/ jedoch gerechtes Gericht Gottes zugerechnet. Sitenweilen ja der H. Apostel bezeuget (n)Es haben alle in jhm (Adam) gesündiget. Es seyen durch eines Menschen ungehorsam vil Sünder worden: und (o)es sterben alle in ihm: So ist auch nicht zu begreiffen/ wie die ererbte Verderbnuß/ als ein geistlicher Tod/ das ganze menschliche Geschlecht/ durch gerechtes Gericht Gottes hätte behafften können/ wann nicht vorhergegangen wäre ein sündliches verbrechen eben desselben menschlichen Geschlechts/ welches die Schuld eines solchen Tods auf dasselbige gezogen hätte. Dann Gott der gerechteste Richter der ganzen Welt keinen unschuldigen strafft.
  11. So ist hiemit der Mensch nach dem Sündenfall von Natur/ und seinem ersten Ursprung an/ eh und bevor er einiger thätlichen Sünde schuldig wird/ dem Zorn und Fluch Gottes unterworffen auf zweyerley weise: Erstlich zwar wegen des jenigen Fahls und der Ungehorsame/ welche er in den Lenden Adams begangen: Darnach auch wegen der daraus in seiner ersten Empfängnus erfolgter/ anererbter sündlicher Verderbnuß/ nach welcher seine gantz Natur verbösert und geistlich todt ist. Dannenher dann die Erbsünd nicht unrecht zweyfach/ nemlich in die zugerechnete/ und anererbte inwendig-anklebende unter- scheiden wird.
  12. Derwegen können wir denen jenigen ohne Nachtheil der Göttlichen Warheit keinen Beyfall thun/ welche nicht zugeben wollen/ daß Adam auch seine Nachkommene/ nach Gottes H. Willen/ vertretten/ und daß hiemit sein Sünde auch denselben unmittelbar zugerechnet werde; welche also unter dem Namen einer Mittelbaren und nachfolgenden Zurechnung/ so wol die Zurechnung der ersten Sünde/ als die Lehr von der angebornen Erbsünd selbst in nicht geringe Gefahr setzen.
  13. Gleichwie der HErr Christus von Ewigkeit her erwehlt ist zu einem Haubt/ Herzogen und Erben aller der jenigen/ welche in der Zeit durch die Gnade Gottes die Seligkeit ererben sollen: Also ist er gleichfalls in der Zeit verordnet worden zu einem Bürgen des Neuen Bunds/ für die jenige allein/ welche durch die ewige Gnaden-wahl Ihm zu einem eigenthümlichen Volk/ seinem Samen und Erbtheil gegeben sind: Dann Er nach dem beständigen Rathschlag seines Himmlischen Vatters/ wie auch nach seinem eigenen Vorhaben/ für die Außerwehlte allein gestorben; dieselbe einzig und allein in die vätterliche Gnaden- Schooß wiederum gesetzt/ sie allein dem erzörnten himmlischen Vatter wiederum versöhnet/ und von dem Fluch des Gesetzes erlöset hat. Sitenweilen der Herr Jesus (p)sein Volk selig machet von Sünden/ als welcher (q)sein Leben zum Lößgelt gegeben für viel/ nemlich (r)für seine Schafe/ welche seine Stimme hören/ welche Er auch allein/ als ein von GOtt beruffener Priester/ mit hindansezung der (s)Welt/ vertrittet. Wann hiemit der Herr Christus gestorben/ so sind zugleich (t)mit ihm gestorben/ und folgends auch von den Sünden gerecht gesprochen worden einzig und allein die Außerwehlte/ welche in der Zeit werden eine Neue Creatur/ und für welche allein er in seinem Tod sich zu einem Versöhnopfer dar gestellet hat. Daher dann der eigentliche Willen des für uns sterbenden Christi mit dem Rath des Himmlischen Vatters/ welcher Ihm zuerlösen übergeben allein die Außerwehlten; wie auch mit der Würkung des H. Geistes/ als welcher keine andere/ als nur die Außerwehlte heiliget/ und zu einer lebendigen Hoffnung des ewigen Lebens versieglet/ auf eine solche Weise durchauß auf das lieblichst übereinstimmt/ so daß die Wahl des Vatters/ die Erlösung des Sohns/ und die Heiligmachung des H.Geistes sich gleich weit erstrecken.
  14. Und eben das erscheint sich zumahlen auch hierauß/ weil der Herr Christus den jenigen/ für welche Er gestorben/ gleichwie die Seligkeit selbst/ also auch die Mittel zur Seligkeit/ den Geist der Widergeburt/ und die himmlische Gabe des Glaubens erworben/ und würklich zueignet. Dann die Heilige Schrifft bezeuget/ der HErr Christus seye kommen (u)selig zu machen die verlohrne Schafe des Hauses Israels: und eben (v)Er sende den heiligen Geist als den seinigen/ welcher ist die Brunnquelle unserer Widergeburt: und daß unter den besseren Verheissungen des Neuen Bunds/ dessen Er ein Mittler und Bürg worden ist/ auch vornehmlich begrieffen die jenige/ da verheissen wird/ daß Er (w)sein Gesetze/ nemlich des Glaubens/ (x)in die Herzen der Seinigen einschreiben wolle; so dann auch/ daß durch den Glauben zu Christo komme/ was der Vatter Ihm gegeben: und dannethin/ (y)wir seyen erwehlt in Christo/ daß wir heilig und unsträfflich vor Ihm in der Liebe seyen/ und hiemit Kinder durch Ihn. Daß wir aber heilig und Kinder Gottes seyn/ reichet her einzig und allein von dem Glauben und dem Geist der Widergeburt.
  15. Fehrners hat der Herr Christus durch den Gehorsam seines Todes an statt der Außerwehlten Gott seinem himmlischen Vatter also gnug gethan/ daß gleichwohl zu seiner für uns geleisteten Gerechtigkeit und dem gehorsam auch gefasset werden muß sein ganzer Gehorsam/ welchen er/ als der Gerechte-Knecht/ beydes mit seinem Thun und mit seinem Leiden durch seinen ganzen Lebens-Lauff dem Gesetze Gottes geleistet hat. Sitenweilen ja/ nach der Zeugnuß des Heiligen Apostels (z) das Leben Christi anders nichts gewesen/ als eine immer- währende Außlährung/ Ernidrigung und Demüthigung/ welche Staffelweise nach und nach/ biß zu dem tieffesten Grad derselben/ nemlich dem Tod des Creuzes herunder gestiegen: gestalten auch der Heilige Geist Gottes clar und heiter bezeuget/ daß der Herr Christus mit seinem allerheiligsten Leben dem Gesetze Gottes für uns gnug gethan habe/ und zugleich das jenige Lößgelt/ mit welchem wir Gott dem Herren erkaufft sind/ nicht nur in seinem Leiden/ sonder auch in seinem ganzen/ dem Gesetze Gottes durchauß gleichförmigen Leben/ zeiget. Wann hiemit unsere Erlösung dem Tod und Blut Christi in Heiliger Schrifft zugeschrieben wird/ so geschihet ein solches darum/ weil Er durch sein Leiden vervollkomnet worden. Und wird also die ganze Genugthuung Christi durch den Tod/ als das letste und fürtrefflichste Stuck derselben/ ohne welches wir die Seligkeit nicht hätten erlangen mögen; und welches gewesen ein hellscheinender Spiegel aller Tugenden/ angedeutet auf eine solche weise/ daß gleichwol das vorgehende Leben von dem Tod keines wegs außgeschlossen wird.
  16. Wann nun dieses alles sich eigentlich also verhaltet/ so können wir nicht billichen die darwider streitende Lehr der jenigen/ welche dafür halten; Es seye der HErr Christus nach seinem eigenen Fürsatz/ wie auch nach seinem und seines himmlischen Vaters/ der Ihn gesendt hat/ bestimtem Rath/ gestorben für alle und jede/ gleichwol mit diesem unmöglichem Geding/ wann sie nemlich an Christum glauben: Er habe auch die Seligkeit für alle und jede Menschen erworben/ ob schon sie nicht allen und jeden zu geeignet werde: Er habe durch seinen Tod eigentlich und in der That die Seligkeit und den Glauben für niemand verdienet/ sonder nur die Hindernuß der Göttlichen Gerechtigkeit auß dem Weg geraumt/ und also Gott seinem Himmlischen Vatter die Freyheit einen neuen Gnaden-Bund mit allen und jeden Menschen auf zurichten zu wegen gebracht. Welche endlich die jenige Gerechtigkeit; so in Christi Leben/ Leiden und Tod beruhet; also zertrennen/ daß sie behaupten wollen/ der HErr Christus behalte die Gerechtigkeit seines Lebens für sich/ die Gerechtigkeit aber seines Leidens und Todes schencke und rechne Er zu den Ausserwehlten. Dieses alles und anders dergleichen streitet zu wieder dem klaren Wort Gottes/ wie auch der hohen Ehr des Herren Christi/ welcher da ist ein Herzog und Follender unsers Glaubens und unserer Seligkeit: Es lähret auß Christi Creuz/ und verringert eigentlich unter dem Schein der Vergrösserung seinen ganzen Verdienst.
  17. Den göttlichen Gnaden-Beruf belangend/ ist derselbige (aa)nach seinen eignen Zeiten von Gott dem Herren eingerichtet worden: Sitenweilen derselbige/ nach Gottes heiligem Wolgefallen je zun Zeiten enger eingeschranket/ oder auch weiter außgebreitet worden/ gleichwol aber unbedingt allgemein niemahl gewesen. Dann in der Zeit des alten Testaments hat Gott (bb)dem Jacob sein Wort und dem Israel seine Gebräuch und Rechte verkündiget; deßgleichen hat er dazumal keinen Heiden gethan. In der Zeit des Neuen Testaments aber hat Gott der Herr/ nach dem Er durch das Blut Christi Frieden gemacht/ und die Mittelwand abgethan; die Predig des H. Evangeliums/ und den äusserlichen Gnaden-Beruff so weit ausgebreitet/ daß nun zwischen (cc)den Juden und Heiden kein Unterscheid mehr/ sonder Gott jetz ihr aller ein einiger Herr ist/ reich gnug für alle/ die Ihn anrüffen. Gleichwol ist auch also dieser Göttliche Gnaden-Beruff nicht unbedingt allgemein: Dann der Herr Christus bezeuget (dd)Es seyen viel/ und hiemit nicht alle und jede/ beruffen: Und da Paulus und Timotheus das Evangelium zu predigen sich in Bithyniam erheben wollen (ee)hat gleichwol der Geist Gottes es ihnen nicht zugelassen. So sind auch jederzeit gewesen/ und bezeuget es die Erfahrung/ daß noch heutigs Tags unzehlbar viel tausend Menschen gefunden werden/ welche von dem Herrn Christo auch nur das wenigste niemahlen gehört haben.
  18. Weniger zwar ist es nicht/ dann daß Gott der Herr auch gegen den jenigen/ welche Er durch sein H. Wort zu dem Heil nicht beruffen wollen (ff)sich selbs nicht unbezeuget gelassen. Er hat auch solchen (gg)die Himmel und die Sternen zu schauen gegonnen/ und (hh)das jenige/ so man von GOtt/ auß den Wercken der Natur und Göttlicher Fürsehung/ erkennen mag/ das hat Er zu Bezeugung seiner Langmütigkeit/ ihnen geoffenbaret. Gleichwol aber kann nicht behauptet werden/ als wann solche Werck der Natur und Göttlichen Fürsehung an und für sich selbst gnugsame Mittel an statt des Ausserlichen Gnaden-Beruffs gewesen/ durch welche das Geheimnuß des Wolgefallens und der Barmherzigkeit Gottes in Christo ihnen kund und offenbar worden seyen. Dann der Heilig Apostel alsobald hinzusezt: (ii)Gottes unsichtbares/ das ist/ seine ewige Krafft und Gottheit/ nicht aber sein verborgenes Wolgefallen in Christo/ werde von der Erschaffung der Welt an ersehen/ so man dasselbige in den Wercken betrachtet. Und zwar nicht zu dem Ende/ daß sie daher das Geheimnuß unserer Seligkeit durch Christum erlerneten/ sonder damit sie keine Entschuldigung hätten; weil sie nemlich die noch übrige Erkantnuß Gottes nicht recht gebraucht/ sonder/ da sie Gott zwar erkennt/ ihn aber nicht als Gott geprisen/ oder Ihm gedanket haben. Deßwegen dann auch der Herr Christus seinen Himmlischen Vatter preiset/ daß Er (jj)diese Dinge vor den Weisen und verständigen verborgen/ und sie den Unmündigen geoffenbaret habe. Und über diß auch der Heilig Apostel lehrt/ (kk)es werde uns das Geheimnuß des Willens Gottes kund gethan nach seinem Wolgefallen/ welches Er Ihme fürgesezt hat in Ihm selbst.
  19. So ist auch der äusserliche Gnaden-beruff/ welcher durch die Predig des H. Evangeliums geschiehet/ in ansehung auch Gottes selbst/ ganz ernstlich und aufrichtig gemeint. Dann Er durch sein Wort so wol ernstlich als warhafftig lehret/ nicht zwar was sein verborgener Will/ betreffend das Heil oder das Verderben der Menschen/ sonder was eines jeden Pflicht seye/ und was zuerwarten haben die jenige/ welche diese Pflicht erstatten/ oder verabsaumen. Dann daß ist der Will Gottes/ der uns berufft/ daß die Beruffene zu Ihm kommen/ und ein so grosses anerbottenes Heil nicht verabsaumen. Denen jenigen nun/ welche durch den Glauben zu Ihme kommen/ verspricht er die Ewige Seligkeit mit rechtem ernst: dann also sagt der Heilige Apostel selbs (ll)das ist ein gewüsses Wort/ sind wir mitgestorben/ so werden wir auch mit-leben; dulden wir/ so werden [wir] auch mit regieren: verläugnen wir/ so wird Er uns auch verläugnen: so wir nicht trauen/ so bleibt Er Treu: Er kann sich selber nicht läugnen. Jedoch ist dieser Beruff/ auch in ansehung der jenigen/ welche demselben nicht folgen/ gar nicht unkräfftig: weil Gott der Herr jederzeit seinen Zweck erreicht/ nemlich die Offenbarung der Pflicht eines jeden/ der da will selig werden/ und die darauf erfolgende Seligkeit der Außerwehlten/ welche ihre Pflicht in der That erweisen/ und im Gegentheil/ die Benemmung alles Fürwands bey denen/ welche selbige verabsaumen. Da kann nun ein geistlich-gesinneter Mensch die eigentliche/ und dem Glauben ähnliche Meinung Gottes mit dem äusserlichen geoffenbareten oder geschriebenen Wort Gottes gar leicht vergleichen. Und weil dann fürbas GOtt der HErr eine jede Warheit/ welche auß seinem ewigen Rahtschluß herfleusset/ gut heisset/ so wird jezt auch recht und wol geredt/ daß sein Will seye/ daß (mm)ein jeder der den Sohn sihet und in denselben glaubt/ das ewige Leben habe. Dann obwol unter diesen allen niemand anders/ als nur die Ausserwehlte verstanden werden; auch Gott der Herr keinen allgemeinen Rahtschluß/ in welchem die Personen/ deren Er sich erbarmen wollen/ nicht bestimmt worden seyen/ jemahlen abgefasset/ und hiemit Christus nicht für alle und jede/ sonder für die allein/ so Ihm gegeben worden/ gestorben; so ist gleichwol nach seinem Willen eine allgemeine Warheit das jenige/ was aus Gottes besonderbarem bestimten Rahtschluß folget. Daß hiemit/ nachdem in dem äusserlichen Gnaden-Beruff der Will Gottes auf eine allgemeine Weise fürgetragen worden/ die Ausserwehlte zwar allein glauben; hingegen die verworffne verstockt werden/ das kommt her einzig und allein von der Gnad und dem Willen Gottes/ welcher den Unterscheid machet/ daß also die Ausserwehlte durch selbige Gnade Gottes glauben; die Verworffnen aber durch Antrieb ihrer eignen anerbornen Boßheit in der Sünd verharren/ und nach ihrem verstockten und unbußfertigen Herzen ihnen selbst einen Schatz des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes samlen.
  20. So irren hiemit nicht wenig die jenige/ welche dafür halten/ der äusserliche Gnaden-Beruff könne auch verrichtet werden nicht allein durch die Predig des H. Evangeliums/ sondern auch ohne fehrnere Verkündigung, durch die Werk der Natur und göttlichen Fürsehung: Und hinzusetzen/ dieser Gnaden-Beruff seye so durchgehend und allgemein/ daß niemand in der Welt anzutreffen sey/ welcher nicht zum wenigsten objective wie sie reden/ das ist/ in Ansehung des äusserlichen Liechts/ oder dessen/ das ihm fürkomt/ zu dem Herren Christo und der Seligkeit gnugsam beruffen werde/ es beschehe jetz Mittelbar/ weil nemlich GOtt der Herr dem jenigen/ welcher das Liecht der Natur recht braucht/ auch das Liecht der Gnaden unfehlbar mittheilen werde: oder auch gar ohne Mittel: Welche endlich nicht zugeben wollen/ daß ohne die Lehr von einer bedingten allgemeinen Gnad behaubtet werden möge/ daß der äusserliche Gnaden-Beruff ernstlich und warhafftig gemeint seye/ und hiemit die Aufrichtigkeit und Lauterkeit Gottes/ der da berüfft/ gnugsam beschirmt werden möge. Dieses alles lauft zu wieder der Heiligen Schrifft und der Erfahrung aller Zeiten/ und vermischt noch über diß heiter die Natur mit der Gnade Gottes; das was man von Gott auß der Natur erkennen mag/ mit der Göttlichen Weißheit in dem Geheimnuß; das Liecht der Vernunft mit dem Liecht der Göttlichen Offenbarung.
  21. Die jenige/ welche durch die Predig des H. Evangeliums zur Seligkeit beruffen werden/ können nicht glauben/ auch den Gnaden- Beruff nicht annemmen/ es seye dann/ daß sie auß dem geistlichen Sünden-Tod eben mit der Macht/ mit welcher Gott der Herr befohlen/ daß das Liecht auß der Finsternuß herfür leuchten solle/ aufferweckt werden/ und Gott der Herr durch die Herzbewegende gnad seines H. Geistes in ihren Herzen leuchte (nn)zu einer Erleuchtung der Erkantnuß der Klarheit Gottes im Angesicht Jesu Christi: dann (oo)der natürliche Mensch die Dinge nicht fasset/ die des Geistes Gottes sind: dann sie sind ihm eine Thorheit/ und er mag sie nicht erkennen/ dann sie werden geistlich geurtheilet. Und diese gänzliche Unmöglichkeit wird in der H. Schrifft mit so vielen Gleichnussen und Zeugnussen/ so unwidertreiblich erscheint/ als kaum etwas. Und könnte man zwar dieselbige wol eine moralische oder sittliche Unmöglichkeit nennen/ so sehr sie nemmlich bey einem Menschen/ welcher dem Gesetz der Sitten unterworffen ist/ welchem aber unmöglich selbiges zuerfüllen; sich erzeigt/ und sich auf die Sitten und Tugenden zeucht. Jedoch ist es im Grund eine natürliche Unmöglichkeit/ und muß auch also genennt werden/ weil sie den Menschen/ (pp)welcher von Natur/ und hiemit von seinem ersten Ursprung her/ ein Kind des Zorns ist/ auf eine solche Weise anerboren/ daß er von selbiger anderst nicht als durch die allmächtige Gnade des H. Geistes/ welcher das Herz desselben veränderen muß/ erlediget werden kann.
  22. Wir halten demnach gänzlich dafür/ es reden die jenige nit behutsamlich gnug/ und zum theil gefährlich/ welche diese Unmöglichkeit zu glauben einfältig moralisch nennen/ und nicht zugeben wollen/ daß sie eine natürliche Unmöglichkeit geheissen werde: und fehrners fürgeben; es könne der Mensch/ er möge jetzt in einem Stand seyn wie er wolle/ glauben/ wann er nur wölle/ und seye der Glaub an Christum/ sie legen es jetzt auf diese oder andere weise auß/ in dem Gewalt des Menschen/ da doch der H. Apostel denselben mit außtruklichen Worten (qq) eine Gabe Gottes nennet.
  23. Gott der gerechte Richter hat fehrners den Menschen gerecht zusprechen verheissen auf zweyerley Wege; eintweder durch seine eigene Werck/ in dem Gesatz/ oder durch den zugerechneten Gehorsam und die Gerechtigkeit Christi/ als des von Gott geordneten Bürgen/ welche dem/ der da glaubt/ auß Gnaden geschenkt wird im Evangelio: Auf jene wie zwar sollte der Mensch gerechtfertiget werden im Stand der Unschuld: auf diese aber wird gerechtfertiget der/ welcher durch die Sünd verderbt worden. Nach dieser zweyfachen weise der Gerechtfertigung nun wird uns auch in H. Schrifft gezeiget mehr nicht als ein zweifacher Bund/ nemlich ein Bund der Werken/ welchen Gott der Herr mit unserm ersten Vatter dem Adam/ und in ihm mit allen seinen Nachkommen aufgerichtet hat/ welcher aber durch die Sünd krafftloß worden: und dann ein Bund der Gnaden/ welchen er allein in Christo/ dem andern Adam/ eigegangen: welcher auch ewig/ und hiemit keiner Hinfälligkeit/ wie der erste/ unterworffen ist.
  24. Nun dieser andere Bund hat nach ungleicher Beschaffenheit der zeiten/ auch ungleiche Verwaltungen. Dann wann der Apostel (rr)einer Verwaltung in der Erfüllung der Zeiten/ das ist/ in der Zeit des Neuen Testaments/ gedenkt/ so deutet er eben darmit auf eine andere Verwaltung/ welche der bestimmten Zeit des Neuen Testaments vorhergegangen. Nun in der Zeit dieser beider Verwaltungen des Gnadenbunds/ sind alle Ausserwehlte Gottes anderst nicht heil- und selig worden/ als (ss)durch den Engel des Angesichts Gottes (tt)durch das Lamb Gottes/ welches von Grundlegung der Welt an geschlachtet worden; welches der Herr Jesus Christus ist; durch die Erkantnus des gerechten Knechts/ und den seligmachenden Glauben an Ihn/ wie auch an den Vatter und den H. Geist. Dann der Herr Christus ist (uu)gestern und heut eben derselbig und in Ewigkeit: und (vv)durch sein Gnad glauben wir selig zu werden/ wie auch sie/ die Vätter des Alten Testaments. Es gelten auch in beiden Testamenten nachfogende Außsprüche des Worts Gottes: (ww)Wol denen/ die in Ihn/ den Sohn Gottes vertrauen; (xx)und; Wer in Ihn (den Herren Christum) glaubt/ der wird nicht gerichtet/ wer aber nicht glaubt/ der ist schon gerichtet: wiederum; (yy)Glaubet ihr in Gott den Vatter/ so glaubet auch in mich. Wann nun die H. Vätter des Alten Testaments an den Herren Christum/ als ihren Erlöser geglaubt haben/ so folget hiemit/ daß sie auch geglaubt haben an den H. Geist/ sitenweilen (zz)niemand Jesum einen Herren nennen mag/ dann nur durch den H. Geist. Und zwarn sind in beiden Testamenten dieses Glaubens der H. Vättern/ wie auch der Nothwendigkeit desselben zu ihrer Seligkeit so viel ganz klare Beweißthum/ daß sie niemandem/ als nur dem jenigen/ der sie mutwillig nicht wissen will/ verborgen seyn können. Und obwol diese heilsame Erkanntnuß Christi/ und der ganzen Hochheiligen Dreyeinigkeit/ nach Bewandnuß derselbigen Zeit/ mit etwas mehrerer beschwerd als nun im Neuen Testament beschiehet/ nicht nur auß der Göttlichen Verheissung/ sonder auch auß mancherley schattlichten Fürbildern/ und dunkeln Redens-Arten geschöpft werden müssen; so ist sie dennoch warhafft/ und nach der Maß der damahligen Göttlichen Offenbarung/ den Ausserwehlten beides zu Erlangung der Seligkeit durch die Gnade Gottes/ und zu dem Trost ihres Gewissens gnugsam gewesen.
  25. So können wir deßwegen auch nicht gutheissen die Lehr der jenigen/ welche dreyerley/ nach ihrer ganzen Natur und Wesen unterschiedene Bünde Gottes/ nemlich den Bund der Natur/ des Gesetzes/ und des H. Evangeliums auf die Ban bringen/ und wann sie selbige außzulegen/ und ihren Unterscheid zu erklären unterstehen/ ein solches so verworren thun/ daß sie darmit den rechten Kern der fölligen warheit und Gottseligkeit nicht wenig verdunkeln: Welche auch kein bedenken tragen/ von der Nothwendigkeit der Erkantnuß Christi/und des seligmachenden Glaubens an Ihn/ seine Gnugthüung und die ganze H. Dreyeinigkeit zur Zeit nemlich der Kirchen-Verwaltung des Alten Testaments/ gar zu luck/ und nicht ohne Gefahr zureden.
  26. Endlich verpflichten wir so wol uns selbs/ denen gegenwärtiger Zeit in der Kirchen/ weliche ein Hauß Gottes ist/ das Amt anvertraut worden/ als auch unsere zu dem Dienst Gottes abgesönderte Liebe Jugend; wollen auch die jenigen/ welche nach Gottes H. Willen und Regierung dermal eins in unsere fußstapfen und Amtssorgen tretten werden/ in diese Pflicht mit einschliessen/ daß wir nemlich in diesem aussersten Alter der Welt zu Abwendung der leidigen Zweytrachts- Flammen/ mit welchen die Kirchen Gottes hin und wieder auf das traurigst angesteckt worden/ laut der trefen Vermahnung des Apostels Pauli (aaa)die vertraute Hinderlag treulich zu verwahren/ die vergebliche Geschwätze zu vermeiden; die Einfältigkeit und Aufrichtgkeit/ welche ist nach der Gottseligkeit sorgfältiglich zu bewahren/ den Glauben und ungefärbte Liebe/ als das allerschönste par/ beständiglich zubehalten/ uns höchsten fleisses wollen angelegen seyn lassen. Es sol sich auch niemand unterwinden eintweders heimlich oder offentlich irgends eine zweifelhafftige oder neue Lehr des Glaubens/ welche in unseren Kirchen noch nie gehört/ mit dem wort Gottes/ der Eidgnößischen Glaubens-Bekantnus/ unsern Symbolischen/ oder gemeinen/ einhellig angenommenen Schrifften/ und denen Canonibus des Synodi zu Dordrecht streitet/ und in keiner allgemeinen Versammlung der Brüdern aus Gottes H. Wort niemalen erhalten und bestätiget worden/ auf die Ban zubringen: Sonderbar wollen wir die hohe Nothwendigkeit der Heiligung des tags des Herren nicht allein auß Gottes wort lauter und rein lehren/ sondern auch trefflich einschärffen/ und zu der observanz, oder Auffsehung derselben jedermänniglich ganz trungenlich antreiben: Dannethin auch diese auß Gottes heiligem unzweifelbarem wort gezogene Lehrsätze/ und derselben Warheit in unsern Kirchen und Schulen/ so oft es die Nohtdurfft erhäuscht/ einhellig und treulich behalten/ lehren/ und best unsers vermögens beschirmen. Er aber/ der Gott des Friedens/ heilige uns ganz und gar/ und unser ganzer Geist/ Seele und Leib werde unsträfflich bewahret auf die Zukunfft unsers Herren Jesu Christi; deme mit dem Vater und Heiligen Geist seye ewiges Lob/ Ehr und Herrlichkeit/ Amen!

*) 2. Tim. III. 14.

**) Ephes. IV. 4.5.6.

a Rom. I. 16.

b 2. Petr. III. 19.

c 2. Tim. III. 15.

d Matth. V. 18.

e Rom. III. 3.

f Ephes. III. 11.

g 1. Pet. II. 4.6.

h Matth. XI. 26.

i Ephes. I. 5.9.

j Rom. IX. 11.

k Esaj. XLVII. 10.

l Psal. CXV. 3.

m Act. XV. 18.

n Rom. V. 12.19.

o 1. Cor. XV. 22.

p Matth. I. 21.

q Matth. XX. 24. 28.

r Joh. X. 27. 28. Esaj. LXVI. 22.

s Joh. XVII. 9.

t 2. Cor. V. 17.

u Matth. X. 6. , XV. 24.

v Joh. XVI. 7. 8.

w Heb. VIII. 10.

x Joh. VI. 35. 37.

y Eph. I. 4. 5.

z Phil. II. 8. &c.

aa 1. Tim. I. 6.

bb Psal. CXLVII. 29. 30.

cc Rom. X. 12. 13.

dd Matth. XX. 14.

ee Act. XVI. 7.

ff Act. XIV. 17.

gg Deut. IV. 19.

hh Rom. I. 19.

ii Ibid.[Rom] V. 20.

jj Matth. XI. 25.

kk Ephes. I. 9.

ll 2. Tim. II. 12. 13.

mm Joh. VI. 40.

nn 2. Cor. IV. 6.

oo 1. Cor. II. 14.

pp Ephes. II. 2.

qq Ephes. II. 8.

rr Ephes. I. 10.

ss Esaj. LXIII. 9.

tt Apoc. XIII. 8.

uu Hebr. XIII. 8. vv Act. XV. 11. ww Psal. II. 12. xx Joh. III. 18.

yy Joh. XIV. 1.

zz 1. Cor. XII. 3.

aaa 1. Tim. VI. 20.


Transkription von Rémy Suter