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''Ich glaube die »heilige allgemeine christliche Kirche«?''
Pfingstpredigt zu einem Bekenntnissatz und zu HK 54
Ihr Lieben,
in den letzten drei Wochen wurde ich viermal von Gemeindegliedern auf das apostolischen Glaubensbekenntnis angesprochen und ich wurde an andere Gespräche erinnert, die schon etwas länger her sind.
Das zeigt mir vor allem eins: Das Glaubensbekenntnis unserer Kirche ist uns nicht egal. Ihr sprecht es mit wachem und dann zwangsläufig auch mit einem kritischen Geist. „Der Glaube befragt die Verstand“ hat ein alter Kirchenlehrer mal gesagt und da bleibt es nicht aus, dass der Verstand zurückfragt. Was bekennen wir da eigentlich? Bekenne ich das wirklich? Ist das mein Glaube? Dreimal ging es in den letzten Wochen um den Satz im Glaubensbekenntnis, der sich mit der „heiligen christlichen Kirche“ befasst. Am Freitag sagt mir jemand: „Herr Pastor ich kann doch nicht an die Kirche glauben! Dazu kenn ich den Verein zu gut.“ Da hab ich mich entschlossen, heute, an Pfingsten, dem Fest das man mit einem gewissen Recht auch den „Geburtstag der Kirche aus allen Völkern“ nennt, über diesen Glaubenssatz zu predigen.
Seht, wir haben in unserer Kirche viele Bekenntnisse. Einige haben wir mit allen Christen gemeinsam. In der westlichen Christenheit ist es besonders das apostolische Glaubensbekenntnis, das uns auch mit der römisch-katholischen Kirche, mit lutherischen und unierten Gemeinden sowieso, verbindet. Auch darum sprechen wir es vorrangig. Wer in unsere Kirche kommt, ob reformiert oder nicht, soll diese gemeinsame Basis wiedererkennen können.
Nun steht in keinem Glaubensbekenntnis alles, was uns zu glauben geschenkt ist, aber es steht in keinem – gehen wir mit diesem Vorurteil einmal an sie heran – etwas Überflüssiges, Beiläufiges oder ohne Verlust einfach zu Streichendes. Das gilt auch von dem Satz: Ich glaube die heilige christliche Kirche – oder wie es ursprünglich hieß: Ich glaube die heilige, katholische/also allgemeine Kirche.
Einen ganz entscheidenden Gedanken aber vorweg: Wir bekennen nicht: „Ich glaube an die Kirche“. Vermutlich ist es nicht zuletzt dieser Irrtum, der mit diesem Satz so große Probleme erzeugt. Ich glaube nicht „an die Kirche“, wie ich „an Gott“, den Vater, „an Christus“ seinen Sohn und „an den Heiligen Geist“ glaube. Wir sagen im Bekenntnis: „Ich glaube die Kirche“. Das ist etwas sehr anderes, auch wenn da nur ein Wörtlein anders ist. Auf den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist setze ich meine Hoffnung. Der Gott Israels, Jesus Christus, und Gottes lebenspendender Geist sind der Grund meines Glaubens. Auf ihnen ruht er, an ihnen hängt er.
Das gilt nicht in gleicher Weise von der Kirche. Und doch darf sie aus dem Glaubensbekenntnis nicht verschwinden. Wir glauben die Kirche. Wir beobachten und beschreiben sie nicht nur. Darum ist sie uns nicht nur eine soziologische Größe, ein Verbund von Menschen, eine Organisation, eine Institution, in der es bei Licht besehen nicht weniger menschelt und kriselt als anderswo. Das ist sie auch. Aber ihre Gestalt kann sich än- dern und hat sich geändert und die Menschen in ihr ebenso. Das alles macht die Kirche nicht zur Kirche, macht ihr Wesen nicht aus. Wir glauben sie, weil sie ein Wirken Gottes ist. Nehmen wir die Kirche aus dem Glaubensbekenntnis heraus, dann hören wir auf, eine ganz entscheidende Wirkung des Heiligen Geistes in dieser Welt zu bekennen.
Die Kirche, so sagt es die Barmer Theologische Erklärung hat „mitten in der Welt der Sünde als die Kirche der begnadigten Sünder“ zu bezeugen, dass sie Christi eigen ist und von seinem Trost und seiner Weisung lebt und leben will und auf sein Kommen wartet. In der Kirche sammeln sich Sünder – gewiss begnadigte Sünder – aber eben keine Entrückten, keine besseren Menschen, sondern solche, die davon wissen, dass sie Christus brauchen, seine Gnade, seine Vergebung und seine Weisung.
Wir bekennen im Glaubensbekenntnis, dass der Heilige Geist sich eine Kirche schafft. Sichtbar, konkret hier in unserer Gemeinde und in jeder anderen, in der Gottes Wort gehört, die Sakramente geteilt und nach Gottes Willen gefragt wird. Wir glauben an Vater, Sohn und Geist und bekennen unsren Glauben an ihr Wirken unter uns, Und dann werden von dieser Kirche im Glaubensbekenntnis Aussagen gemacht, die wir uns genauer ansehen müssen. Heilig ist die Gemeinde, weltumspannend und „christlich“ ist sie. Und – nehmen wir eine bekannte Aussage anderer Bekenntnisse dazu: sie ist eine Kirche. Ihr Lieben, dass sind Glaubensaussagen, Hoffnungsaussagen und Aufträge zugleich. In dieser dreifachen Weise möchte ich sie in den Blick nehmen.
1. Die Kirche ist heilig – nicht weil die in ihr versammelten Menschen „heiliger“ wären als andere, sondern weil Jesus Christus, ihr Herr, heilig ist. Er heiligt sie, sammelt sie, holt sie „aus den gottlosen Bindungen dieser Welt“ (Barmen II) heraus in seinen Dienst, ruft aus dem Tod ins Leben. Gottes heiligender Geist und Gottes Wort haben die Menschen der Kirche erreicht. Darum ist sie heilig. Das glauben wir. Das hoffen wir aber zugleich, denn diese Hoffnung, diese Verheißung begleitet die Kirche. Sie soll eine neue Schöpfung sein, schon in der alten. In ihr soll sichtbar werden, was aller Welt gilt: Gott macht alles neu durch seine Versöhnung, seine Gnade und durch seine Gerechtigkeit. Und darum ist die Heiligkeit der Kirche zugleich ihr Auftrag. Sie soll heilig sein, sich nicht gleichschalten lassen und ein Zeugnis des Zeit- oder Weltgeistes werden, sondern ein Zeugnis für Gottes Gegenwart in einer todverfallenen Welt.
2. Die Kirche ist katholisch, allgemein, weltumspannend. Leider ist in unserem Sprachgebrauch das Wort „katholisch“ zu Bezeichnung einer bestimmten christlichen Konfession geworden, die wir besser römisch-katholisch nennen sollten, damit das Wort wieder frei wird zu bezeichnen, was es einmal meinte. Die Kirche ist keine Nationalkirche, keine völkische Kirche. In ihr werden Menschen aus allen Völker, Kulturen und Abstammungen zusammengeführt. Die Kirche ist katholisch, weltumspannend, weil sich die Herrschaft ihres Herrn Jesus Christus über die ganze Welt erstreckt. Das glauben wir. Und das hoffen wir zugleich, denn die Herrschaft Jesu Christi ist noch immer auf dem Weg, das Reich Gottes ist noch unterwegs. Die ganze Welt wird verwandelt werden. Himmel und Erde werden neu. Weil diese Hoffnung universal ist, bekennen wir die Hoffnung, dass die Kirche keine Grenzen kennt und keinem, den Gott durch seinen Geist in seine Kirche ruft der Weg versperrt werden darf. Die Katholizität der Kirche ist dann aber auch unser Auftrag. Keine Gemeinde kann sich selber genug sein. Wir sind eine konkrete Gestalt der Kirche, aber wir haben Geschwister. Ganz nah – in Ronsdorf, in Wuppertal, weltweit. Unser Blick ruht nicht nur auf uns. Unsere Fürbitte erstreckt sich um den ganzen Erd- ball und unser Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden kann nicht lokal begrenzt bleiben.
3. Die Kirche ist „christlich“. Das ist nicht so banal gemeint wie „das Meer schimmert bläulich“. In der Kirche ruft der Heilige Geist die zusammen, die nach Christus benannt sind, die sich als Glieder zu Christus als ihrem Haupt halten, die seinen Namen bekennen, also dazu stehen, dass sie um Christi willen – und nicht allein um ihrer Zugehörigkeit zu einem Kulturkreis willen – Christen genannt werden. Das glauben wir. Und wir hoffen zugleich, dass diese Verbindung sich Ausdruck verschafft im Leben unserer Gemeinde, dass die Kirche, die sich nach ihm nennt, seinem Name Ehre macht, ihn nicht diskreditiert und dass Christus sich zu den Seinen hält. Und das ist dann auch unser Auftrag. Als christliche Kirche sind wir aufgerufen, den Weg Jesu Christi mitzugehen, mit freiem Gewissen in seiner Nachfolge zu stehen, seine Mitarbeiter zu sein. Mit ihm dem Bösen zu widerstehen, das Gute zu suchen, die Gerechtigkeit zu lieben und dem Frieden nachzujagen. Wenn wir uns „christliche“ Gemeinde nennen, dann ist unser Name Anspruch und eine bleibende Mahnung, dass wir seinen Namen nicht missbrauchen.
4. Die Kirche ist eine. Auch das ist zunächst wahrlich ein Satz des Glaubens angesichts der vielen oft sogar streitenden Kirchen. Wir glauben die eine Kirche, weil ihr Herr nur einer ist, Jesus Christus. Die Zerspaltungen der Kirche haben immer etwas mit der Begrenztheit und Beschränktheit der Menschen zu tun, sie sind Ausdruck dafür, das auch die Kirche eine Kirche von Sündern ist, mit Machtinteressen, Intoleranz und Selbstüberschätzung. Aber all das kann und darf nichts daran ändern, dass wir die Kirche als eine Kirche glauben, Und wir hoffen, dass sie eine Kirche werde, dass Jesus Christus sie durch sein Wort und seinen Geist eint. Die vielen verschiedenen Kirchen sind nicht das Ziel der Wege Gottes. Ihre Einheit ist es, ihre Einigkeit. Schon im Alten Testament gehört es zu den großen Verheißungen, dass der gute Hirte die zerstreuten Schafe sammelt und zu einer Herde zusammenführt. Im Neuen Testament ist Christus der gute Hirt, der seine Herde aus allen Völkern sammelt. Die Hoffnung ist nicht, dass eine der vielen Kirchen Recht behält in dem unseligen Geschwisterstreit, sondern dass der eine Hirte seine Herde heim- und zusammenführt. Dieser Glaube und diese Hoffnung sind zugleich Auftrag, die Einheit zu suchen. Vielleicht zunächst die Einheit in der Vielfalt, die Versöhnung der Verschiedenen, das allen Kirchen und allen Gemeinden als der konkreten Gestalt der Kirche vor Ort Gemeinsame. Und das Gemeinsame kann nur Christus sein und der Ort, an dem er uns zu begegnen versprochen hat – unter seinem Wort und an seinem Tisch.
Ihr Lieben,
es ist gut, dass die Kirche im Glaubensbekenntnis steht. Es ist notwendig. Wir müssen sie glauben, weil sie noch nicht ist, was sie sein soll, weil in ihr aber schon etwas von Gott her angebrochen ist.. In unsere Gemeinde und jede anderen ist Jesus Christus gegenwärtig, wirkt er durch sein Wort und durch seinen Geist. Gott erdet sich, Christus regiert, der Heilige Geist erreicht uns Menschen – das bekennen wir, wenn wir sagen: Ich glaube die Kirche als eine, heilige, katholische, christliche Kirche.. Und der Heidelberger Katechismus hebt in der Frage 54 noch etwas hervor. „Was glaubst du von der »heiligen allgemeinen christlichen Kirche«? fragt er uns antwortet ganz zum Schluss: dass auch ich ein lebendiges Glied dieser Gemeinde bin und ewig bleiben werde.“
Christus versammelt, schützt und erhält seine Gemeinde. Von Anbeginn der Welt bis an ihr Ende tat und tut er das. Und ich glaube, „dass auch ich ein lebendiges Glied dieser Gemeinde bin und ewig bleiben werde.“ Ich gehöre dazu. Du gehörst dazu. Christus hat es auch auf Dich und mich abgesehen. Wie durch die Zeiten und Räume hindurch Abermillionen vor, neben und nach uns. Er möchte uns bei sich und möchte uns zusammen haben als lebendige Glieder, als Mitarbeiter, die sich von ihm in Dienst nehmen lassen, damit die Kirche Vorhut des Reiches Gottes, Zeugin seiner Gerechtigkeit und seines Friedens ist.
„Sein lebenspendendes Wort und sein lebenspendender Geist“, so haben es südafrikanische Christen vor 35 Jahren bekannt, „befähigt sein Volk, (seine Kirche) in neuem Gehorsam zu leben und dadurch neue Lebensmöglichkeiten für das Zusammenleben in der ganzen Welt zu eröffnen“ (Belhar-Bekenntnis). Bekennen wir uns zu diesem Glauben, dieser Hoffnung und zu diesem Auftrag. Heute ist Pfingsten! Schenke Gott, dass es nicht nur ein liturgisch alljährlich wiederkehrendes Fest ist, an dem an das Pfingstereignis damals in Jerusalem er- innern, sondern dass Gottes Geist uns heute morgen erreicht, uns dazu aufruft und darüber frohmacht, Teil der Gemeinde Jesu Christi zu werden, zu sein und ewig zu bleiben.
Amen
Pfr. Dr. Jochen Denker, Gottesdienst in Ronsdorf am Pfingstsonntag 27.05.2012
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