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Außer Christus kein Grund der Gemeinde
Johannes Calvin zum Pfingstmontag (Matthäus 16,13-19)
Matthäus 16,13-19
13 Da kam Jesus in die Gegend von Cäsarea Philippi und fragte seine Jünger und sprach: Wer sagen die Leute, daß des Menschen Sohn sei? 14 Sie sprachen: Etliche sagen, du seiest Johannes der Täufer; andere du seiest Elia, wieder andere, du seiest Jeremia oder der Propheten einer. 15 Er sprach zu ihnen: Wer sagt denn ihr, daß ich sei? 16 Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn! 17 Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut hat dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel. 18 Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Fels will ich bauen meine Gemeinde, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. 19 Ich will dir des Himmelreichs Schlüssel geben, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein.
Matth. 16, 13. „In die Gegend von Cäsarea Philippi.“ Nach Markus hat sich dieses Gespräch auf dem Weg abgespielt, nach Lukas dagegen, während Christus betete und niemand bei ihm war außer seinen Jüngern. Matthäus gibt die Zeit nicht so genau an. Es steht jedoch fest, daß die drei die gleiche Geschichte berichten, und es ist möglich, daß Christus bei einer Wanderung, nachdem er bei irgendeiner Raststelle gebetet hatte, diese Frage an die Jünger richtete. Da es zwei Cäsarea gab, das alte und vornehmere, das früher Turm des Strato hieß, und das hier gemeinte, das am Fuß des Libanon lag, nicht weit vom Jordan entfernt, ist der Zusatz zur Unterscheidung hinzugefügt. Einige meinen zwar, es sei an derselben Stelle aufgebaut, wo einst die Stadt Dan war; doch weil der Vierfürst Philippus es kürzlich aufgebaut hatte, hieß es nach ihm.
„Wer sagen die Leute, daß des Menschen Sohn sei?“ Der Sinn dieser Frage könnte so aussehen: Was redet man im Volk über den Erlöser, der Menschensohn geworden ist? Doch ist die Frage gerade umgekehrt gemeint: Was denken die Leute über Jesus, den Sohn der Maria? Dabei gebraucht Christus nach seiner Gewohnheit den Namen Menschensohn, als wenn er sagen wollte: Wie lautet das Urteil über mich, der ich nun Fleisch geworden bin und auf der Erde weile, ganz wie einer von den Menschen? Wie wir gleich sehen werden, war es Christi Absicht, seine Jünger in einem gewissen Glauben zu verankern, damit sie nicht bei den mancherlei Gerüchten über ihn hin und her schwankten.
Matth. 16, 14. „Etliche sagen, du seiest Johannes.“ Hier handelt es sich nicht um ausgesprochene Feinde Christi, auch nicht um gottlose Verächter, sondern um den noch gesünderen und weniger verdorbenen Teil des Volkes, gewissermaßen die auserlesene Blüte der Gemeinde. Denn die Jünger erwähnen nur solche, die mit Ehrerbietung über Christus sprechen. Und obwohl ihnen nun doch die Wahrheit vorgehalten wurde, trifft keiner von ihnen ins Schwarze, sondern sie verlieren sich alle in eigenen törichten Gedanken. Wir sehen daraus, wie beschränkt der menschliche Geist doch ist, daß er nicht nur von sich aus nichts Richtiges und Wahres erkennen kann, sondern auch noch wahre Grundsätze zu Irrtümern verdreht. Obwohl Christus das einige Zeichen für die Eintracht und den Frieden ist, durch das Gott die ganze Welt zu sich versammelt, nehmen viele das doch gerade zum Anlaß, um sich erst recht darüber zu streiten. Auch für die Juden konnte die Einheit des Glaubens nur in Christus bestehen. Aber gerade hier trennen sich nun die Ansichten, die doch früher einigermaßen übereinzustimmen schienen. Wir sehen auch, wie ein Irrtum den nächsten erzeugt: Da sich im Herzen des Volkes die Meinung festgesetzt hatte, daß die Seelen nach dem Tod des Menschen in einen anderen Körper übergingen, konnten sie überhaupt nur auf diese falschen Vorstellungen über Christus kommen. Doch wie zwiespältig die Juden auch durch das Kommen Christi unter sich wurden, den Frommen sollte das Gewirr der Meinungen nicht zum Hindernis werden, nach der wahren Erkenntnis über ihn zu streben. Denn wenn sich jemand unter einem solchen Vorwand der Trägheit hingibt und versäumt, nach Christus zu fragen, gibt es für ihn keine Entschuldigung. Um so weniger wird einer dem Gericht Gottes entkommen, wenn er wegen solcher Spaltungen vor Christus zurückschrickt und sich die falschen Ansichten der Leute zum Grund für seine Geringschätzung werden läßt, so daß er es gar nicht erst für der Mühe wert hält, sich Christus anzuschließen.
Matth. 16, 15. „Wer sagt denn ihr, daß ich sei?“ Hier nimmt Christus seine Jünger vom übrigen Volk aus, damit es noch deutlicher wird, wie unsinnig es ist, wenn wir uns von der Einheit des Glaubens abbringen lassen, mögen die andern auch noch so sehr unter sich gespalten sein. Denn alle, die sich Christus aufrichtig ergeben und niemals versuchen, aus ihrem Kopf etwas zu dem Evangelium dazuzuerfinden, wird das helle Licht keinen Augenblick verlassen. Doch dazu braucht man gespannte Wachsamkeit, um beständig an Christus festzuhalten, wenn die ganze Welt zu ihren falschen Erfindungen abfällt. Da Satan den Juden nicht nehmen konnte, was ihnen über das Kommen Christi im Gesetz und den Propheten zugesagt war, veränderte er den Christus und zerschnitt ihn gewissermaßen in Teile; auf diese Weise hielt er ihnen eine Reihe falscher Christusgestalten vor, damit der wahre Erlöser darunter verschwinde. Er hat auch später nicht aufgehört, Christus zu entstellen oder ihm eine ganz fremde Gestalt zu geben. Darum soll unter den unklaren, verworrenen Stimmen der Welt immer dieses Wort Christi an unser Ohr dringen, das uns von den schwankenden, irrenden Menschen trennt, damit wir nicht auch zu der großen Mehrheit gehören und unser Glaube den verschiedenen Meinungsströmungen ausgesetzt ist.
Matth. 16, 16. „Du bist Christus.“ Es ist ein kurzes Bekenntnis, aber es schließt die ganze Fülle unseres Heils in sich. Denn unter dem Namen „Christus" wird sein ewiges Königreich und Priestertum zusammengefaßt, wodurch er uns mit Gott versöhnt, mit seinem Sühnopfer die vollkommene Gerechtigkeit für unsere Sünden erlangt und uns, die wir in seinen Frieden und seinen Schutz aufgenommen sind, auch dabei bewahrt, uns verherrlicht und durch alle Arten seines Segens reich macht. Markus hat nur: „Du bist der Christus“, Lukas darüber hinaus: „Der Christus Gottes“. Der Sinn ist jedoch der gleiche. Denn als Gesalbten Gottes, und das heißt ja Christus, bezeichnete man einst auch die Könige, die von Gott gesalbt worden waren. Denselben Ausdruck hat Lukas (vgl. 2, 26) gebraucht, als er erzählte, Simeon sei eine Antwort vom Himmel gegeben worden, daß er nicht sterben sollte, bevor er den Christus des Herrn gesehen hätte. Denn die Erlösung, die Gott durch seinen Sohn darbot, war ein durch und durch göttliches Werk. Darum mußte der zukünftige Erlöser durch die Salbung Gottes ausgezeichnet sein und vom Himmel kommen. Bei Matthäus ist der Ausruf noch klarer: „Sohn des lebendigen Gottes“. Denn wenn Petrus vielleicht auch noch nicht so genau begriff, inwiefern Christus von Gott abstammte, so hielt er ihn doch für so einzigartig, daß sein Ursprung bei Gott sein mußte, und zwar nicht in der Form wie die anderen Menschen, sondern damit in seinem Fleisch die lebendige, wahre Gottheit wohne. Wenn Gott der „Lebendige" genannt wird, so wird damit unterschieden zwischen ihm und den toten Götzen, die ein Nichts sind.
Matth. 16, 17. „Selig bist du, Simon.“ Wenn das ewige Leben so aussieht, daß man den einigen Gott erkennt und den, den er gesandt hat, Jesus Christus, so nennt Christus Petrus mit vollem Recht selig, weil er das von ganzem Herzen bekannt hat. Doch sagte er das nicht nur für Petrus allein, sondern er wollte damit zeigen, wo die einzige Glückseligkeit für die ganze Welt liegt. Damit jeder einzelne mit um so größerer Sehnsucht nach Christus verlangt, muß man zuerst betonen, daß alle von Natur aus elend und verdammt sind, bis sie in Christus Heilung finden. Dazu kommt, daß dem, der von Christus ergriffen ist, gar nichts mehr zur vollkommenen Seligkeit fehlt, da man ja nichts Besseres wünschen kann als die ewige Herrlichkeit Gottes, zu deren Besitz uns Christus hinführt.
„Fleisch und Blut hat dir das nicht offenbart.“ Anhand der Gestalt dieses einen Menschen erinnert Christus alle daran, daß der Glaube von seinem Vater erbeten werden muß und daß er allein der Gnade Gottes zuzuschreiben ist. Denn „Fleisch und Blut" wird hier der besonderen Erleuchtung durch Gott gegenübergestellt. Wir sehen daraus, daß dem menschlichen Geist die Fähigkeit fehlt, die Geheimnisse der himmlischen Weisheit, die in Christus verborgen sind, zu erfassen. Ja, alle menschlichen Sinne versagen in dieser Beziehung, bis uns Gott die Augen öffnet, damit wir seine Herrlichkeit in Christus erkennen. Niemand soll sich darum auf seinen Verstand verlassen und sich stolz hervortun, sondern wir sollen uns demütig von dem Vater des Lichts innerlich darüber belehren lassen, daß allein sein Geist unsere Finsternis erhellen kann. Wem aber der Glaube bereits geschenkt ist, möge sich an seine eigene Blindheit erinnern und, dankbar für das Empfangene, lernen, Gott zu geben, was Gottes ist.
Matth. 16, 18. „Und ich sage dir auch.“ Mit diesen Worten erklärt Christus, wie sehr ihm das Bekenntnis des Petrus gefällt; darum schenkt er ihm auch eine so reiche Belohnung. Denn obwohl er seinem Jünger Simon bereits den Beinamen Petrus gegeben und ihn aus freier Gnade zu seinem Apostel bestimmt hatte, tut er doch so, als wären diese Gnadengaben eine Belohnung für den Glauben, wie es in der Schrift des öfteren geschieht. Zudem wird Petrus einer doppelten Ehre gewürdigt: Die erste Aussage betrifft sein persönliches Heil, die zweite meint sein Apostelamt. Wenn Christus sagt: „Du bist Petrus“, so bestätigt er damit, daß er ihm diesen Beinamen damals nicht von ungefähr gegeben hat; denn er soll ein lebendiger Stein am Tempel Gottes sein und dauerhaft darin bleiben. Obwohl das auch für alle Gläubigen gilt, von denen jeder einzelne ein Tempel Gottes ist und die, im Glauben vereinigt, zusammen den einen Tempel Gottes bilden (vgl. Eph. 2, 20), wird doch Petrus unter den andern mit einer besonderen Betonung genannt, so wie ja jeder an seiner Stelle nach dem Maß der Gabe Christi mehr oder weniger empfängt.
„Auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde.“ Hier wird klar, inwiefern der Name „Fels“ (Petrus) sowohl für Simon wie dann auch für die andern Gläubigen gedacht ist. Denn sie sind alle auf den Glauben an Christus gegründet und fügen sich in heiliger Einmütigkeit zur geistlichen Behausung zusammen, so daß Gott mitten unter ihnen wohnt. Christus erklärt, das sei das gemeinsame Fundament für die ganze Gemeinde und er wolle damit alle Gläubigen, die es in Zukunft in der Welt geben werde, Petrus zugesellen. Er hätte auch sagen können: Ihr seid zwar nur ein kleines Häuflein von Menschen, und darum fällt dieses euer Bekenntnis im Augenblick nur wenig ins Gewicht, aber bald wird die Zeit kommen, wo es großartig herauskommt und sich weit verbreitet. Das trug viel dazu bei, die Jünger in ihrer Standhaftigkeit zu bestärken; denn obgleich ihr Glaube noch unbekannt und von den andern verachtet war, waren sie doch die vom Herrn Erwählten, gewissermaßen Erstlinge, damit aus dem geringgeachteten Anfang endlich einmal die neue Gemeinde entstehe, die siegreich bleiben sollte gegenüber allen Angriffen der Hölle. Die weitere Zusage: „Die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen“, verheißt den Jüngern, daß die Gemeinde in ihrer Festigkeit von aller Macht des Satans nicht überwältigt werden wird; denn die Wahrheit Gottes, auf die sich ihr Glaube stützt, wird in Ewigkeit unerschütterlich bestehen. Diesem Satz entspricht auch die Stelle 1. Joh. 5, 4: „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat." Diese herrliche Verheißung ist besonders zu beachten: Alle in Christus Vereinten, die ihn als den Christus und Mittler anerkennen, werden bis zum Ende vor jeglichem Schaden bewahrt bleiben. Denn was von dem ganzen Leib gesagt wird, gilt auch für jedes einzelne seiner Glieder, sofern sie in Christus eins sind. Wir werden hier jedoch auch daran erinnert, daß die Gemeinde, solange sie auf der Erde als Fremdling weilt, keine Ruhe haben, sondern vielen Anfeindungen ausgesetzt sein wird. Denn Christus erklärt darum, der Satan werde unterliegen, weil dieser als beständiger Feind der Gemeinde auftreten wird. Wie wir uns also im Vertrauen auf dieses Wort Christi getrost gegenüber dem Satan rühmen können und bereits im Glauben über alle seine Anschläge triumphieren, müssen wir auf der anderen Seite auch wissen, daß uns gewissermaßen das Signal geblasen ist, daß wir immer gerüstet und bereit sind, den Kampf aufzunehmen. Der Ausdruck „Pforten" soll zweifellos die Macht und das starke Bollwerk der Hölle bezeichnen.
Matth. 16, 19. „Ich will dir des Heimmelreichs Schlüssel geben.“ Hier beginnt Christus mit einer Auseinandersetzung über das öffentliche Amt der Apostel, dessen Würde mit einem doppelten Lob versehen wird. Christus nennt die Diener am Evangelium Türhüter des Himmelreichs, weil sie über seine Schlüssel verfügen. Und dann fügt er hinzu, sie hätten die Macht, zu binden und zu lösen, und zwar sei das auch im Himmel wirksam. Das Bild der Schlüssel paßt sehr gut auf das Lehramt. Luk. 11, 52 sagt Christus ja auch von den Schriftgelehrten und Pharisäern, sie hätten gleichsam die Schlüssel zum Himmelreich in der Hand, weil sie Ausleger des Gesetzes waren. Wir wissen ja, daß nur das Wort Gottes uns die Tür zum Leben auftun kann. Daraus folgt, daß den Dienern am Wort der Schlüssel gewissermaßen in die Hand gegeben ist. Daß von Schlüsseln in der Mehrzahl die Rede ist, erklären manche Ausleger damit, daß die Apostel ja nicht nur den Auftrag haben zu öffnen, sondern auch zu schließen. Das klingt ganz glaubwürdig, wenn man es aber weniger scharfsinnig auffassen möchte, verfehlt man auch nicht den Sinn. Man muß jedoch fragen, warum der Herr erst jetzt verheißt, daß er Petrus die Schlüssel geben werde, wo es doch früher so schien, als habe er sie ihm mit der Wahl zum Apostel bereits anvertraut. Die Antwort habe ich schon in Matth. 10 gegeben, wo ich gesagt habe, daß jene zwölf anfänglich nur Herolde auf Zeit waren. Als sie dann zu Christus zurückkehrten, hatten sie ihren Auftrag erfüllt. Erst nachdem Christus von den Toten auferstanden war, begann ihre Tätigkeit als ordentliche Lehrer der Gemeinde. Im Blick auf diese kommende Zeit wird ihnen diese Ehre hier übertragen.
„Was du auf Erden binden wirst.“ Das zweite Bild oder Gleichnis gibt im eigentlichen das Vergeben der Sünden wieder. Denn Christus, der uns durch sein Evangelium von der Strafe des ewigen Todes befreit, löst die Fesseln der Verdammung, mit denen wir gebunden sind. Er bezeugt hier also, daß die Predigt des Evangeliums dazu bestimmt ist, unsere Bande zu lösen, so daß wir, wenn wir durch das Wort und das Zeugnis von Menschen gelöst sind, tatsächlich auch im Himmel los sind. Aber da sehr viele nicht nur die dargebotene Erlösung in gottloser Weise verschmähen, sondern sich durch ihren Trotz ein noch schwereres Urteil zuziehen, wird den Dienern am Evangelium auch die Vollmacht und der Auftrag zum Binden gegeben. Doch muß man beachten, daß das eigentlich etwas dem Evangelium Fremdes und gewissermaßen gegen seine Natur ist. So schreibt auch Paulus, als er über die Strafe spricht, die er für alle Ungläubigen und Aufrührer bereit hat, im Anschluß daran sofort: „wenn euer Gehorsam völlig geworden ist" (2. Kor. 10, 6). Denn wenn die Verworfenen nicht durch ihre Schuld das Leben in Tod verkehren würden, wäre das Evangelium für alle eine Kraft Gottes zur Seligkeit.
Da jedoch beim Hören des Evangeliums die Gottlosigkeit vieler Menschen erst so richtig hervorbricht und den Zorn Gottes nur noch mehr herausfordert, muß das Evangelium für solche Leute ein Geruch des Todes werden. Christus will also mit seiner Verheißung die Seinen in dem Heil bestärken, das im Evangelium verheißen wird, daß sie es ebenso zuversichtlich erwarten, als wenn er selbst als Zeuge vom Himmel herabkäme. Umgekehrt will er aber auch den Verächtern des Evangeliums einen Schrecken einjagen, damit sie nicht glauben, sie könnten mit den Dienern am Wort ungestraft ihren Spott treiben. Beides war sehr nötig: Denn da uns der unvergleichliche Schatz des Lebens in zerbrechlichen Gefäßen angeboten wird (vgl. 2. Kor. 4, 7), würde das Vertrauen darauf jeden Augenblick ins Wanken geraten, wenn uns nicht auf diese Weise die Vollmacht der ewigen Verkündigung verbrieft würde.
Auf der anderen Seite führen sich die Gottlosen so frech und übermütig auf, weil sie meinen, sie hätten es nur mit Menschen zu tun. Darum erklärt Christus, daß durch die Verkündigung des Evangeliums auf der Erde enthüllt werde, wie das himmlische Urteil Gottes einmal aussehen wird, und daß von nirgend anders her die Gewißheit über Leben und Tod zu erhoffen sei. Es ist dann eine große Ehre, daß wir Boten Gottes sind, um der Welt ihr Heil zu bezeugen. Das Herrlichste am Evangelium ist, daß es die Botschaft der gegenseitigen Versöhnung zwischen Gott und Menschen genannt wird. Und das ist dann ein wunderbarer Trost für die frommen Herzen, daß sie wissen, die Botschaft des Heils, die ihnen so ein sterbliches Menschlein bringt, hat Gültigkeit vor Gott.
Inzwischen mögen die Gottlosen über die Botschaft, die im Auftrag Gottes verkündigt wird, spotten, solange es ihnen Spaß macht. Irgendwann einmal werden sie dann doch merken, wie wahr und wie ernst Gott ihnen durch den Mund von Menschen gedroht hat. Mit dieser Zuversicht gewappnet, können dann die frommen Lehrer für sich und für andere furchtlose Bürgen für die lebendig machende Gnade Gottes sein und genauso beherzt gegen die schroffen Verächter ihrer Verkündigung ihre Blitze schleudern. Nachdem ich nun den wahren Sinn dieser Worte deutlich auseinandergesetzt habe, dürfte alles klar sein, wenn nicht der römische Antichrist diese Stelle als Vorwand benutzte, um seine Tyrannei zu rechtfertigen, und es wagte, sie ebenso gottlos wie unverschämt von Grund aus zu verdrehen.
Obgleich ebendieses Licht der richtigen Auslegung, mit dem ich gearbeitet habe, zu genügen scheint, um die Finsternis dieser Stelle zu erhellen, will ich die faulen Verdrehungen aufzeigen, nur kurz, damit fromme Leser nicht lange damit aufgehalten werden. Zunächst wird behauptet, Petrus heiße das Fundament der Gemeinde. Wer sieht jedoch nicht, daß das, was der Papst auf die Person eines Menschen bezieht, vom Glauben des Petrus an Christus gesagt ist? Ich gebe zu, daß im Griechischen der Name Petrus soviel bedeutet wie petra, der Fels. Nur ist der Eigenname attischer Herkunft, während das zweite Wort aus der Umgangssprache stammt.
Aber diese beiden unterschiedlichen Formen hat Matthäus nicht unüberlegt gesetzt, damit man einfach nach Belieben das Geschlecht der beiden Worte vertauschen kann, sondern er wollte damit etwas anderes ausdrücken: Ich glaube, daß Christus in seiner Sprache damit einen Unterschied hervorhob. So erinnert auch Augustin sehr klug daran, daß nicht petra, der Fels, von Petrus abgeleitet wurde, sondern daß Petrus von petra herkommt, so wie wir Christen alle unseren Namen von Christus haben.
Um mich kurz zu fassen: Wir halten uns unbeirrt an das Wort des Paulus (1. Kor. 3, 11), daß die Gemeinde außer Christus allein keinen andern Grund haben kann, und es ist eine Gotteslästerung, wenn der Papst ein anderes Fundament erfunden hat. Schon aus diesem einen Grund müssen wir die Tyrannei des Papsttums verachten. Es fehlen einem einfach die Worte, wenn man sieht, daß der Papst zu seinen Gunsten der Gemeinde das Fundament entzogen hat, damit der offene Schlund der Hölle die armen Seelen verschlinge.
Dazu kommt, daß dieses Wort: „auf diesen Felsen“, noch gar nicht das öffentliche Amt des Petrus im Blick hat, sondern daß ihm damit nur unter den andern heiligen Steinen am Tempel Gottes eine von den besonderen Stellen zugeteilt wird. Was dann an ehrenden Worten folgt, bezieht sich allerdings auf das Apostelamt. Daraus folgt, daß Petrus nichts gesagt wird, was nicht auch für seine übrigen Kollegen zuträfe. Denn wenn sie die Apostelwürde gemeinsam haben, muß ihnen auch gemeinsam sein, was damit verbunden ist. Christus redet nun Petrus allein mit Namen an: Nun, wie er allein im Namen aller bekannte, daß Christus Gottes Sohn sei, so richtet Christus sein Wort nun auch an ihn allein; es trifft in gleicher Weise jedoch auch für die andern zu.
Beachtenswert ist auch der Grund, den Cyprian und andere Ausleger anführen, daß Christus alle unter einer Person angeredet habe, um ihnen damit die Einheit der Kirche ans Herz zu legen. Man behauptet, Petrus würde allen anderen vorangestellt, weil ihm das ganz allein gesagt wurde. Damit erklärt man aber, er sei in höherem Maß Apostel gewesen als seine Amtsbrüder. Die Vollmacht, zu binden und zu lösen, läßt sich aber vom Lehr- und Apostelamt genauso wenig trennen wie die Wärme oder das Licht von der Sonne. Zugegeben aber, Petrus wäre ein wenig mehr zugestanden worden als den übrigen Aposteln, so daß er unter ihnen eine hervorragende Stelle eingenommen hätte, so ist es jedoch töricht, wenn die Papisten das dazu aufbauschen, daß ihm damit die erste Stelle, der Primat, gegeben sei und er das allgemeine Haupt der ganzen Kirche sei. Denn zwischen Würde und Herrschaft ist doch noch ein Unterschied, und es ist noch etwas anderes, unter einigen wenigen die höchste Ehrenstellung zu haben, als die ganze Welt unter seine Ellenbogen zu drücken. Und sicher hat Christus Petrus keine größere Last auferlegt, als er tragen konnte. Es ist ihm aufgetragen, der Türhüter des Himmelreichs zu sein, er soll durch Binden und Lösen die Gnade Gottes verwalten, und er soll Gottes Urteil auf der Erde vollstrecken; natürlich all das nur, soweit die Fähigkeit eines sterblichen Menschen zureicht. Was ihm also gegeben wurde, ist auf das Maß der Gnade zu beschränken, mit der er zum Aufbau der Gemeinde beschenkt wurde.
So fallt also die unermeßliche Herrschaft, die die Papisten ihm zusprechen, dahin. Aber vorausgesetzt, über Petrus gäbe es überhaupt nichts zu streiten, so folgt daraus doch gar nichts für die Tyrannei des Papstes. Denn kein vernünftiger Mensch wird den Papisten zugestehen, daß das Sonderrecht, das sie an sich gerissen haben, Petrus hier dazu gegeben wurde, damit er es wie ein rechtmäßiges Erbe dann seinen Nachfolgern weitergebe. Es wird ihm gar nicht zugestanden, seinen Nachfolgern irgend etwas zu erlauben. So machen die Papisten aus einem ihnen fernstehenden Petrus einen sehr freigebigen Petrus. Endlich, wenn es auch eine apostolische Sukzession gäbe, kann der Papst doch nichts damit anstellen, solange er sich nicht als der rechtmäßige Nachfolger des Petrus erwiesen hat.
Woher aber nimmt er den Beweis? Etwa weil Petrus in Rom gestorben ist? Dann wäre Rom ja durch den ruchlosen Mord des Apostels zu dieser Vorrangstellung gekommen! Aber die Papisten behaupten auch, er wäre dort Bischof gewesen. Daß das ein Märchen ist, habe ich ausführlich in meiner Institutio (Unterricht in der christlichen Religion) gezeigt, und ich halte es für besser, wenn man dort die völlige Behandlung dieses Arguments nachschlägt, als daß ich meine Leser hier mit Wiederholungen nur langweile.
Hier sei zum Schluß nur noch kurz hinzugefügt: Wenn der römische Bischof auch zu Recht der Nachfolger des Petrus gewesen wäre, würde ihm doch das, was Christus den Nachfolgern des Petrus übertragen hat, nichts helfen, weil er sich durch seine Untreue diese Würde verscherzt hat. Daß der Hof des Papstes in Rom ist, weiß jeder; aber man kann dort keinen Anhaltspunkt für eine Kirche finden. Vor dem rechten Hirtenamt hat er ebensolchen Abscheu, wie er begierig für seine Vorherrschaft kämpft. Auf jeden Fall muß man das sagen: Wenn Christus auch nichts unterlassen hätte, die Erben des Petrus auszuzeichnen, so verschwenderisch wäre er nicht gewesen, daß er die ihm gebührende Ehre auf Abtrünnige übertragen hätte.
Aus: Otto Weber, Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift. Dreizehnter Band: Die Evangelien-Harmonie 2. Teil, Neukirchener Verlag, 1974, S. 58ff.
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