THEOLOGIE VON A BIS Z
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Kirchenmusik am Dom zu Halle
In der Zeit vom 16. bis 18. Jahrhundert
I. Der Dom zu Halle – eine Kirche ohne Gemeinde
Keine christliche Kirche ohne Musik. Das gilt für Katholiken und Protestanten, für Orthodoxe und für die Freikirchen. Und wenn doch einmal ein Kirchenreformer versucht hat, die Musik aus der Gemeinde zu verbannen wie Huldrych Zwingli es in Zürich getan hat, dann ist das aufs Ganze gesehen Episode geblieben.
Kirche kann nicht sein ohne Musik. Das Lob Gottes sucht sich die Sprache der Musik, weil es die gesprochene Sprache übersteigt. Kirche kann natürlich auch nicht sein ohne die gesprochene Sprache. Schließlich glaubt sie an das fleischgewordene Wort Gottes, das ihr Zuspruch und Anspruch in gleicher Weise ist.
Aber die Antwort des Menschen auf dieses Wort klingt in der Sprache und über die Sprache hinaus in Musik. Plinius der Jüngere, Statthalter in Bithynien im frühen 2. Jahrhundert berichtet dem Kaiser Trajan in Rom über die Verhöre, die er mit so genannten „Christen“ angestellt hat. Er schreibt: „Sie beteuerten jedoch, ihre ganze Schuld oder auch ihre Verirrung habe darin bestanden, dass sie gewöhnlich an einem fest gesetzten Tag vor Sonnenaufgang sich versammelt, Christus als ihrem Gott im Wechsel Lob gesungen“.
Schon in ihren ersten Tagen haben die Christen gesungen, und sie haben es beibehalten bis auf den heutigen Tag. Musik ist eine Wesensäußerung des christlichen Glaubens, unter normalen Umständen unverzichtbar und unter allen Umständen zu pflegen und zu üben.
Und so wird es kein Kirchgebäude auch hierzulande nicht geben, in dem nicht Musik gemacht worden ist oder Musik gemacht wird. Selbst in der kleinsten und abgelegensten Dorfkirche ist gesungen worden, was von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Kirchen sind musikalische Räume. Sie sind mit Musik gefüllt worden in guten und in schlechten Zeiten. Und nur wenn Krieg oder Pest die Gottesdienste unmöglich machte, schwieg der Gesang.
Der Dom zu Halle ist ein musikalischer Raum. Er ist die zu Zeit seiner Gründung größte Kirche der Stadt. Mönche des Dominikanerordens haben ihn im Jahre 1271 als ihre Klosterkirche gegründet. Die Dominikaner sind wie die Franziskaner ein Bettelorden. Für ihre Bauten gelten gewisse restriktive Vorschriften. So sind die Bettelordenskirchen sämtlich ohne Turm konzipiert und meistens ohne Querschiff.
Wie stark der Konvent der Dominikaner in Halle gewesen ist, entzieht sich unserer Kenntnis, wie überhaupt über die Frühzeit der Kirche St.Paul nur wenig bekannt ist. Man wird jedoch davon ausgehen dürfen, dass sich die Mönche ihre Kirche den Regeln und ihren Bedürfnissen entsprechend gebaut und hergerichtet haben.
Zwei Nutzungsweisen sind hierbei besonders hervorzuheben: die Kirche muss für das tägliche Chorgebet geeignet sein – und die Kirche muss als Predigerkirche ihren Zweck erfüllen. Zum Chorgebet werden sich die Konventualen im Chorraum der Kirche hinter dem eingezogenen Lettner versammelt haben. Gepredigt wurde im Kirchenschiff.
Beide Nutzungen des Raumes verlangen eine gute Akustik. Das Chorgebet verträgt einen halligen Raum, wogegen zuviel Nachhall der Verständlichkeit der Predigt abträglich ist. Ob und wenn ja, wo eine Kanzel in der ursprünglichen Klosterkirche gestanden hat, wissen wir nicht. Gehen wir davon aus, dass auch die barocken Einbauten in die spätere Stifts- und Domkirche sich für die Akustik günstig ausgewirkt haben, so bleibt doch eine akustische Grundbefindlichkeit der Kirche, die beides ermöglicht haben muss: Das gepredigte Wort und den anbetenden Gesang.
Kirchenmusik ist der Zeit der Klosterkirche ist das Stundengebet der Konventualen. Es folgt der Regel des Benedict von Nursia, wie sie im ganzen Abendland in Geltung stand und in den Klöstern regelmäßig geübt wurde. Achtmal über den Tag und die Nacht verteilt versammelt sich die Gemeinschaft der Mönche in der Kirche, um die festgelegten Gebetszeiten zu halten. Grundgerüst dieser Stundengebete sind die auf gregorianische Weisen gesungenen Psalmen den Hebräischen Bibel und der Cantica des Neuen Testaments.
Die ursprüngliche Regel besagt, dass der biblische Psalter mit seinen 150 Psalmen verteilt auf die einzelnen Stundengebete jede Woche ganz gebeten werden sollte, die ganze Bibel wurde während eines Jahres in en Lesungen der Stundengebete gelesen. Die Kirchenmusik des 13. Und 14. Jahrhunderts war der Gregorianische Choral – die Grundmelodie der abendländischen Christenheit. Von einer Orgel in der Klosterkirche St. Paul wissen wir nichts. Der Rhythmus der Tagzeiten bestimmte das Geistliche Leben.
Musikbeispiel: Veni Redemptor Gentium 3:56
Chœur des Frères Dominicains de la Province de France & Fr. André Gouzes O.P. Chant Grégorien: Liturgi Dominicaine Classical
Völlig im Dunkeln liegt auch die Gestalt der dominikanischen Predigtgottesdienste, die nicht in erster Linie dem Klosterkonvent sondern dem Volk , also der Stadtbevölkerung galten. Zweck dieser Gottesdienste war die Volksmission, die Unterrichtung der meinst analphabetischen Bevölkerung über Glaube und Sitte.
Wird man vermuten dürfen, dass sich hier Formen eines Predigtgottesdienstes herausgebildet haben, wie sie später in dem so genannten „Pronaus“ ihren Niederschlag gefunden haben: also Gottesdienstformen mit Lesung, Gebet, Predigt, Gesang aber ohne Abendmahlsfeier aber nicht in lateinischer sondern in deutscher Sprache. Wäre dem so, dann hätten wir auch in der Klosterkirche der Dominikaner erste Ansätze von Gemeindegesang zu vermuten. Besonders die mittelalterlichen „Leisen“ – so genannt weil die Strophen alle auf Kyrieleis endeten – könnten erklungen sein. So das Osterlied: „Christ ist erstanden“, „Christ fuhr gen Himmel“ oder „In Gottes Namen fahren wir“.
Eine feste Gemeinde hatte die Klosterkirche St. Paul nicht. Das sollte auch ihre weitere Nutzung bis zum Ende des 17. Jahrhunderts bestimmen. Also war auch die Kirchenmusik auf die Bedürfnisse ganz besonderer Zusammenschlüsse und sich ad hoc versammelnder Gemeinden hin ausgelegt. Insofern nimmt die Klosterkirche St.Paul, der spätere Dom zu Halle im Rahmen der Kirchen- und Musikgeschichte der Stadt Halle eine Sonderstellung ein.
2. Kardinal Albrecht von Brandenburg und die Gründung des Neuen Stifts
Die Verwendung und die Bedeutung der Klosterkirche änderte sich grundlegend, als Albrecht von Brandenburg 1520 nach Halle kam und die Dominikanerkirche zu seiner neuen Stiftskirche erkor. Halle sollte das katholische Zentrum Deutschlands werden mit Stift und Universität und dem größten Reliquienschatz. Umfangreiche Bauarbeiten an der Kirche erfolgten in den nächsten drei Jahren.
So wurde der Giebelkranz aufgesetzt, Chorgestühl, Kanzel und Portale eingefügt und der Raum mit wertvollen Kunstwerken ausgestattet, von denen einzig die Apostelfiguren bis auf en heutigen Tag in der Kirche verblieben sind. So sehr der Dom für Albrecht ein Ort der fürstlichen Repräsentation war, so sehr war er auch ein liturgischer Ort.
Die Kardinal-Albrecht Ausstellung 2006 hat uns den Blick dafür geöffnet, welch reiches gottesdienstliches Leben hier statt hatte. Das Neue Stift Albrechts war ein Kanonikerstift, d.h. die Träger der Liturgie waren die Chorherren, die wie die Mönche vor ihnen das tägliche Chorgebet zu den festgesetzten Zeiten pflegten. Darüber hinaus gab es zu den Festzeiten gottesdienstliche Handlungen, die man heute wohl als besondere Events bezeichnen würde. Dass dabei die Musik eine tragende Rolle spielte, versteht sich nahezu von selbst. Musik ist integraler Bestandteil der Liturgie, und je ausgestalteter und festlicher die Liturgie gefeiert wird, desto ausgestalteter und festlicher ist auch die Musik.
Einen Eindruck von der Farbigkeit der Gottesdienstgestaltung am Hofe Albrechts von Brandenburg geben das Missale Hallense, das Gottesdienstbuch, in dem die liturgischen Abläufe verzeichnet sind und daneben das Breviarium Hallense, das Gebetbuch, das Albrecht sich für seinen privaten Gebrauch von Nikolaus Glockendon hat illustrieren lassen. Beide Bücher waren in der Kardinal Albrecht Ausstellung in der Moritzburg zu sehen.
Den liturgischen Büchern folgend wird man davon auszugehen haben, dass sich die Kanoniker und die Schüler zum Gottesdienst in zwei Chöre einteilten, von denen der eine das gottesdienstliche Geschehen im Chorraum, der andere die Handlungen im westlichen Kirchenschiff durch ihren Gesang begleitete. Man kann ferner davon ausgehen, dass sich auf einer eigens angelegten Orgelempore im nördlichen Seitenschiff eine Schwalbennest-Orgel befunden hat. Eine weitere – vielleicht transportable Orgel wird im westlichen Kirchenschiff aufgestellt gewesen sein.
Durch die kunsthistorischen Forschungen der letzten Jahre sind wir recht gut darüber unterrichtet, wo die vielen Altäre im Dom angebracht waren, über die sonstige Ausstattung lassen sich nur Vermutungen anstellen, da der barocke Umbau der Kirche im 17. Jahrhundert den Raum grundlegend verändert hat. Soviel jedenfalls ist sicher: Der Dom zur Zeit Kardinal Albrechts war eine Kirche ohne Gemeinde, d.h. im mittelalterlichen Verständnis repräsentierten Bischof und Klerus die gesamte Kirche, so dass auf die reale Anwesenheit von Gemeinde beim Gottesdienst verzichtet werden konnte, ohne dabei theologisch eine defizitäre Gestalt von Gemeinde in Kauf nehmen zu müssen. Auf diese Weise wird die Freiheit in der Raumgestaltung – auch für die liturgisch musikalischen Handlungen größer gewesen sein, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.
Wie genau wir uns die Musik in den Gottesdiensten des Neuen Stifts zu Halle vorzustellen haben, bleibt leider weithin im Dunkeln. Der brandenburgische Hofastronom Johannes Carion berichtet von den Osterfeierlichkeiten am Neuen Stift zu Halle im Jahre 1533:
„Da haben wir große Pracht und Ceremonien gesehen; der Cardinal hat alle Aemter, als Palmenweihen, Litaneisingen, Messehalten, Taufsegnen selbst persönlich gethan, auch allen Menschen selbst persönlich das Sacrament gegeben, wer es begehrt hat (...) Die Ornate, so gesehen wurden, waren seiden über die Maßen, desgleichen Heiligthümer, Infuln und goldene Kreuze, Bilder und auch silberne; ein Kreuz war da, das kostet 80.000 Gulden, kam aber erst am Osterabend hin mit zwei großen Brustbildern, einem Moritz und einem Stephan.“
Der Gottesdienst am Stift zu Halle – eine grandiose Inszenierung von Farben und Formen. Die Musik ist integraler Bestandteil dieser Inszenierung.
Musikbeispel: Kardinal Albrecht
Postquam completi sunt
Purificatio beatae Mariae virginis
Unter den Kantoren, die zur Zeit Albrecht am Dom zu Halle amtierten ist niemand, der sich als Komponist einen Namen gemacht hätte. Bedeutsam geworden ist Michael Vehe, der 1532 Propst am Neuen Stift in Halle wurde. Er war ein gelehrter Gegner der Reformation und setzte alles daran, den lutherischen Bestrebungen Einhalt zu gebieten. Als Reaktion auf die Gesangbücher Martin Luthers gab Vehe 1537 das erste deutsche katkolische Gesangbuch heraus. „Ein new gesangbüchlin für alle guten christen nach der ordenung christlicher Kirchen“.
Unter den uns überkommenen liturgischen Schriften aus dem Neuen Stift zu Halle haben sich keine vierstimmigen Musikstücke gefunden. Das schließt aber nicht aus, dass im Dom zu Halle vierstimmig gesungen worden ist. Von der Besetzung her hätte es die Möglichkeit gegeben, und es ist schwer vorstellbar, dass Kardinal Albrecht, der in den Künsten auf der Höhe seiner Zeit war, musikalisch zurückgestanden hätte. Vierstimmige a capella Messen, chorisch bearbeiteter liturgische Stücke wie das Magnifikat oder das Nunc Dimittis mögen zu den Messfeiern und Vespern am Neuen Stift zu Halle erklungen sein.
Ein besonderer Höhepunkt im Laufe des liturgischen Jahres am Dom zu Halle waren die Feierlichkeiten zu den hohen Festen. Immer wieder ist die Prozessionsliturgie zum Himmelfahrtsfest beschrieben worden, anlässlich derer eine Prozession der Kleriker durch die Kirche unter das Himmelsloch im westlichen Teil des Kirchenschiffes zog. Oben auf dem Boden neben dem Himmelsloch waren Bläser postiert, die die Zeremonie musikalisch begleiteten. Dann wurde ein hölzerner Christus an einer Vorrichtung befestigt und durch das Himmelsloch auf den Dachboden gezogen.
Die Prozession geschah unter Gesängen und Gebeten , Ein religiöser Event würde man heute sagen, ein Versuch der Vergegenwärtigung der biblischen Geschichte dadurch, dass man die Szene nachstellt und liturgisch gestaltet. Bis heute gibt es in den südlichen Landesteilen Deutschlands, aber vor allem in Österreich, in Italien und Spanien solche szenisch-liturgische Darstellungen der Passion Christi, des Einzugs in Jerusalem, der Kreuzabnahme etc.
Musikbeispiel: Kardinal Albrecht -
Benedicamus patrem et filium
Im Jahre 1541 musste Albrecht Halle nach der Durchsetzung der Reformation durch den Rat der Stadt verlassen. Mit dem Stadtrat handelte er aus, dass er das gesamte Inventar des Neuen Stifts mit nach Aschaffenburg nehmen werde. So ist weder von den Altären und Kunstwerken – bis auf den Altar, der sich heute in der Marienkirche befindet – noch von den liturgischen Büchern und Geräten, noch gar von den Reliquien irgendetwas in Halle geblieben. Selbst die Orgel, die Albrecht versprochen hatte in der Stiftskirche zu belassen, wurde abtransportiert und weggeschafft.
Wieder fiel die Stiftskirche für etwa 20 Jahre an die Dominikanermönche, die Albrecht 1520 aus ihrem Kloster umgesiedelt hatte. Und wieder werden die dominikanischen Chorgesänge das gottesdienstliche Leben in der Kirche bestimmt haben.
Im Jahre 1589 übernahm der evangelische Administrator des Erzstiftes Magdeburg, der Markgraf Joachim Friedrich von Hohenzollern die Stiftskirche. Er ließ sie reinigen und umbauen und nannte sie „Zur Heiligen Dreieinigkeit“. In dieser Zeit wird der Lettner aus der Kirche herausgenommen worden sein – es wurde ein einheitlicher, protestantischer Kirchenraum geschaffen. Die räumliche Trennung von den Bereichen der Kleriker und dem der Laien fiel weg. Der lutherische Gottesdienst wurde eingeführt, ein Hofprediger installiert.
Wahrscheinlich gab es am Dom zu Halle auch einen Kantor. Von einer Orgel in dieser Zeit ist uns nichts bekannt, ebenso haben wir keine Nachrichten über etwaige kirchenmusikalische Unternehmungen. Es lässt sich aber wohl nicht leugnen, dass es im Dom ein spielbares Instrument gegeben hat, ein Orgelpositiv für den Gemeindegesang, vielleicht auch ein etwas größeres Orgelwerk. Immerhin wurden in den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts einige Mittel für die Reparatur einer Orgel aufgewendet. Allerdings wissen wir nichts über die Disposition der Orgel oder den Orgelbauer.
Liturgische Quellen aus dieser Zeit befinden sich weder im Domarchiv noch im geheimen preußischen Staatsarchiv zu Berlin. Das gilt auch für die Zeit des Dreißigjährigen Krieges ab 1630, in der die Jesuiten in die Stiftskirche einzogen und sie für kurze Zeit zu ihrer Kirche machten.
3. Herzog August von Sachsen Weißenfels und die lutherische Schloss- und Domkirche
Eine neue Epoche für die mittlerweile Schloß- und Domkirche zu Halle genannte Stiftskirche begann mit dem Einzug des postulierten Administrators des Erzstiftes Magdeburg Herzog August von Sachsen Weißenfels in Halle im Jahre 1638. Am 31. Dezember 1642 konnte er sich dauerhaft in der Stadt Halle niederlassen.
Als Kirchenraum stand ihm zunächst die Magdalenenkapelle auf der Moritzburg zur Verfügung. August ließ die Dom-Kirche renovieren und gab ihr das heute noch den Raumeindruck prägende barocke Aussehen. Die Renovierungen zogen sich über Jahre hin, allerdings konnte am 8. September 1644 in der Schloß- und Domkirche zu Halle die erste Predigt gehalten werden.
Wieder hatte der Dom zu Halle keine „normale“ Gemeinde. Stadtpfarrkirchen waren die Marienkirche, die Moritzkirche und die Ulrichskirche. Ihre Pfarrer waren für die Seelsorge in der Stadt zuständig. Die Hofgemeinde bestand aus den Mitgliedern der herzoglichen Familie, den Beamten und höheren Bedienten des Hofes und ihrer Familien. August hatte in die Kirche Kirchenstuben einbauen lassen, die die einzelnen Personen oder Familien gegen einen festgesetzten Preis mieten konnten.
Zu ihnen gehörte auch die Familie des Kammerdieners Georg Händel, der in der Domkirche für sich und seine Familie einen Kichenstuhl gemietet hatte und der auch Pächter von Ländereien des Doms gewesen ist. Seine Witwe hat die Pacht bis weit über den Tod des Mannes und über das Ende der lutherischen Hofgemeinde hinaus aufrecht erhalten.
Diese Stuhlgelder waren neben den beträchtlichen Pachteinnahmen der mit dem Dom verbundenen Ländereien die einzigen Einnahmequellen der Domkirche. Alle weiteren Bau- und Ausstattungskosten wurden aus der herzoglichen Kasse bestritten. Zur neuen Ausstattung der Domkirche gehörte selbstverständlich auch eine neue Orgel, die auf der eigens erbauten Orgelempore im Westen der Kirche eingebaut wurde. Dreyhaupt zitiert in seiner Chronik die Festschrift, die zur Einweihung dieses Orgelwerkes mit der Predigt von Johann Olearius über den 150. Psalm veröffentlicht wurde.
Die Orgel stehet dem Altar gegen über an der Abendseite, und ist ein kostbares Werck, so der letztere Administrator, Hertzog Augustus zu Sachsen Ao. 1667 gleichfals auf eigene Kosten erbauet. Das gantze Werck ist 63 Schuh hoch, und etwas über 20 Schuh breit, auch in verschiedene Chöre abgetheilet.
Das erste Chor, so oval mit einer Gallerie, ruhet aug 6 Pfeilern und Schwibbogen, mit 4 runden und 6 flachen Jonischen Säulen verfasset, wo über dem mittelsten Bogen auf einer mit 2 Frucht-Hörnern gezierten Tafel folgende Schrifft stehet: I.D.AE.P. Pietate in Deum veramque Religionem ductus Reverendissimus Archi-Episcopatus Magdeburgensis Administrator Augustus, Saxoniae, Juliae, Cliviae & Montium Dux Serenissinus, hoc Organum Pneusticum cum utroque podio ad decorandas hasce SS. Triadi dicatas aedes sumtu munificentissimo extrui curavit. Coepit opus ineunte vere Anni M.CD.LXV. Consummatum est exeunte aestate Anni MCLXVII.
Das andere Chor ruhet auf gleicher Anzahl Pfeilern, und ist ebenfalls mit 4 runden und 6 flachen aber Corinthischen Säulen verfasset, wo vorn am Frieß ein Schild hänget, darauf die verschlungenen Buchstaben A.H.M.S.Z. als die Nahmens-Chifre: Augustus, Anna Maria, Hertzoge zu Sachsen, stehen in 2 Lorbeerzweigen eingefast, denen 9 aufgerichtete und 3 niedergebeugte Blätter die Anzahl der damals lebenden und verstorbenen fürstlichen Kinder anzeigen, samt 2 ineinander geschlossenen Cronen darüber. Ueber den corinthischen Frey-Säulen sind nach selbiger Ordnung 4 grosse vergulde Kugeln neben einer zierlichen Gallerie gesetzt, und hinter derselben noch 4 Gallerien noch perspektivisch geführet.
Zwischen diesen stehet das Orgelwerck mit 2 grossen verguldeten Palmbäumen auf beyden Seiten, und darauf ruhenden ausfliessenden Stab mit erhabenen Laubwerck gezieret. Zwischen denen Palmbäumen aber ist das Brustwerck mit Festonen und der Überschrift: Omnis spiritus laudat Dominum. Auf diesem ausfliessenden runden Stab stehen 4 Corinthische flache Säulen mit ihren Capitälen, auf beyden Seiten des Wercks aber zwey grosse überhangende Festonen, und über dem Haupt-Gesimse steht:; Gloria in excelsis Deo; und sitzet auf der rechten ein Kind, welches tractiret; auf der linken aber eins mit einem Fagott, und oben auf der geschwungenen halrunden Dachung mit liegenden Früchten ein sitzendes Kind mit einer Harffe.
Dieses Orgelwerck ist durch den Orgelbauer Christian Förnern, von Wettin gebürtig, gefertiget worden, hat 28 timmen, 19 im Manual und 9 im Pedal, 1500 Pfeiffen, und 2 Manual-Clavire von Buchsbaum. Die Disposition der Stimmen ist Folgende: Im Oberwerck: Principal 8 Fuß, Quintaden 16 Fuß, Grob gedackt 8 Fuß, Gemshorn 8 Fuß, Octavia 4 Fuß, Quinta 3 Fuß, Super octava 2 Fuß, Sesqui altera. Mixtur halbellicht 4 fach, Trompete 8 Fuß. In der Brust: Principal 4 Fuß, Quintaden 8 Fuß, Gedackt von Holz 8 Fuß, Klein gedackt 4 Fuß, Quinta 3 Fuß, Octava 2 Fuß, Sesquialtera. Mixtur halbelicht 2 fach, Schallmey 4 Fuß. Im Pedal:Subbaß, von Holtz 16 Fuß, Posaunen 16 Fuß, Trompet 8 Fuß, Principal-Baß 8 Fuß, Octava 4 Fuß, Quinta 3 Fuß, Mixtur, ellicht, 4 fach; Sesquialtera; Cornet 2 Fuß. Hierzu gehören 3 Bälge, jeder 9 Fuß lang, und 4 ½ Fuß breit, über 180 Tact zu gebrauchen, so, daß mit einem Niedertreten der gantze Glaube mit seinen 3 Versen vollkommen ausgespielet werden kan. Ferner 3 Springladen, welche auf besondere Art gemacht, daß man zu allem bequemen kommen, und wann es nöthig, durch beyde Manual gentz neue Ventile, ohne Aushebung einer einzigen Pfeiffe oder Loßhängung einer Abstracten oder Clavis, machen kann; es ist auch der Wind durch ein besonder Instrument einer jeden Windlade genau zu gewogen.
Diese Orgel ist in gegenwart des Herrn Administratoris, Dero Fürstl. Herrschafft und Hoffstatt, mit einer von dem Hoffprediger D. Johann Oleario über den CL. Psalm gehaltenen Predigt, darinnen er das fröhliche Halleluja vorgestellet, und selbige hernach durch den Druck publiciret, am 18. Octobr. 1667 eingeweyhet worden.
Die Förner-Orgel war ein stattliches Orgelwerk, das der bedeutung der Schloß- und Domkirche als Hauptkirche der Residenz voll entsprach.
Die Kirchenkasse sah für die Ausgestaltung der Kirchenmusik nur eingeschränkte Mittel vor. Aus ihr wurden Kantor und Organist bezahlt, eventuell noch Sachkosten bestritten wie neue Saiten für den Kontrabass oder Notenabschriften. Darüber hinaus bezahlte die herzogliche Kasse auch die Hofmusikanten, die je nach bedarf auch zur Kirchenmusik heran gezogen wurden. Kirchenmusik gehörte zur barocken Repräsentation.
Herzog August legte bei der Auswahl seines kirchlichen Personals Wert auf Qualität. Seit 1643 war Johann Olearius Hofprediger am Hallenser Hof. Er war ein viel gelesener Erbauungsschriftsteller und Ausleger der Heiligen Schrift. Seine emblematische Auslegungsmethode hat in jüngerer Zeit viel zum Verständnis der Texte der Kantaten Johann Sebastian Bachs beigetragen. Außerdem ist Johann Olearius als Kirchenlieddichter hervorgetreten die Lieder „Gelobet sei der Herr, mein Gott, mein Licht, mein Leben“ ist ebenso von ihm wie das Lied „Gottlob der Sonntag kommt herbei“.
August gilt als kunst- und musikliebender Fürst. Seit dem Jahre 1643 war er Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft, jener litararischen Vereinigung vor allem von Adligen, die sich um eine Erneuerung der deutschen Sprache gegen die frankophone Vorherrschaft bemühte. Nach dem Tode Herzog Wilhelm von Sachsen Weimar im Jahre 1662 trug man ihm den Vorsitz der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ an, August führte den Gesellschaftsnamen „der Wohlgeratene“. Seine Pflanze war die Pimpernelle sein Reimspruch lautete:
Die wurzel bimbernel in güte tugendhaft
Dem Stein`und Wassersucht ist alzu wohl gerathen
Drum Wohlgerathen ich von solcher tugend kraft
Genennet worden bin: Man kommen sol Zu statten
Gemeinem nutzen wol: Ja wo die Tugend haft
Aldar thun sich herfür die hochgewünschten thaten:
Die wohlgeratne frucht wird gütig vorgebracht,
Weil tugend übertrifft in allem bloße macht.
A.E.E.Z.M.H.Z.S.J.C.B. 1643
(August, erwählter Erzbischof Zu Magdeburg Herzog Zu Sachsen Jülich Cleve Berg.)
Der sächsische Einfluss auf die Stadt Halle und das jetzt so genannte Herzogtum Magdeburg nahm zu. War August doch der zweite Sohn des Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen. Enge politische und kulturelle Beziehungen gab es zwischen Halle und Dresden. Am Hof in Dresden hatte er in seiner Kindheit und Jugend die lutherische Kirchenmusik in ihrer höchsten Blüte erlebt: Den Dresdner Hofgottesdienst mit der musikalischen Gestaltung durch den Hofkapellmeister Heinrich Schütz.
Das gottesdienstliche Leben am Dom zu Halle wurde entsprechend lutherischer Gottesdienstordnungen eingerichtet und geregelt. Erhalten geblieben im Domarchiv ist die Ertz-Stifftische Magdeburgische Kirchenagenda aus dem Jahr 1663. In dieser befinden sich die Gebete zu den einzelnen Sonn- und Feiertagen des Kirchenjahres, die Ordnung der Gesänge und der Kirchlichen Handlungen wie Taufe, Trauung und Bestattung.
Der lutherische Gottesdienst lässt viel Raum für seine musikalische Ausgestaltung. Während sich die römisch-katholische Ästhetik nach dem Konzil von Trient weitgehend auf die künstlerische Ausgestaltung der Gottesdiensträume verlegt und die gottesdienstlichen Zeremonien bis ins Kleinste sorgfältig gestaltet, tritt im Protestantismus die Kirchenmusik immer mehr in den Fordergrund. Sie steht ganz im Zeichen der Verkündigung, wobei die gottesdienstlichen Formen im Luthertum weiter dem Ablauf der Messe folgen.
Wie auch in der römisch-katholischen Messe kann der Chor die einzelnen gottesdienstlichen Stücke übernehmen wie Kyrie und Gloria, Credo, Benedictus und Agnus Dei. Im Verlauf des 17.Jahrhunderts und unter dem Einfluss der jungen italienischen Oper kommt es dann zur verstärkten Einführung von Evangelien- und Predigtmusiken nicht nur in chorischer, sondern auch in solistischer Besetzung.
An den bedeutenden Hof- und Stadtkirchen, die über die entsprechenden Mittel verfügten werden Geistliche Konzerte aufgeführt, meist von einem kleinen Streicherensemble und Basso Continuo begleitete Sologesänge auf Evangelien- oder Epistelteste, bisweilen auch auf Texte der liturgischen Tradition. In der Regel sind diese Geistlichen Konzerte kleine Formen der Kirchenmusik. Erst im 18. Jahrhundert kommt es dann zu der reichlicher ausgeformten evangelischen Kirchenkantate, die ihre Texte zum Wesentlichen aus freier Dichtung bezieht.
Belegt sind Beziehungen des Dresdner Hofkapellmeisters Heinrich Schütz zur Domkirche in Halle. Schütz hatte der Domkirche 5 Exemplare seines Beckerschen Psalters geschenkt, die sicher von der Domkantorei, die vor allem aus Kapellknaben bestand, aufgeführt worden sind. Heinrich Schütz besaß in Halle ein Haus in der Großen Ulrichstraße No.5. Es besteht kein Zweifel, dass er sich häufiger in Halle aufgehalten hat und dort am Hof und an der Schloß- und Domkirche auch musikalisch gestaltend tätig geworden ist.
Musikbeispiel: Samuel Scheidt 4:55
Choralbearbeitung Veni redemptor gentium
Fragen dagegen wirft die Rolle Samuel Scheidts in der Kirchenmusik am Hofe Augusts von Sachsen Weißenfels auf. Scheidt war seit 1609 Hoforganist des Administrators Christian Wilhelm von Brandenburg in Halle und Organist an der Moritzkirche in Halle. Da die Hofkirche der Dom zu Halle war, müsste man ihn in Verbindung zur Domkirche bringen können, für die jedoch eine Orgel in der fraglichen Zeit zwischen 1609 und 1628 nicht nachweisbar ist. Das schließt nicht aus, dass Scheidt seine Geistlichen Musiken in den Gottesdiensten der Domkirche zur Aufführung gebracht hat, auch später noch als er seinen Posten als Hofkapellmeister aufgegeben hatte und nur noch als „Privatus“ hier und da Musik machte.
Neben Heinrich Schütz und Johann Hermann Schein gehört Samuel Scheidt zu den großen deutschen Komponisten vor Bach und Händel. Während Schütz seine Ausbildung in Italien – vor allem in Venedig – genossen hatte, zog es Scheidt nach Amsterdam zu dem berühmten Organisten Jan Pieterzon Sweelinck. Von dort kehrte er nach Halle zurück und wurde Hofkapellmeister am Hof des Administrators. Weiterhin blieb er der Moritzkirche verbunden und setzte dort erhebliche private Mittel zum Bau der neuen Compenius-Orgel ein. In wie weit Scheidt mit der Kirchenmusik am Dom zu Halle nach 1543 befasst war, ist offen.
Henrik Dochhorn vermutet, dass die musikalische Verantwortung für de großen Feierlichkeiten am Hof Heinrich Schütz getragen hat. Das gilt für die Festlichkeiten der früheren Jahre – Ob allerdings Heinrich Schütz an den Feierlichkeiten zur zweiten Hochzeit Herzog Augusts am 29. Januar 1672 mit Johanna Walpurgis von Leiningen-Westerburg und der Hochzeit seiner Tochter Magdalena Sybilla mit dem Erbprinzen Friedrich von Sachsen Gotha am 14. November 1669 beteiligt war, ist ebenfalls offen. Heinrich Schütz war zu diesem Zeitpunkt bereits 84 bzw. 87 Jahre alt. Er starb am 6. November 1672 in Dresden. Samuel Scheidt verblieb auch nach der Niederlegung seiner Ämter an der Marktkirche Mitglied der herzoglichen Schloß- und Domgemeinde, ebenso seine Frau und seine Tochter.
Ausweislich der Rechnungsbücher der Domkirche erhielt Scheidt in den Jahren 1652/1653 mindestens zweimal Geldzuwendungen aus der Kirchenkasse auf herzoglichen Befehl aus „restierender Besoldung“ wie es heißt – ein kleiner Hinweis darauf, dass Scheidt auch in seinen späteren Jahren für die Schloß- und Domkirche gearbeitet hat.
Musikbeispiel: Samuel Scheidt 4:29
Ich danke dem Herrn
Nachfolger Samuel Scheidts wurde Philipp Stolle, ohne dass er auch in formalem Sinne zum Hofkapellmeister ernannt worden wäre. Stolle (geb. 1614, gest. in Halle 1675) aus Radeburg stammend gehörte in Dresden zum Schülerkreis von Heinrich Schütz. Vor allem im Zusammenhang mit der von Herzog August gegründeten Halleschen Hofoper am heutigen Friedemann Bach Platz ist Stolle hervorzuheben. Auch als Komponist von Liedern ist er hervorgetreten.
Kirchenmusikalische Werke sind von ihm nicht überliefert. In der musikalischen Direktion der Gottesdienste im Dom wird er sich an die vorhandene Literatur gehalten haben. 1661 übernahm David Pohle das Amt des Hofkapellmeisters in Halle und war damit de facto auch für die Ausrichtung der Kirchenmusik an der Schloß- und Domkirche zuständig. Die Stelle des Organisten hatte Samuel Schein inne, der Sohn des Leipziger Thomaskantors Johann Hermann Schein.
Walter Serauky dokumentiert einige Festgottesdienste aus den 60er und 70er Jahren im Dom zu Halle, die sämtlich unter der Leitung des Hofkapellmeisters David Pohle stattfanden. Pohle, 1624 in Marienberg geboren. 1661 kam er an den Hallenser Hof und blieb bis 1678, bevor er nach Zeitz ging. Schon vorher hatte er auch an den Residenzen der anderen sächsischen Sekundogenituren gearbeitet. Pohles Stil ist ganz von Heinrich Schütz beeinflusst. Seine Kirchenmusiken gelten als Frühformen der barocken Kirchenkantate. Diese hat er auch im Dom zu Halle zur Aufführung gebracht. So auch anlässlich des Gottesdienstes am 13. August 1673 zur Geburtstagsfeier von Herzog August:
Der 20. Psalm Corneli Beckers gesungen (in der Vertonung von Heinrich Schütz)
Missa a 17 Stimmen von David Pohle
Allein Gott in der Höh sey Ehr
Nun lob, mein Seel den Herren
Alles was auf dieser Erde a 12 Stimmen von David Pohle
Der Glaube (Glaubensbekenntnis)
Predigt
Dies ist der Tag a 14 Stimmen von David Pohle
Herr Gott, dich loben wir
Collecte und Segen
Gott sey uns gnädig (gesungen)
Es ist ein musikalisch reich ausgestalteter Gottesdienst, wie er in der Barockzeit in den großen Stadtkirchen und an den Höfen üblich war. Vorbild war die Gottesdienstordnung der Dresdner Hofkirche. In Leipzig haben sich diese musikalisch reich ausgestalteten Gottesdienste bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hinein erhalten, bevor die Aufklärung das musikalische Geschehen in den Städten aus den Kirchen mehr in die öffentlichen Räume verlagerte und die Gottesdienste in ihren textlichen und auch in ihren musikalischen Anteilen erheblich gekürzt und auf die Dauer etwa einer Stunde zusammengestrichen wurden.
Musikbeispiel: David Pohle 8:36
Wie der Hirsch schreiet
Für die Gottesdienste der Schloß- und Domkirche ist diese Tendenz zur Verkürzung der Gottesdienste noch gänzlich unabsehbar. An der Residenz in Halle blüht das geistlich-musikalische Leben auch als David Pohle 1678 Halle verlässt, um erst an den Hof nach Zeitz und dann 1682 nach Merseburg zu wechseln. Sein Nachfolger wird Johann Philipp Krieger (geb. 1649 in Nürnberg, gest. 1725 in Weißenfels), der 1677 an den Hallenser Hof gekommen ist.
Von seinen Kirchenmusiken sind vor allem Kirchenkanten erhalten. Es ist wahrscheinlich, dass Johann Philipp Krieger auch die Musik für die Trauerfeierlichkeiten verantwortet hat, die anlässlich des Todes von Herzog August in der Hallenser Schloß- und Domkirche ihren Ausgang nahmen, und während derer in einer großartigen Prozession der Leichnam nach Schloß Neu Augustusburg in Weißenfels überführt und in der dortigen Fürstengruft beigesetzt wurde.
Musikbeispiel: Johann Philipp Krieger 1:43
Ihr Christen freuet euch
Als Herzog August am 4. Juni 1680 in Halle starb, wurde der Hof aufgelöst und zog nach Weißenfels. Auch Johann Philipp Krieger ging mit nach Weißenfels und blieb dort Hofkapellmeister. Das Herzogtum Magdeburg war mit dem Tod von Herzog August an das Kurfürstentum Brandenburg gefallen. So war es im Vertrag von Münster und Osnabrück 1648 festgelegt worden.
Halle hatte seine Stellung als Residenzstadt verloren, preußische Beamte zogen in die Stadt ein und übernahmen die herzogliche Verwaltung. Allen voran der Kanzler Gottfried von Jena, ein kurfürstlicher Beamter reformierten Bekenntnisses. Er war für die Eingliederung des Herzogtums Magdeburg in das preußische Staatensystem verantwortlich.
4. Die reformierte Domgemeinde
Mit dem Auszug des herzoglichen Hofes fiel die Schloß- und Domkirche an den Kurfürsten von Brandenburg, Friedrich Wilhelm I. Er war bekannt für sein reformiertes Bekenntnis, das er mit der Familie und dem Hof in den überwiegend lutherischen Landen lebte, und dem er auch in gewissem Rahmen Geltung und Bedeutung verschaffte.
Friedrich Wilhelm sorgte dafür, dass sich überall in den kleinen Herrschaften und Residenzen reformierte Hofgemeinden versammeln konnten. Diese Gemeinden bestanden meist nur aus wenigen Gemeindegliedern. Wo sich jedoch Gemeinde sammelte, dort wurde auch bald ein öffentlicher Gottesdienst installiert und ein Prediger bestellt.
Der erste reformierte Gottesdienst in der Schloß- und Domkirche zu Halle hat anlässlich eines Besuches des Kurfürsten am 5.Juni 1681 stattgefunden. An diesem Tag ließ der Kurfürst seinen Hofprediger Bergius im Dom zu Halle predigen. Schon vorher am 7. September 1680 hatte Friedrich Wilhelm verfügt, dass der Dom zu Halle sowohl der lutherischen wie der reformierten Konfession als Gottesdienststätte dienen sollte.
Zu jener Zeit wird es in Halle nicht viele Reformierte gegeben haben. Aber auch eine lutherische Gemeinde wird sich im Dom nur spärlich versammelt haben, da die Menschen der Stadt in ihre Pfarrkirchen eingepfarrt waren. Vielleicht waren es noch die Reste der ehemaligen Hofkirche Herzog Augusts, die sich weiterhin zu den lutherischen Gottesdiensten im Dom hielten. Es ist durchaus möglich, dass auch die Familie Händel noch gelegentlich den lutherischen Gottesdienst im Dom zu Halle besucht hat.
Zu geregelten reformierten Gottesdiensten im Dom kam es erst nach dem 2. Ostertag des Jahres 1688, als der aus der falz stammende Prediger Johann Jakob Reich seine Antrittspredigt hielt. Die Reformierte Gemeinde blühte in der Folgezeit auf. Es kamen Flüchtlinge aus der Pfalz nach Halle, und es kamen Hungerflüchtlinge aus der Schweiz. Die nach Halle gekommenen französischen Hugenotten hatten ihre reformierte Gottesdienststätte in der Moritzburg bekommen und hielten dort ihre Gottesdienste bis 1809 in französischer Sprache.
Konfliktfrei ging es nicht zu zwischen den beiden Konfessionen, den alteingesessenen Lutherischen und den neu hinzugekommenen Reformierten in der einen Kirche. Besonders lutherischerseits war man erbost über das absolutistische Handeln des Landesherrn, der einfach den reformierten Gottesdienst angeordnet hatte, und der Hofprediger Schrader wurde nicht müde, von der Kanzel gegen die Ketzer zu predigen.
Der Organist weigerte sich, im reformierten Gottesdienst zu spielen und musste entlassen werden. Dabei hatte der Kanzler von Jena noch versucht, dem Organisten zu sagen, dass er ja nicht die Texte – die übrigens gut biblisch seien – zu spielen hätte, sondern nur die Noten. Aber darauf wollte sich jener uns ansonsten unbekannte Organist nicht einlassen.
Wir sind in der glücklichen Lage, dass der Chronist Johann Christoph von Dreyhaupt um die Mitte des 18. Jahrhunderts die Geschichte und das öffentliche Leben der Stadt Halle und des Saalkreises minutiös dokumentiert hat und so auch die Gottesdienstordnung der deutsch-reformierten Gemeinde im Dom zu Halle beschreibt:
Der Gottesdienst gehet früh um 9 Uhr und Nachmittags um 2 Uhr an, und wird also gehalten, zuerst wird ein Psalm oder Lied gesungen, wobey man sich doch nicht daran bindet, solche jederzeit gantz auszusingen, darauf wird das gewöhnliche Sonntags-Gebet vor der Predigt aus der Kirchen=Agende am Tisch gelesen, darauf wieder aus einem Psalm oder Lied gesungen, gegen dessen Endigung der Prediger auf die Cantzel gehet.
Nach dem ersten Eingange wird gesungen: O Gott du unser Vater bist, etc. oder Liebster Jesu wir sind hier, und an Festtagen ein Festgesang. Nach der Predigt wird das vorgeschriebene Kirchen=Gebet, so bey denen reformierten Gemeinden so wohl, als denen Lutherischen eines Inhalts ist, aus der Agenda gelesen, darauf einige Verse gesungen und endlich die Gemeinde mit dem Segen entlassen.
In der Kirche wird Lutheri teutsche Version der Bibel gebraucht, und zuweilen die Sonntags=Evangelia oder etwas aus der Epistel zum Text genommen, mehrerenteils aber andere Texte, in der Fastenzeit aber die Paßions=Geschichte, und alle 3 Jahr einmal der Heydelbergische Catechismus Nachmittags erklähret. Zu Gesängen werden sowohl die Psalmen Davids nach der Uebersetzung Ambrosii Lobwassers, J.V.D. und Raths zu Königsberg in Preussen, Lutherischer Confeßion als auch andere geistreiche sowohl von Reformierten als Lutheranern verfertigte Lieder gebraucht und hat die hiesige Gemeinde seit 1713 ihr eigenes Gesangbuch gehabt, welches von dem ministerio der Domkirche 1745 vermehrt und verbessert nebst dem Heydelbergischen Catechismo, der communion=Formul und einigen Gebeten von neuem herausgegeben und bey Emanuel Schneydern zu Halle 1745 in 8 gedruckt worden ist.
Das H.Abendmahl wird des Jahres 12 mahl auf den ersten Sonntag des Monaths gehalten. Tages vorher, Nachmittags um 2 Uhr wird über einen sich darzu schickenden Text eine Vorbereitungs=Predigt gehalten, und nachmahls das Formular gelesen, so hinten im Gesangbuch beygedruckt ist, Sonntags darauf aber das andere Formular, das sich auch daselbst findet. Es müssen auch die Communicanten Freytags oder Sonnabends zuvor sich angeben, ihre Nahmen aufzeichnen lassen, und gewisse Zeichen abholen oder abholen lassen, welche bey der Communion in ein Becken, dabey ein Ältester oder Armen=Vorsteher sitzet, geworffen werden. Die Heil. Taufe aber wird Nachmittags administriret, so offt ein Täufling vorhanden ist. M
Musikbeispiel: Samuel Mareschall 1:15
Psalm 42
Es zeigen sich viele Übereinstimmungen mit der französischen Gottesdienstordnung: der Gottesdienst ist auf das gelesene und gepredigte Wort konzentriert, es werden die Reformierten Psalmen gesungen – in der beliebten und verbreiteten Übersetzung des Königsberger Lutheraners Ambrosius Lobwasser. Diese Tradition geht auf die Straßburger und die Genfer reformatorische Tradition zurück.
Man wollte alle Psalmen der Bibel in gereimte Verse bringen und sie so für die gegenwärtige Gemeinde als Psalmlieder singbar machen. Der Psalter als Gottes Wort sollte die maßgebliche Anleitung für den Gemeindegesang werden: „Gott mit seinen eigenen Worten loben“ so hatte Johannes Calvin die Stellung des Psalters in der christlichen Gemeinde beschrieben.
Wechselgesänge finden im reformierten Gottesdienst nicht statt, und auch sonst scheint die Kirchenmusik im reformierten Gottesdienst des Hallenser Doms keinen breiteren Raum einzunehmen . Allerdings werden auch Lieder der lutherischen Tradition gesungen, was auf eine gewisse ökumenische Weite der Gemeinde hinweist, wofür auch das erwähnte Gesangbuch von 1713/1745 der Domgemeinde beredtes Zeugnis ablegt.
Gemeinsam mit den lutherischen Gemeinden ist auch das agendarische Gebet, in dem vor allem der Obrigkeit fürbittend gedacht wird. Eine Erinnerung daran, dass beide: lutherische wie reformierte Gemeinden evangelisch sind und bei allen Differenzen auch bleiben. Gemeinsam scheint auch, dass zumindest der Passionszeit im Kirchenjahr ein besonderes Gewicht zukommt. Hatte das Kirchenjahr in Genf bei Johannes Calvin und seinem Kreis so gut wie keine Rolle gespielt, so scheint in der Domgemeinde zu Halle immerhin die Textwahl für die Passionsgottesdienste durch die im Kirchenjahr üblichen Lesungen der Passionsgeschichte bestimmt zu sein.
Trotz der geringeren Bedeutung der Kirchenmusik in ihren Gottesdiensten beschäftigt die reformierte Domgemeinde in ihrer Anfangszeit einen Kantoren und einen Organisten. Aus den Rechnungsbüchern der Domgemeinde geht hervor, dass es auch eine Knabenschola gegeben haben muss. Ob diese mehr zur Kirchenmusik beitrug als dass sie als Vorsänger den Gemeindegesang einleitete, ist nicht bekannt.
Zu großen kirchenmusikalischen Aufführungen in den Gottesdiensten zu den Sonn- und Festtagen kam es während der reformierten Zeit nicht mehr. In den reformierten Gottesdiensten bereitete sich die Auswanderung der Musik aus den Gottesdiensten in den säkularen Raum vor. Umso wichtiger war der Gemeindegesang und hier vor allem der Gesang der Genfer Psalmen.
Weiterhin blieb der Dom zu Halle die landesherrliche Kirche in der Stadt. Und zu entsprechender Gelegenheit wurde der Dom auch als repräsentativer Raum für den brandenburgischen Staat genutzt. So fand die feierliche Gründung der Hallenser Universität im Dom zu Halle statt. Am 1. Juli 1694 versammelte sich eine unübersehbare Zahl von Honoratioren und Studenten in Anwesenheit des Brandenburgischen Kurfürsten in der Domkirche, die zu diesem Zweck mit einem Theater unter der Orgelempore versehen worden und prächtig ausgeschmückt worden war. In seiner Chronik berichtet der schon erwähnte Johann Christoph Dreyhaupt:
„Wie nun dies alles einen überaus prächtigen und angenehmen Prospect in der an sich schönen Kirche machte; also war auch die Musik nicht weniger angenehm; worauf der Chufstl. Hof-Prediger Benjamin Ursinus über den Text Esaiae XLIX, 23 daß die Könige, der Kirchen Pfleger und die Fürsten ihre Säug Ammen seyn sollen, eine schöne Predigt hielt. Nach deren Endigung wurde das Gebet verlesen, der Segen gesprochen und das Lied „Nun bitten wir den heiligen Geist“ gesungen...“
5. Georg Friedrich Händel als Organist der Domgemeinde
Die Domgemeinde hatte Schwierigkeiten mit ihren Organisten. Es gab nicht viele Musiker reformierter Konfession, und wer musikalisch ambitioniert war, der wird sich nach einer Stelle an einer lutherischen Kirche umgesehen haben. Namentlich wissen wir von dem Organisten Jacob Sontag, der seit 1690 am Dom wirkte und schon 1696 mit 42 Jahren im Amt verstarb. Sein Nachfolger wurde Johann Christoph Leporin aus Berlin, der im Zusammenhang mit der Anstellung Georg Friedrich Händels traurige Berühmtheit erlangen sollte. Serauky schreibt über ihn: „Leider enttäuschte der neue Organist, ein arger Leichtfuß, die in ihn gesetzten Hoffnungen gröblich und vernachlässigte seine Pflichten in unverantwortlicher Weise.“
Das ist ein hartes Urteil, das so durch die Quellen nur teilweise gedeckt ist. Erhalten ist eine Beschwerde des Presbyteriums an das Konsistorium in Berlin aus dem Jahre 1702, in der man Leporin vorwirft, dass er sein Amt und sonstige Geschäfte miteinander vermengt und ständig unterwegs ist.
Außerdem habe er die Psalmbücher, die nun wirklich für den Reformierten Gottesdienst unerlässlich sind, mitgenommen, und die Gemeinde müsse zusehen, wo sie Ersatz bekommt. Mehr ist über Johann Christoph Leporin nicht bekannt. Daß er Alkoholiker gewesen sein soll ist eine Legende einiger Händel-Biographen und verdient, nicht weitererzählt zu werden.
Über die Zeit Georg Friedrich Händels als Organist der Domgemeinde Halle von 1702 bis 1703 hat Konstanze Musketa jüngst alle verfügbaren Quellen ausgewertet und zusammengefasst . Georg Friedrich Händel war ein junger Mann aus der Nachbarschaft des Doms, dessen Familie langjährige Beziehungen – erst zur lutherischen Hofgemeinde, dann aber auch über die Pachtverträge zur reformierten Domgemeinde hatte.
Wie die Domgemeinde darauf verfallen ist, ihn als Interims-Organisten anzustellen, ist unklar. Er muß schon vorher, während der häufigen Abwesenheit von Leporin Vertretungsdienste an der Orgel geleistet haben – wie es in seinem Anstellungsvertrag vom 13.3.1702 heißt. Es war jedoch von Anfang an daran gedacht, dass Händel das Amt des Domorganisten nicht auf Dauer ausüben würde. Die Arbeitsbedingungen wurden in einem Anstellungsvertrag detailliert festgelegt.
Musikbeispiel: Georg Friedrich Händel 2:34
Präludium Nr.1 A-Dur
13. März 1702 Bestallung vor den Organisten Hendel
Demnach die nothwendigkeit erfo[r]dert, daß bey der alhiesigen Königl. Schloß' und Domkirchen zum Organisten, an des ohnlängst abgegangenen Johann Christoph Leporins stelle, ein geschicktes Subjectum hinwiederumb bestellet werden, undt dann vor ändern der Studiosus Georg Friedrich Hendel, welcher vorher bereits verschiedend. unter abwesenheit ged. Leporins dessen vices vertretten, seiner geschickligkeit halber darzu angerühmet und recomandiret worden;
Alß haben wir zur hiesigen Königl. Schloß und Domkirche auch der Reformirten Gemeinde verordnete Prediger, undt Eltiste denselben, auff Ein Jahr zur probe, zum Organisten bey gemelter Kirche dato dergestalt angenomen, daß Er solch Ihm anvertrautes Ambt mit aller Treue undt fleissigen auffwartsamkeit [sie!] wohl und wie es Einem Rechtschaffenen Organisten eignet undt gebühret, versehen, so wohl zu Sonn- Bett' undt ändern Festtagen, alß auch wann es ausser diesen künfftig extraordinarie erfordert wird, bey dem Gottesdienst die Orgel gebührend schlagen, deßhalb vor-hero die vorgeschriebenen Psalmen undt Geistliche Lieder richtig anstimmen und was weiter zur erhaltung einer Schönen harmonie nöthig seyn möchte, in obacht nehmen, zu dem ende jedesmahl zeitig und ehe Mann mit dem läuten auffgehöret, in der Kirche seyn, wie nicht weniger auff die Conservation der Orgel und was derselben anhörig gute acht haben, und wo was daran schadhafft gefunden werden solte, solches fordersamst anzeigen undt aißdann bey der angeordneten re-paratur mit guten rath beystehen undt nachsehen, auch denen Ihme vorgesetzten Predigern undt Eltisten alle schuldige ehre und gehorsam erweisen mit denen übrigen Kirchenbedienten aber friedlich sich begehen undt im übrigen Ein christliches undt erbauliches Leben führen solle.
Dahingegen Ihme vor sein mühe undt Verrichtung zum gehalt dieses Jahrs nemlich von reminiscere c. a. biß dahin 1703 fünffzig Rthir, welche auß der Königl. Renthei alhier Er gegen seine quittung quartaliter mit 12thlr. 12 gr. nächstkünfftigen Trinitatis damit anfallende, zu heben nebst dem auff der Moritzburg von I.K.M. den Organisten allergndst. assigninen freyen Logiament, versprochen undt zugesaget worden, Uhrkundlich ist demselben diese Bestallung unter unserer der Prediger, Vorsteher undt Eltisten eigenhändigen unterschrifft außgestellet.
So geben Halle den 13.ten Martii Ao. 1702.
V[idi]. Achenbach [Hof- und Domprediger]
Man wird davon ausgehen können, dass Händel die Wohnung auf der Moritzburg, die mit der Stelle des Domorganisten verbunden war, nicht bezogen hat, sondern weiter in seinem Elternhaus wohnen geblieben ist. Seine Aufgaben waren klar beschrieben. Sie erstreckten sich im Wesentlichen auf den Sonntagsgottesdienst der Domgemeinde. Sein Instrument war die Förner-Orgel von 1667, die seither schon wiederholt repariert worden war. Außerdem standen Händel für die Gestaltung der Gottesdienste die Schola der reformierten Schule und für besondere Gelegenheiten die Oboen Compagnie der Hyntzsches zur Verfügung.
Welche Art von Musik im Dom zu Händels Zeit aufgeführt worden ist, entzieht sich weithin unserer Kenntnis. Auch von Kompositionen Händels aus seiner Zeit als Hallenser Domorganist finden sich keine Spuren. Unwahrscheinlich ist auch, dass Einflüsse reformierter Kirchenmusik auf das spätere Werk Händels nachweisbar sind. Im Leben des jungen Händel war die Stelle als Domorganist eine Episode, die längstens ein Jahr gedauert hat. Gegen Ende seiner Amtszeit fand im Dom der Trauergottesdienst zur Beisetzung des Kanzlers von Jena statt.
Ausweislich der Rechnungsbücher ist Friedrich Wilhelm Zachow für die Musik zu diesem Anlass entlohnt worden. Es ist gut vorstellbar, dass Georg Friedrich Händel an dieser Begräbnismusik beteiligt war. Mit dem Weggang Händels nach Hamburg endet seine Organistentätigkeit in der Reformierten Domgemeinde. Am 12. September 1703 wird sein Nachfolger Johann Friedrich Kohlhardt als Organist am Dom zu Halle installiert.
Im Verlauf des 18. Jahrhunderts schafft sich die Domgemeinde ihr eigenes Gesangbuch. Es erscheint 1745 in zweiter, erweiterter Auflage. Hierin zeigt sich deutlich, dass die Domgemeinde in ihren Gottesdiensten nicht auf den Reformierten Psalter festgelegt war, sondern durchaus auch zeitgenössisches und traditionelles lutherisches und altkirchliches Liedgut aufgenommen und in den Gottesdiensten gesungen hat.
Mit der Herausgabe dieses Gesangbuches, dem gegen Ende des Jahrhunderts dann ein gänzlich verändertes und im Sinne der Aufklärung gestaltetes folgte, hat die Domgemeinde ihre liturgische Entwicklung zu einem gewissen Ende gebracht. Die Vereinigung der deutschen und der französisch reformierten Gemeinde im Jahre 1809 und die geistlich theologischen Einflüsse auf Gemeinde und Gottesdienst stellte die Gemeinde dann vor neue Herausforderungen.
6. Schluss
Unter musikalischen Gesichtspunkten ist die Zeit des Doms zu Halle als Hofkirche des Administrators des Herzogtums Magdeburg die fruchtbarste und ereignisreichste Zeit gewesen. Für die frühere Zeit ist die Quellenlage dürftig, die reformierte Gemeinde verzichtet in ihren Gottesdiensten weitgehend auf Figuralmusik, wobei nicht geklärt ist, welche Rolle die Orgel über die Begleitung des Gemeindegesanges hinaus in der reformierten Gemeinde gespielt hat.
Für das 17. Jahrhundert allerdings gilt, dass der Dom zu Halle eine bedeutende Stätte reformierter Kirchenmusik in Deutschland gewesen ist, von derselben Bedeutung wie die anderen Residenzkirchen. Bei der Betrachtung der Geschichte der Stadt Halle ist die Bedeutung des Doms oft nicht so sehr im Blick. Das ist eine Lücke, die immer wieder neu zu schließen ist.
Zum Abschluss ein Chorus von Georg Friedrich Händel aus seiner Ode zum St. Caecilias Day – ein klangliches Zeugnis für das, was aus dem ehemaligen Dom-Organisten geworden ist, wie er konsequent die Formen der Oper und des Oratoriums in die Kirchenmusik einträgt. Alles klingt wieder zu Ehren Gottes und zum Lob der Musik – beides zusammen erfreut des Menschen Herz, lässt ihn aufatmen und aufleben. Man mag darüber nachdenken, welche seiner Hallenser Erfahrungen sich in dieser Musik niederschlagen.
Musikbeispiel: Georg Friedrich Händel 3:30
Chorus: Ode for St.Caecilias Day 1739
Domprediger Martin Filitz