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Das Gleichnis vom Klavier - Predigt über 1. Korinther 15, 35 – 44a
von Rolf Wischnath
1. Korinther 15, 35 – 44a
35 Wie werden denn die Toten auferweckt? Und mit was für einem Leib kommen sie? 36 Du Tor, was du säst, wird nicht lebendig gemacht, wenn es nicht zuvor stirbt. 37 Und was du säst, damit säst du nicht den Leib, der werden soll, sondern ein bloßes Korn, zum Beispiel von Weizen oder von irgend etwas andrem. 38 Gott aber gibt ihm einen Leib, wie er gewollt hat, und zwar jeder Samenart einen besondern Leib. 39 Nicht jedes Fleisch ist dasselbe Fleisch; sondern anders ist das der Menschen, anders das Fleisch der vierfüßigen Tiere, anders das Fleisch der Vögel, anders das der Fische. 40 Und es gibt himmlische Leiber und irdische Leiber, aber anders ist der Glanz der himmlischen, anders der der irdischen. 41 Anders ist der Glanz der Sonne und anders der Glanz des Mondes und anders der Glanz der Sterne; denn Stern unterscheidet sich von Stern durch den Glanz. 42 So ist es auch mit der Auferstehung der Toten. Es wird gesät in Verweslichkeit, es wird auferweckt in Unverweslichkeit; 43 es wird gesät in Unehre, es wird auferweckt in Herrlichkeit; es wird gesät in Schwachheit, es wird auferweckt in Kraft; 44 es wird gesät ein natürlicher Leib, es wird auferweckt ein geistiger Leib.
„Ich glaube an die Auferstehung der Toten.“ Das sprechen wir Sonntag für Sonntag. Es gehört zum Grundbestand unseres Glaubens. Die Älteren werden sich erinnern, dass es früher hieß: „Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches.“ Wie soll ich mir das vorstellen – eine „Auferstehung der Toten“ – oder gar eine „Auferstehung des Fleisches“? Wie wird das zugehen? Wie werden unsere Toten auferstehen? Mit was für Leibern? Sollen da Leichen wiederbelebt werden? Soll ich mir vorstellen, dass Gott am Ende der Tage aus den Resten der Leiber etwas Neues zusammenbaut? „Auferstehung des Fleisches“? Soll man sich das denken als eine Art Replastinierung von Leichen. Das ist doch eine eher grauenhafte Vorstellung.
In seinem 1. Brief an die Korinther, im großen Auferstehungskapitel 15 bedenkt Paulus die Auferstehung Jesu und die Auferstehung der Toten. Dort kommt er auf all diese Fragen zu sprechen. Er sucht nach Bildern, um sich und uns das zu erklären und um die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten nicht untergehen zu lassen in gedanklichen Verwirrungen . Und Paulus sagt es so: "Was du säst, wird nicht lebendig gemacht, wenn es nicht zuvor stirbt. Und was du säst, damit säst du nicht den Leib, der werden soll, sondern ein bloßes Korn, zum Beispiel von Weizen oder von irgend etwas anderem. Gott aber gibt ihm einen Leib, wie er gewollt hat, und zwar jeder Samenart einen besonderen Leib." Verstehen wir das Bild?
Nicht wahr, sagt der Apostel, das kennt ihr doch, selbst wenn ihr Städter seid: der Samen verschwindet in der Erde, als ob er begraben wird. Und doch wisst ihr genau: Aus dem ausgesäten Samen kommt neues Leben, ein neuer Keim, eine Pflanze. So ähnlich geht es mit der Auferstehung des Fleisches: Auch unser Leib wird begraben und verwest, und doch wird Gott einmal einen neuen Leib ins Leben rufen. Wie am Schöpfungstag, wie ganz am Anfang aller Zeit wird Gott das Wort sprechen: „Es werde ….“. Und so war es ja auch am Ostermorgen im Blick auf den Gekreuzigten und das Grab des Joseph von Arimathia. Jesus ist nicht reanimiert worden. Vielmehr ist er seinen Jünger „in anderer Gestalt“ als vorher erschienen. „Mit einer anderen Gestalt“ – so wird es sein und so werden wir einander begegnen.
Paulus vergleicht den Menschenleib mit einem Samenkorn und im Blick auf den Leib unserer Toten, im Blick auf unseren eigenen, dem Tode entgegenlaufenden Leib sagt er: „Was gesät wird, ist verweslich, was auferweckt wird, unverweslich. Was gesät wird, ist armselig, was auferweckt wird, herrlich. Was gesät wird, ist schwach, was auferweckt wird, ist stark. Gesät wird ein irdischer Leib, auferweckt ein überirdischer Leib.“
Also vergeht dieser irdische Leib als die irdische Weise der Gegenwart eines Menschen für sich und die anderen und als Instrument der Welterfahrung während unserer irdischen Zeit. Nicht aber vergeht der von Gott geliebte und gerettete Mensch in seiner von Gott gewollten und erhaltenen Gestalt. Nicht vergeht die diesem Menschen zugedachte und zugeeignete Gnade in Christus. Diese Beziehung eines Menschen zu Gott in Christus, das ist seine Identität – das ist der Mensch selber, den Gott nicht vernichtet und im Tode nicht der Vernichtung preisgibt.
Unsere Väter und Mütter haben an dieser Stelle des Auferstehungsglaubens „von der unsterblichen Seele“ gesprochen, die übrig bleibt. Sie bleibt vor Gott – im Gegenüber zu Gott. Und unsere katholischen Schwestern und Brüder haben an dieser Redeweise festgehalten, aber leider auch bis heute festgehalten an der Vorstellung eines Feuers, des Fegefeuers, in welchem die armen Seelen der Sünder büßen und Pein leiden müssen, bis sie ganz geläutert und gereinigt sind von ihrer Schuld. Das haben wir Evangelischen seit Luther nicht mitgemacht, weil wir an die Rechtfertigung des Gottlosen „allein durch Gottes Gnade“ in Christus glauben.
Aber durch die problematische Rede vom Fegefeuer wird m. E. die Rede von der bleibenden Seele vor Gottes Angesicht nicht unmöglich gemacht. Was ist die „Seele“? Sie ist zu unterscheiden vom Leib und vom Geist. Sie ist die im Menschen lebendige Strebekraft der Übereinstimmung mit sich selbst (Christof Gestrich). Die Seele steht für die Identität der menschlichen Person, die einmalig ist. Und ihre Existenz reicht über den Tod hinaus. Die Seelen unserer Toten sind vor Gott, und auch unsere Seelen werden einmal vor Gott sein. Und Gott arbeitet an der Vollendung unsere Seelen bis zum Tag der Auferstehung und dem Tag der Neuschaffung des Himmels und der Erde und eines neuen Leibes für dich und mich.
D.h. unsere Seele, die unsere Identität wahrt, sie soll einmal zu einer neuen Leibhaftigkeit kommen, zu einer anderen Leiblichkeit, ja zu einer neuen, ganz anderen Materialität. Aber was geschieht mit ihr bis dahin? Ich glaube, dass bis dahin unsere Seelen (und die der vor uns Davongegangenen) bewahrt sind von Gott und vor Gott. Wir werden dann keine Pein leiden, wir sind vielmehr lebendig und auch einander zugewandt in Hut, ganz und gar in der Hut Gottes. Aber noch nicht gänzlich erlöst.
Jedoch nun habe ich bisher sehr abstrakt, möglicherweise etwas zu sehr dogmatisch gesprochen Darum möchte ich das Gemeinte und Gesagte in einem Bild, einem Gleichnis[1] zu sagen versuchen.
Stellen Sie sich einmal einen Pianisten vor, einen begnadeten Klavierspieler, z. B. so begnadet und versiert wie unser Gemeindglied Peter Kreutz mit der wunderbaren Konzertreihe „Forum Lied“. Kreutz kann in der Gabe und Gnade, die ihm geschenkt ist, Mozart spielen, Schubert oder Brahms, oder Rachmaninow – oder die Goldberg-Variationen von Bach. Was wir Hörer zu hören bekommen ist das sehr differenzierte Anschlagen der Filzhämmerchen auf den Saiten des Flügels. Jeder aber sagt, der da spielt Mozart.
Aber wir machen uns klar: Peter Kreutz hat die Töne des Konzerts meistens in seinem Kopf, er kennt jede Note und könnte das ganze Werk auswendig vorsummen oder mit den Lippen pfeifen; das Konzert „lebt“ in ihm - auch ohne Klavier. Um das Stück aber zu spielen, braucht er einen guten Flügel. Er kann die Klavierstücke darauf so gut spielen, wie er es beherrscht und wie gut das Instrument ist. Selbst bei höchster Qualifikation käme nur ein bedauerlich-peinliches Ergebnis heraus, wenn Peter Kreutz nur ein völlig verstimmtes, heruntergekommenes Instrument zur Verfügung – beispielsweise ein Wirtshausklavier, in das bei entsprechender Stimmung und Laune auch schon mal ein Glas Bier geschüttet worden ist. Aber bleiben wir bei diesem Bild:
Das Säen in Schwachheit und das Auferwecken in Stärke, von dem Paulus in seinem Gleichnis spricht, das wäre das Überwechseln des Pianisten von jenem unbrauchbar gewordenen Wirtshausklavier zu einem herrlichen, vollkommenen, einem Steinway-Flügel, wie ihn Peter Kreutz besitzt. Nach dem Wirthausklavier schaut niemand mehr; keiner käme auf die Idee, es zu reparieren angesichts des herrlichen neuen Instruments der Marke „Steinway“. Der Pianist Peter Kreutz aber ist der gleiche; vor allem jedoch ist sein Spiel dasselbe und identisch wie vorher und zugleich ganz anders, radikal neu.
So stelle ich mir die Auferstehung von den Toten vor: Der neue, andere Leib ist wie der neue Flügel. Das Wirthausklavier, mein alter Leib, ist schrottreif. Dahin ist unsere verstorbene, tote Gestalt, die am Ende unserer irdischen Tage begraben oder verbrannt wird. Und unsere Seele, sie ist das Kontinuum zwischen dem Alten und dem Neuen. So wie der Pianist seine Begabung vom alten zum neuen Instrument mitnimmt, so tritt unsere Seele vor das Angesicht Gottes, und sie bleibt in der Gegenwart und in der Anschauung Gottes bis zum Tag der endgültigen Auferstehung, an dem Gott erfüllen wird, was er versprochen hat, den neuen Himmel, die neue Erde, unsere neue andere Leiblichkeit, für die die „andere Gestalt“ Jesu, von der die neutestamentlichen Osterzeugen sprechen, ein gewisses Unterpfand ist.
So bildhaft stelle ich mir das mit der Unsterblichkeit der Seele und der Auferstehung vor. Und doch sehe ich, dass auch dieses Beispiel sogleich an seine Grenze kommt:
Denn nicht wir sind es ja, die vom alten zum neuen Klavier wechseln. Gott wird es sein, der neues Leben aus dem Toten schaffen wird. Es wird Gott sein, dessen Wort mächtiger sein wird als die Macht des Todes. Gott wird es sein, der den Menschen ein neues Leben schenkt. Wir werden wieder da sein, so wie der Gekreuzigte wieder da war und doch ganz neu und anders da war: Sein sterblicher Leib und seine unsterbliche Seele - neu und anders und doch identisch mit dem gekreuzigten Leib und der lebenden Seele. Und so auch wir: Unsere sterblichen Leiber, unsere bewahrten Seelen - neu und anders, und doch identisch mit dem alten. Denn Gott hat des Gekreuzigten gedacht und ihm recht gegeben; und um seinetwillen gedenkt er an uns, ruft uns bei unserem Namen, hat uns lieb und will darum auch dem Tod nicht preisgeben: uns - die Werke seiner Hände.
Das also ist es mit der Auferstehung der Toten, die wir im Glauben bekennen. Das ist es! So denke ich es mir und sage: Lasst Euch diese Hoffnung nicht ausreden! Auch wenn es arme, vorläufige, nicht zureichende Worte sind, die sie in dieser Predigt beschreiben. Auch von solchen Worten, von unseren Vorstellungen, Bildern und Gleichnissen gilt, was Paulus schreibt: "Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Unehre, es wird auferweckt in Herrlichkeit; es wird gesät in Schwachheit, es wird auferweckt in Kraft" (V. 42f.).
[1] Vgl. zur Idee dieses Gleichnisses: M. Kunzler, Amen, wir glauben – Paderborn 1998, S. 642 f.
Gehalten in der Apostelkirche zu Gütersloh
Prof. Dr. Rolf Wischnath
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