Wissen
Was ist reformiert?
Geschichte
Biografien
Glauben/Theologie
Jesus Christus
Heiliger Geist
Bibel
Gesetz und Evangelium
Bilderverbot
Taufe
Erwählung / Prädestination / Vorherbestimmung
Hoffnung
Sünde
Schöpfung
Ethik
Diakonie
Abendmahl
Ehe
Bund
Bekenntnis
Gebet/Psalmen
Kirchenverständnis
Ökumene / Dialog mit dem Judentum
Islam - Muslime in Deutschland
Mission
Religion / Theologie der Religionen
Ewiges Leben im biblischen Zeugnis
Hoffnung, Tod und Auferstehung im Alten und Neuen Testament
I. Problemanzeigen
„Gibt es ein Weiterleben nach dem Tod?“ – „Werden wir unsere Lieben wieder sehen?“ – „Kommen wir ins Paradies?“ – „Werden wir auferstehen zum Gericht?“ –„Was kommt überhaupt nach dem Tod?“ Das sind Fragen, die so oder ähnlich die Menschen beschäftigen. Einfache Antworten sind heute unmöglich geworden. Jede und jeder muss sie letztlich mit dem eigenen Leben geben; denn der Tod ist die ureigenste Sache jedes Menschen.
Hilfreiche Antworten müssen klar und verständlich sein und haben – wie die Fragen, auf die sie antworten - ihren Ort in der jeweiligen Lebens- und Gesprächssituation. Die Individualisierung bewirkt, dass Antworten aus der Tradition, auch der christlichen, oftmals mit Skepsis begegnet wird, während zum Beispiel Reinkarnationsvorstellungen vielen Menschen plausibel erscheinen. Rein biologische Antworten vermögen keine Sinnzusammenhänge zu erschließen.
Charakteristisch für viele religiöse Vorstellungen und damit auch für die Frage, was nach dem Tod zu erwarten sein, ist es heute, dass das jeweils individuell Passende und Überzeugende aus verschiedenen Elementen kombiniert wird. Vorstellungen von einem Leben nach dem Tod sollen in Kopf und Herz das Individuelle und Persönliche mit dem Ganzen und Ewigen verbinden. Daneben gibt es Einstellungen, für die sich mit dem Tod das definitive Ende der individuellen Existenz verbindet. Die christliche Rede vom Leben nach dem Tod gründet in der Hoffnung und im Glauben. Dabei trägt die Rede vom ewigen Leben auch etwas zum Verständnis vom Menschen allgemein bei; denn die Würde des Menschen endet nicht mit dessen Tod.
Im Umgang mit dem Tod zeigen sich auch Widersprüche: während die Trauer emotionalisiert wird – zum Beispiel durch die vielfältigen Bemühungen um eine persönliche Gestaltung von Trauerfeiern -, gibt es Tendenzen, die Bestattung zu anonymisieren.
Darauf, dass mit dem Tod nicht alles aus sei, vertrauen viele Menschen; dabei werden christliche Hoffnungen nicht selten umgeformt. Daran wird eine Differenz zwischen elementaren religiösen Fragen und kirchlichen Antworten sichtbar. Menschen brauchen tröstende Bilder, die das Gefühl mit konkreten Vorstellungen anzusprechen vermögen. Empirische Befunde dazu, woran Menschen glauben, belegen als Gemeinsames die Vorstellung von der Unsterblichkeit.
Daraus ergibt sich die Frage: Wie kann in Predigt, Unterricht, Bildung und Seelsorge so vom Leben nach dem Tod gesprochen werden, dass die Vorstellung von der Unsterblichkeit nicht einfach zurückgewiesen wird, sondern von der Auferstehungsbotschaft her vertieft zur Sprache kommt? Mit anderen Worten: Wie kann einerseits erkennbar biblisch, vom Zentrum der Auferstehungsbotschaft her, über die Vollendung des Lebens gesprochen und so allgemeinen Jenseitsphantasien begegnet werden? Und wie kann andererseits die Hoffnung auf das ewige Leben so zur Sprache gebracht werden, dass die Aussagen nicht zu bild- und vorstellungsarm sind, damit sie gegenüber den so anschaulichen Seelenwanderungsvorstellungen ihre Kraft erweisen können?
II. Das biblische Zeugnis
In biblischer Zeit hat sich in Israel die Einsicht in eine den Tod des Menschen übersteigende Treue Gottes erst allmählich entwickelt. Hingegen ist in den neutestamentlichen Schriften die Erwartung einer Auferstehung der Toten und eines ewigen Lebens durchgängig vorausgesetzt.
Die Bibel schildert Leben und Tod realistisch, nüchtern und ohne Verklärung. Alles, was lebt, muss sterben. Der Tod begrenzt das Leben auf natürliche Weise. Die Toten erwartet im Alten Orient kein beneidenswertes Los; auf sie wartet lediglich eine Schattenexistenz im Totenreich. Bestattet wird man im 1. Jahrtausend v. Chr. nach Möglichkeit im Familiengrab, allerdings haben sich im Laufe der Jahrtausende die Bestattungsformen stark verändert. Man kennt die rituelle Pflege des Totengedächtnisses. Die toten Ahnen gehören zur Familie. Man lebt stets auf vielfältige Weise in der Gemeinschaft mit den Toten. Ein gewisses Fortleben nach dem Tod sichert man sich durch besondere Taten oder Bauten.
Zu den anthropologischen Voraussetzungen gehört ein Verständnis des Menschen als Geschöpf zwischen Leben und Tod. Daraus ergeben sich drei Grundeinsichten: (1) Des Menschen Sterblichkeit gehört zu seiner Geschöpflichkeit. (2) Der ganze Mensch gilt als Gottes Geschöpf. Ein anthropologischer Dualismus zwischen Leib und Geist bzw. Seele ist dem Alten wie dem Neuen Testament fremd. (3) Es gibt keine ‚göttlichen Elemente’ im Menschen. Der Tod wird einerseits als unwiderrufliches Ende des Lebens erfahren; andererseits erscheinen Leben und Tod als Räume, die sich überschneiden und deren Grenzen fließend sind.
Den weltbildlichen Voraussetzungen der Bibel entspricht es, den Tod als Abbruch des Verhältnisses zu Gott zu verstehen. Dabei lassen sich zwei Vorstellungsmuster erkennen. Das eine ist vertikal ausgerichtet und am Gegensatz von oben und unten orientiert: Gott wohnt oben im Himmel, die Menschen leben in der Mitte auf der Erde, und die Toten befinden sich im Totenreich, das unter der Erde vorgestellt wird. Das andere ist horizontal ausgerichtet und am Gegensatz von Zentrum (=Kosmos/Ordnung/Leben) und Peripherie (=Chaos/Unordnung/Tod) orientiert.
In beiden Vorstellungen gehört der Ort der Toten zu den Bereichen außerhalb des Lebens und dessen Ordnung. Israels Gott gehört in der Bibel auf die Seite des Lebens. Sein Wirkungsbereich sind Himmel und Erde. Er hat deshalb zunächst und lange nichts mit den Toten und der Unterwelt zu schaffen. Gottes Macht endet an den Grenzen des Totenreiches. Mit dem Tod endet daher auch jedes Verhalten Gottes zu den Menschen und jedes Verhältnis der Toten zu Gott.
Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, das Verhältnis Gottes zu den Toten neu zu bedenken. Mit der Zeit der Davididen wird der Funktionsbereich des Gottes Israels von Staat und Königtum auch auf die Familie und damit auf die Toten ausgeweitet. Die in vielen Bittgebeten zum Ausdruck kommende Frömmigkeit macht deutlich: die Betenden halten an ihrem Gott trotz aller schrecklichen Erfahrungen fest.
Erfahrungen der Rettung und Bewahrung konnten als Rettung vom vorzeitigen Tod gedeutet werden. Der Hinweis auf die Unmöglichkeit der Toten, Gott zu loben, dient in vielen Dankgebeten als Argument, um Gott zur Rettung aus Todesgefahr zu bewegen. Schließlich dürfte die negative Erfahrung, dass der Tod alle gleich macht und am Ende das Andenken an Tore und Weise, an Gerechte wie Ungerechte vergessen wird, dazu genötigt haben, das Gedenken auf Gott selbst zu übertragen.
Themen und Texte:
- Gemeinschaft mit Gott, die Leben und Tod übersteigt (Ps 16)
- Gemeinschaft mit Gott, die den Tod überdauert (Ps 73)
- Entrückung aus dem Totenreich (Ps 49)
- Wiederbelebung der Märtyrer (Jes 26,7-20)
- Erwachen der Gerechten zu ewigem Leben (Dan 12)
Von einer Unsterblichkeit (der Seele) in einem jenseitigen Leben nach dem Tod ist ausdrücklich erstmals in Weish 3,4; 15,3 die Rede, einer jüdischen Schrift aus Alexandrien im 1. Jahrhundert v. Chr..
Das Neue Testament spricht dezidiert von der Auferstehung der Toten zum ewigen Leben.
Jesus von Nazareth stand in der innerjüdischen Debatte um die Frage einer endzeitlichen Auferstehung der Toten auf der Seite der Pharisäer, die eine endzeitliche Erwartung und damit auch die Hoffnung der allgemeinen Totenauferstehung und des endgültigen Gerichts lehrten – im Gegensatz zu der Gruppe der Saduzäer, welche die Auferstehungshoffnung ablehnten, weil eine solche Vorstellung in der Tora nicht belegt ist.
Das Christentum beginnt damit, dass Menschen an die Auferweckung des gekreuzigten Jesus durch Gott glauben. Damit verbindet sich bald die Vorstellung, Jesu Auferstehung sei als der Beginn oder als die Vorwegnahme der allgemeinen Totenauferstehung zu sehen, so bei Paulus und im Johannesevangelium.
Texte:
- 1 Thess 4,13-18
- 1 Kor 15
- 2 Kor 4,17-5,10
- Joh 5,24-29 („präsentische Eschatologie“)
- Joh 5,27-29 („futurische Eschatologie“)
- Joh 6,39f.
- Joh 11
Vom Endgericht zeigen die neutestamentlichen Aussagen ein differenziertes Bild. Dass Gott richtet, ist ein geläufiger Gedanke.
Texte:
- Lk 22,30
- Mk 13; Lk 21,5-24; Mt 24-25, v.a. Mt 25,31-46
- Mt 7,19.21-23
- Lk 17,22-37
- 1 Kor 3,12-17
- 2 Kor 5,1-10
- Joh 3,18-20
- Joh 12,20-36
- 1 Joh 4,17f.
- ApkJoh 3,1-6
- ApkJoh 6,16f.
- ApkJoh 11,18
- ApkJoh 14,14-20
- ApkJoh 18,10
- ApkJoh 19,2.11
- ApkJoh 20,1-6
- ApkJoh,11-15
In allen Texten werden Bilder verwendet, deren sachliche Bedeutung unmissverständlich ist: Die Menschen sollen sich in ihrem irdischen Leben dessen bewusst sein, dass sie vor Gott Rechenschaft werden ablegen müssen.
Text:
- Mk 10,17-31
Das ewige Leben wird als etwas Zukünftig-Jenseitiges vorgestellt, auf das sich die Menschen gegenwärtig in ihrem Leben vorzubereiten vermögen. Anders spricht das Johannesevangelium darüber: das Gericht vollzieht sich „jetzt“; und ewiges Leben meint nicht eine jenseitig-paradiesische Existenz, sondern eine das ganze menschliche Dasein übersteigende Wirklichkeit.
Texte:
- Joh 3,14ff.
- Joh 12,25
- Joh 17
In allen unterschiedlichen, bildhaften Vorstellungen wird die Überzeugung ausgesprochen, dass Gott dem Menschen über dessen irdisches Leben hinaus die Treue hält und der Tod nicht wirklich von Gott zu trennen vermag. Der Mensch wird für sein Leben und Tun Rechenschaft ablegen müssen. Die Auferstehungs- und Gerichtsaussagen sind also Bilder der Hoffnung, sie sind zugleich Aufrufe zur Verantwortung des irdischen Lebens vor Gott.
Das Evangelium ist nicht Botschaft einer „billigen Gnade“, aber es ist auch nicht eine Botschaft, mit der Menschen gedroht werden soll. Das Endgericht meint nicht nur die Rechenschaft, die der Mensch vor Gott abzulegen hat; es bedeutet auch die endgültige Beseitigung der Macht des Bösen. Das „Jüngste Gericht“ meint das Gericht Gottes, das jedem Menschen, auch und gerade den Christinnen und Christen, in letzter Instanz gegenüber steht.
Das Wissen der Menschen um ihre unvertretbare Verantwortung vor Gott verdeutlicht den Ernst der Heils- und Rettungsbotschaft des Evangeliums: Ohne das Wissen um die Auferstehung der Toten und das endzeitliche Gericht bliebe die Aussage des endgültigen Heils ohne das ihr zukommende Gewicht. In einer Zeit, die von der Vorstellung der „Machbarkeit“ geprägt ist und die meint, alles liege in den Händen der Menschen, und die zugleich von Zukunftsangst umgetrieben wird, kann die biblische Zukunftshoffnung als eine das irdische Leben befreiende Botschaft erfahren werden, als das Zeugnis, dass alles Geschehen in der Hand Gottes liegt.
III. Ewiges Leben
Die christliche Hoffnung auf das ewige Leben entspringt dem Glauben an Jesus Christus. Alle menschliche Erwartung ist in die Hoffnung eingebettet, die unverfügbare Zukunft möge sich günstig für uns auswirken. Dass zum christlichen Glauben die Hoffnung gehört, verbindet ihn darum mit einem elementaren Ausdruck jedes menschlichen Lebens. Menschliche Hoffnungen haben aber auch ihre problematische Seite. Denn der Tod beschämt alles menschliche Hoffen, indem er es mit dem Riegel der Vergänglichkeit jedes menschlichen Lebens blockiert.
Es zählt zur eigentümlichen Energie aller Religionen der Welt, dass sie sich bei diesem Todesurteil über die Hoffnungen der Menschen, welche die Todesgrenze überschreiten, nicht beruhigt haben und beruhigen. Die Wahrheit der Zukunft unserer Gattung jenseits des Todes können wir nur erahnen oder glauben. So müssen wir uns an die Erfahrungen halten, die mitten in unsrem Leben die Hoffnung über den Tod hinaus bewahrheiten; eine solche Erfahrung ist der Glaube an Jesus Christus.
Weil sich für uns Menschen allgemein Gültiges immer auf Grund von besonderen Erfahrungen, erschließt, die wir in diesem Leben machen, ist die Begegnung mit Jesus Christus, wie er uns durch die Bibel bezeugt wird, die geschichtliche Situation, welche eine Hoffnung von universaler Bedeutung wach ruft; denn diese Begegnung führt zur Gotteserfahrung und erschließt uns damit die Dimension der Ewigkeit. Im Zentrum des neutestamentlichen Zeugnisses steht das Bekenntnis zum auferstandenen Jesus Christus.
Auferstehung gehört zu einem endzeitlichen Geschehen, in dem Gott die ganze Welt richtet und verwandelt. Wird der am Kreuz gestorbenen Jesus Christus als auferstandener, endzeitlich verwandelter Mensch erfahren, dann heißt das also, dass in ihm die Zukunft schon da ist, die Gott der ganzen Welt und allen Menschen zugedacht hat. Die christliche Hoffnung ist aus diesem Grund weder individualistisch noch egoistisch bloß am Geschick der Hoffenden orientiert. Sie hofft in einem universalistischen Horizont auf den Anbruch des Reiches Gottes als Vollendung der ganzen Welt. Nur diese Hoffnung auf das universale, zukünftige Handeln des Gottes, den wir im Glauben kennen, ist gut begründete Hoffnung. Das Handeln, das von Gott jenseits der Todesgrenze erhofft wird, wird im Neuen Testament als Auferweckung der Toten, als Gericht und als Geschenk des ewigen Lebens konkretisiert.
Alle drei Konkretionen gründen im Glauben an den auferstandenen Jesus Christus. Im Glauben nehmen Menschen schon an seiner Auferstehungswirklichkeit teil, nämlich an einem Leben, über das der alles zerstörende Tod als Folge der alles zerstörenden Sünde nicht mehr herrscht. Ewiges Leben ist das vom ewigen, gnädigen Gott aus dem Tod erweckte Leben, in dem die Sünde keine Macht mehr hat und in dem die Grenzen unserer Endlichkeit kein Hindernis für die uneingeschränkte Kommunikation mit Gott und mit allen seinen Geschöpfen mehr darstellen. Gegen die Gefahr einer Trennung von universaler und individueller Hoffnung gilt daran festzuhalten, dass Gottes Ewigkeit das Zusammensein von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bedeutet und damit die Fülle der Zeit ist.
Die Hoffnung des Glaubens an Jesus richtet sich alleine auf Gottes Handeln. Unser irdisches Leben bekommt als einmalige Gelegenheit in dieser Zeit auch in Gottes Ewigkeit seine Würde und sein Recht zugesprochen. Die Hoffnung auf das ewige Leben richtet sich darum darauf, dass Gott unser besonderes, mit dem Tod zu Ende gegangenes Leben in seiner Ewigkeit neu aufleben lässt. In ihr wird offenbar werden, wer wir als jeweils besondere Menschen gewesen sind. Sie wird als Ereignis eines gänzlichen Klarmachens unseres Lebens erhofft, das allerdings den Charakter des Gerichts Gottes über unser gewesenes Leben hat.
In diesem Sinn ist die paulinische Vorstellung vom Gericht nach den Werken zu verstehen, dem wir in der Gewissheit unserer Rechtfertigung entgegen gehen. Der Gedanke der Leibhaftigkeit des ewigen Lebens unterstreicht die Hoffnung, dass wir als Geschöpfe ewig im Gegenüber zu Gott und auch zu den Menschen eine neue Wirklichkeitsweise haben werden. Das ewige Leben wird das eigene Leben eines jeden Menschen sein, das er schon als irdisch-zeitliches Geschöpf Gott verdankt; denn schon als solches gewinnt er seine unverwechselbare Identität nur aus der Beziehung auf Gott.
Die Geschichte der Beziehung Gottes zu Menschen, aber auch der Beziehung von Menschen auf Gott ist also das Verbindende zwischen dem jetzigen und dem zukünftigen Leben. Durch diese Geschichte wahrt Gott selbst die Kontinuität zwischen dem, was wir gewesen sind und bei ihm in Ewigkeit sein werden. Ewig und unsterblich ist allein das, was Gott seinen Geschöpfen über den Tod hinaus gewährt und schenkt. Damit widerstreitet die christliche Hoffnung Vorstellungen wie der Seelenwanderung oder der Unsterblichkeit der Seele. Letztere möchte eine Sicherheit des Überlebens im Tod suggerieren und verdirbt dadurch das Anliegen der Hoffnung, die sich auf die Möglichkeiten des ewigen Gottes allein konzentriert.
Die christliche Hoffnung ist eine Hoffnung für alle. Dieser Hoffnung steht ein bestimmtes Verständnis des Gerichts nach den Werken entgegen, das sich in der Geschichte der christlichen Kirchen ausgebildet hat. Bei Paulus bezieht sich dieses Gericht auf die Werke der gerechtfertigten Menschen. Es stellt ihre Rechtfertigung nicht noch einmal in Frage. Demgegenüber wird es in der breiten christlichen Tradition als Gericht verstanden, das über Heil und Unheil aller Menschen letztgültig entscheidet.
Es ist verständlich, dass es zu dieser Vorstellung kommen konnte, soll sie doch die Christenheit vor einer lässigen Heilssicherheit, vor dem Ausruhen auf der „billigen Gnade“ Jesu Christi und dem Verharmlosen der Sünde bewahren. Sie wird aber zu einer widersinnigen Idee, wenn gerade der, der für sündige Menschen gestorben ist, als der erwartet wird, der diese Menschen verdammt. Vielmehr gilt, dass Gott in der Auferweckung Jesu Christi dessen Kreuz als gültig vollzogenes Gericht für alle Menschen anerkannte. Es kann daher keinen „eschatologischen Neid“ geben, der seinen Ausdruck in einer Lehre des „doppelten Ausgangs“ des Gerichts fände. Eine solche Lehre würde zudem das ewige Bestehen eines Reiches des Bösen, der „Hölle“, voraussetzen.
Demgegenüber richtet sich die christliche Hoffnung allein darauf, dass das Gericht Jesu Christi allen Menschen die Teilnahme an Gottes Ewigkeit ermöglicht. Die Hoffnung auf das freie Gericht Jesu Christi ist eine kritische Instanz gegenüber allen Versuchen, dieses Gericht unter Direktiven zu stellen, die es Menschen nach ihren ethischen Vorstellungen und religiösen Wünschen genehm macht. Jenseits der Todesgrenze sind wir ganz dem Offenbarmachen, Loben und Verwerfen unserer Werke durch Jesus Christus ausgeliefert; dies gilt auch gegenüber einer Lehre von „Fegefeuer“ (purgatorium).
Die Hoffnung auf das ewige Leben ist Hoffnung auf Jesus Christus als dem Vollender der Welt und unseres Lebens in der Ewigkeit. Da unser Leben auch im Irdischen immer ein Leben in Verhältnissen ist, kann auch das ewige Leben als ein kommunikatives Leben verstanden werden. (1) Es ist ein Leben in der intensiven Kommunikation mit Gott, ein von Gott nicht mehr entfremdetes Leben, in dem Gott den Menschen eine zutiefst vertraute und nahe Wirklichkeit ist. (2) Es ist vollkommenes Vertrautsein der Menschen mit sich selbst, für die es nur gut ist, dass sie Menschen und nicht Gott sind. (3) Es ist ein Leben im Verhältnis auch zu anderem menschlichen Sein. Ewiges Leben ist auf den Grundton der Freude gestimmt.
---
Quelle: „Unsere Hoffnung auf ewiges Leben“ – eine Arbeitshilfe der Union Evangelischer Kirchen in der EKD. PDF
Barbara Schenck
Nach oben - E-Mail - Impressum - Datenschutz