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Aschermittwoch: Matthäus 6, 16-18 - das Fasten, die Gier und der Schatz im Himmel
von Johannes Calvin
Matthäus 6, 16-18
16 Wenn ihr fastet, sollt ihr nicht sauer sehen wie die Heuchler; denn sie verstellen ihr Angesicht, auf daß sie vor den Leuten etwas scheinen mit ihrem Fasten. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn dahin. 17 Wenn du aber fastest, so salbe dein Haupt und wasche dein Angesicht, 18 auf daß du nicht scheinst vor den Leuten mit deinem Fasten, sondern vor deinem Vater, welcher im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir`s vergelten.
Christus kehrt wieder zu seiner oben besprochenen Lehre zurück. Er hatte nämlich begonnen, die eitle Prahlerei bei Almosen und Gebet zu tadeln, als er die Regel für ein rechtes Gebet einschob. Nun verordnet er dasselbe über das Fasten wie vorher über Gebet und Almosen. Sic sollen sich nicht so sehr bemühen, einem Schauspiel zu dienen, sondern lieber Gott als Zeugen ihrer Werke ansehen. Was er vom „Salben des Hauptes" und „Waschen des Gesichts" sagt, ist bildlich zu verstehen. Christus will uns nicht vor einer Art Heuchelei bewahren, damit wir der nächsten verfallen. Er befiehlt uns also weder, Luxus vorzutäuschen, noch ermahnt er uns so (nur) zum Maßhalten beim Essen, so daß er Aufwand bei Salbung und Kleidung duldete, sondern er ermuntert uns einfach, unsere Beschränkungen weder sonderbar noch erkünstelt zu gestalten. Er will sagen: Ihr sollt euch dem Fasten so widmen, daß ihr dabei eure vernünftigen Lebensgewohnheiten nicht verändert. Daß er dem Fasten einen Lohn von Gott verspricht, ist uneigentliche Redeweise; er hat ihn ebenso ein wenig vorher für das Gebet verheißen, obwohl zwischen Beten und Fasten ein großer Unterschied ist. Denn Beten nimmt unter den Übungen der Frömmigkeit den ersten Platz ein; Fasten aber ist ein gewöhnliches Werk und gehört nicht zu dem, was Gott fordert und billigt, wie zum Beispiel das Almosengeben. Das Fasten gefällt ihm höchstens, solange es ein anderes Ziel verfolgt, nämlich uns in der Enthaltsamkeit übt, die Lüste des Fleisches zähmt, uns zum Gebetseifer entflammt und ein Zeugnis unserer Bußfertigkeit gibt, sooft uns Gottes Gericht bedrängt. Der Sinn der Worte Christi ist: einst wird Gott offenbaren, daß er Wohlgefallen hatte an den guten Werken, die vergeudet schienen, weil niemand sie sah.
Matthäus 6, 19-21
19 Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe nachgraben und stehlen. 20 Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht nachgraben und stehlen. 21 Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.
Matth. 6, 19. „Ihr sollt nicht sammeln ...“ Diese tödliche Seuche herrscht überall in der Welt, daß die Menschen wahnsinnig sind in unersättlicher Gier nach Besitz. Christus zeiht sie wahrlich der Torheit, weil sie ihr Glück, die in so viel Mühe angehäuften Reichtümer, den Würmern und dem Rost darbieten, den Dieben zur Beute ausliefern. Was ist vernunftwidriger, als sein Gut da aufzubewahren, wo es entweder von selbst umkommt oder von Menschen geraubt wird? Das erwägen die Habsüchtigen freilich nicht: denn sie verwahren ihre Schätze in gut verschlossenen Gewölben; doch können sie nicht hindern, daß Diebe und Motten sich ihres Reichtums bemächtigen. Darum sind die Leute blind und ohne gesunden Menschenverstand, die so viel Mühe und Beschwerde aufwenden, um Schätze zu sammeln, die dann doch nur der Fäulnis oder dem Diebstahl oder tausend anderen Unglücksfällen ausgesetzt sind; zumal uns Gott doch einen Ort im Himmel anbietet, wo wir unseren Schatz anlegen können, und uns gütig ermuntert, Reichtum zu besitzen, der niemals vergeht. „Daß sie sich einen Schatz im Himmel sammeln“, sagt man von denen, die, frei von den Fesseln dieser Welt, ihre Sorge und ihren Eifer auf die Vorbereitung zum himmlischen Leben wenden. Lukas drückt es nicht so in Gegensätzen aus, auch ist dort eine andere Situation festgehalten, aus der heraus Christus befiehlt, sich „Beutel" zu machen, „die nicht veralten". Vorher hatte er nämlich gesagt: „Verkauft, wat ihr habt, und gebt Almosen“. Weil es die Menschen schon schwer und bitter ankommt, sich ihres persönlichen Vermögens zu entledigen, schlägt er als Ausgleich, um den Verdruß zu lindern, eine reiche, großartige Hoffnung vor: sie sollen sich Schätze im Himmel sammeln und dabei der Not der Brüder abhelfen. Ganz, wie es bei Salomo steht: Wer dem Armen schenkt, der leiht dem Herrn (vgl. Spr, 19, 17). Was er im übrigen über das Verkaufen von Besitz anordnet, ist nicht sei genau zu nehmen, als ob es dem Christen nicht auch erlaubt wäre, etwas für sich zurückzubehalten. Er wollte nur zeigen, daß wir nicht nur insoweit den Annen schenken sollen, daß unser Überfluß auf sie überströmt, sondern daß wir nicht einmal unser Kapital verschonen dürfen, wenn die Einkünfte, die zur Hand sind, der Not der Armen noch nicht abhelfen können. Als ob er gesagt hätte: Eure Freigebigkeit soll sich auch bis zur Antastung des Erbguts, bis zum Verkauf des Grundbesitzes erstrecken.
Matth. 6, 21. „Denn wo euer Schatz ist...“ Mit diesem Satz beweist Christus, daß die Menschen arm daran sind, die ihren Schatz auf der Erde gesammelt haben, weil ihr Glück hinfällig und vergänglich ist. Die Geizigen bestreiten zwar, daß sie dadurch gehindert würden, mit dem Herzen nach dem Himmel zu streben; doch setzt Christus die Grunderfahrung dagegen, daß die Menschen dorthin gekettet sind, wo immer sie ihr höchstes Gut wähnen. Das bedeutet, daß Streben nach weltlichem Glück den Verzicht auf den Himmel mit sich bringt. Wir wissen, wie ausführlich die Philosophen über das höchste Gut disputierten. Das lag ihnen nicht von ungefähr so sehr am Herzen, daß sie dabei manchen Schweißtropfen vergossen; denn die ganze Lebensgestaltung hängt davon ab, und alle Gedanken werden darauf zurückgeführt. Wenn man die Ehre für das höchste Gut hält, muß notwendig der Ehrgeiz das menschliche Trachten ganz und gar in Beschlag nehmen; wenn es das Geld sein soll, wird sogleich die Habsucht ihre Herrschaft aufrichten, wenn der Genuß, müssen die Menschen zu einer tierischen Zügellosigkeit absinken. Denn natürlich werden wir alle von dem Wunsch nach einem Gut bewegt; so geschieht es, daß uns falsche Vorstellungen hierhin und dorthin führen. Wenn wir ja rechtschaffen und ehrlich überzeugt wären, daß unser Glück im Himmel ist, wäre es leicht, die Welt zu verachten, nichts auf irdische Güter zu geben - deren trügerische Verlockungen die meisten Menschen gefangenhalten und dem Himmel zuzueilen. In dieser Absicht stellt Paulus, der die Gläubigen erheben und zum Eifer um das himmlische Leben ermuntern will, ihnen Christus vor Augen, in dem allein wahres Glück zu finden ist. Er wollte sagen: Wie widersinnig und unwürdig ist es, daß ihre Seelen an der Erde kleben, während ihr Schatz doch im Himmel ist.
Aus: Calvin, Auslegung der Heiligen Schrift, Die Evangelienharmonie 1. Teil, Neukirchener Verlag 1966, S. 215ff.
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