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Mit ganzem Herzen bei Gott und den Menschen
Eine Predigt zum Beginn des Calvinjahrs
Erlaubt mir heute Abend, dass ich der Predigt keinen abgegrenzten Bibeltext zu Grunde lege, sondern ein klein wenig das Leben und Werk eines Menschen beleuchte, den die Botschaft der Bibel gepackt hat und dem die Kirche gerade als „um Gottes Wort versammelte“ und mit ihm lebende Gemeinde sehr viel verdankt. Im morgen beginnenden Jahr jährt sich zum 500. Mal der Geburtstag Johannes Calvins. Kennen noch recht viele Deutsche Martin Luther und verbinden ihn sogar mit einem kirchlichen Ereignis, so steht es um die Bekanntheit Calvins recht finster. Und wem der Namen noch bekannt sein mag, der muss wohl doch zugeben, dass er über das Leben und Werk dieses französischen Reformators, der in Genf wirkte und den Flügel der Reformation prägte, der sich später „reformierte Tradition“ nennen sollte, nur spärlich Auskunft geben kann.
Das Calvin-Jahr mag dazu dienen, dass wir am Ende des Jahres 2009 ein wenig mehr wissen über diesen Mann, der nach einem bewegten und turbulenten Leben schon mit 53 Jahren starb. Den Reformierten ist es ja eigen, dass sie von Personenkult recht wenig halten und sich vielleicht auch deshalb nicht besonders gut darauf verstehen, Personen zu ehren. Sehr zurecht schreibt Calvin in seinem ersten Katechismus für die Genfer Gemeinde aber auch: „Wer den Menschen nicht dankt, gibt damit auch seine Undankbarkeit gegen Gott zu erkennen.“ (Genfer Katechismus). Zwischen Dank und falscher Verehrung oder Verherrlichung gibt es ja noch eine Menge Platz.
Calvin selber wollte wahrlich nicht, dass man sich nach seinem Namen nennt und seine Nachfolger haben das weitgehend akzeptiert, darum nennt sich die Tradition, die sich ihm verpflichtet weiß auch nicht selber „calvinistisch“ oder „calvinisch“ in Anlehnung an die „lutherische“ sondern eben „reformiert“. Denn das war Calvins besonderes Anliegen: Eine Kirche muss stets eine nach Gottes Wort reformierte, sich stets erneuernde, eine immer wieder „in Form“ gebracht, nach Gottes Wort geformte Kirche sein. Johannes Calvin hatte in seiner Zeit in Genf für einige Jahre ein Briefsiegel. Dieses Siegel war mehr als ein Adressaufkleber oder ein Absenderstempel, wie wir ihn vielleicht auf unsere Briefe oder unsere Briefköpfe setzen. In seinem Siegel kann man so etwas wie die Summe dessen entdecken, worum es Calvin ging.
Auf dem Siegel sieht man zunächst rechts und links des „Wappens“ die Initialen I bzw. J und C. Es sind seine eigenen Initialen: Johannes Calvin. Zugleich sind es aber auch die von alters her verwendeten Initialen für „Jesus Christus“. Auf dem Wappenhintergrund hebt sich eine Hand ab, die locker ein Herz in die Mittel des Siegels reicht, nur eben mit dem Daumen in die Handfläche gedrückt. Calvins Lebensmotto findet hier seinen Ausdruck, das er einmal in Gebetsform so umschrieben hat: „Mein Herz bringe ich dir, Herr, bereit und aufrichtig dar.“ In der Tat kann man die Wendungen in Calvins Leben so verstehen. Er hat das getan, was ihm Gott vor die Füße gelegt hat und manchen Weg musste er gehen, den er sich nicht selber gewählt hat.
Dass er zum Reformator der Stadt Genf wurde, war wahrlich nicht sein Plan. Dass er selber einmal zum Glaubensflüchtling würde, gewiss noch weniger. In seinem Kommentar zu den Psalmen beschrieb er ein mal, wie er selber zum reformatorischen Glauben kam. Es sei, so sagt er, eine „plötzliche Umkehr“ gewesen, eine „plötzliche Hinwendung zu hörbereitem Lernen und lernbereitem Hören“. So hat einer meiner Lehrer Calvins Selbstzeugnis einmal treffend übersetzt. Vermutlich war es die durch Luthers Erkenntnisse angereicherte erneute Lektüre der Bibel, die ihn da gepackt und auf einen ganz neuen Weg gesetzt hat.
Calvins Vater stand im Dienst der katholischen Kirche und für seinen Sohn hatte er eigentlich auch eine Kirchenkarriere geplant. Er änderte sein Vorhaben aber und schickte den jungen Jean (so sein Geburtsname) zum Studium der Philoso-phie und Rechtswissenschaften. Hören wir etwas ausführlicher Calvin über sich selber: „Aber Gott gab doch endlich durch die verborgenen Zügel seiner Vorsehung meinem Leben eine andere Richtung. Ich war dem Aberglauben des Papsttums sehr ergeben, so dass es nicht leicht war, mich aus diesem Sumpfe herauszuziehen. Deshalb hat Gott mich, weil mein Geist schon trotz meiner Jugend sehr verhärtet war, zuerst durch eine plötzliche Bekehrung zu einem gelehrigen Schüler gemacht. Kaum hatte ich jedoch etwas von der wahren Frömmigkeit gekostet da entbrannte ich von solchem Eifer, hierin fortzuschreiten, dass ich die übrigen Studien ... weniger eifrig betrieb.
Noch war kein Jahr vergangen, da kamen alle, die nach der reinen Lehre verlangten zu mir, um zu lernen, obgleich ich doch hierin selber noch ein Neuling war. Ich bin von Natur aus schüchtern, immer habe ich die Verborgenheit und die Ruhe geliebt. Das ist mir aber nicht gelungen“. Gott habe ihn einfach nicht zur Ruhe kommen lassen, sagt er. Auf dem Weg nach Deutschland kam er in Basel vorbei. Dort hielt er sich unerkannt auf. „Damals“, so Calvin weiter, „wurden in Frankreich viele fromme Menschen verbrannt.“ Mit Hetzschriften, in denen behauptet wurde, die französischen Anhänger der Reformation seien alles Wiedertäufer, Aufrührer und auf gesell-schaftlichen Umsturz auf, suchte der französische Hof das brutale Vorgehen zu verteidigen.
Calvin schreibt: „Man beabsichtigte die unwürdige Vergießung unschuldigen Blutes durch solche falsche Verleumdung der heiligen Glaubenszeugen zu begraben, um nachher mit Morden wüten zu können, ohne durch Mitleid anderer daran gehindert zu werden. Es war mir klar, dass ich, falls ich schwiege, ein Verräter sein werde. Daher sah ich es für meine Pflicht an, diesem nach Kräften entgegenzutreten.“ Nach seinen Kräften, dass hieß: durch das Wort, durch Lehre, durch eine zusammenfassende Darstellung dessen, was die neue Glaubenserkenntnis ausmachte, die, ausgehend von Luther, auch viele Franzosen gegen die päpstliche Herrschaft hatte aufstehen lassen.
Die erste Ausgabe seiner „Institutio“, seines „Unterrichts in der christlichen Religion“ schickt er daher mit einem langen Schreiben auch dem französischen König Franz I. Eine Verteidigungsschrift sollte dieses Büchlein, das sich später zu einem dicken Werk auswachsen sollte, sein. Eine Trostschrift für die verfolgten Anhänger des evangelischen Glaubens, die darin vergewissert werden, dass sie um des rechten Glaubens willen verfolgt werden. Und eine Aufklärungsschrift war es, die erstmalig in zusammenhängender Weise die reformatorische Lehre zur Darstellung brachte. Der Königin Magarethe von Navarra, an deren Hof die reformatorische Bewegung Unterstützung fand, schrieb er später einmal: „Ein Hund bellt, sobald er seinen Herrn angegriffen sieht. Ich wäre wohl lasch, wenn ich angesichts eines Angriffs gegen die Wahrheit Gottes verstummen würde, ohne etwas verlauten zu lassen.“
Ihr Lieben, es ist eines, das Richtige zu erkennen, es ist noch mal was anderes, dem, was man erkannt hat, zu folgen und ein Drittes ist es gewiss, dies auch ge-gen erhebliche Widerstände, ja sogar bis zur Gefährdung des eigenen Lebens zu bewähren. Der tiefe Ernst und die große Kraft des Glaubens ist uns heute oft kaum mehr bewusst. Wenn wir an die Reformatoren erinnern, dann erinnern wir auch an Glaubensmut und sehen Menschen vor uns, die Gott befähigte, Grenzen zu ü-berschreiten, vor denen wir vielleicht schon aus der Ferne halt zu machen geneigt sind. Was diese Menschen, nicht nur die großen Reformatoren, sondern die vielen Bauern, Mägde und Knechte, einfache Leute ebenso wie Akademiker mit ihrem Leben bewährten und manchmal mit demselben bezahlten war, was Calvin in seinem Siegel ausdrückt: „Mein Herz bringe ich dir, Herr, bereit und aufrichtig dar.“
„Meinen Willen, mein Leben, alles, was mich ausmacht, ich gebe es Dir, Herr. Ich bin bereit, deinem Wort mehr zu gehorchen als allem anderen. Du füllst mein Herz mit deiner Hoffnung – was brauche ich mehr. Du nimmst mich im Glauben gefangen, in „Schutzhaft“ sozusagen – was kann das Wüten in mir und um mich herum mir anhaben? Ich meine es aufrichtig und ehrlich. Und mein Gebet am Sonntag wird mir am Montag selber zum Auftrag.“
Ihr Lieben, darum ging es Johannes Calvin: Den Sonntag nicht lösen von den anderen Tagen der Woche. Im Glauben nicht wie eine Parallelwelt leben. „Aberglaube“ kann er es nennen, wenn man den Sonntag zwar als Feiertag hält, sich für eine Zeit hinter Kirchenmauern oder ins Kämmerlein zurückzieht und damit meint, dem Gebot genüge zu tun. Der Sonntag als der Tag, an dem die Gemeinde gewissermaßen den offenen Himmel sieht, sich gemeinsam ausstreckt nach der Gnade Gottes, ihm die Ehre gibt, ganz vorläufig, aber in tiefem Glauben, dass der Himmel die Erde berührt, soll die ganze Woche durchdringen. Glauben und Leben gehören zusammen. Wer Sonntags seinen Glauben bekennt, die Gegenwart Christi im Wort der Schrift und der Predigt und im Zeichen der Sakramente wahrnimmt, wer mit den Engeln im Himmel und mit den Heiligen aller Zeiten Psalmgesänge, Lob, Klage und Vertrauenslieder anstimmt, und im Gebet um die Vereinigung des eigenen Willens mit dem göttlichen ringt, der darf nicht, nein, der kann nicht am Montag einem anderen Herrn dienen als diesem.
Was wäre ein „Ehre sei Gott in der Höhe“ am Sonntag wert, wenn wir am Montag nicht das „Friede auf Erden“ lebten? Das eine ist die Kraft, das andere die Bewährung, und eins kann nicht ohne das andere sein. „Mein Herz bringe ich dir, bereit und aufrichtig dar.“ Als Briefsiegel ist diese Botschaft aber doppelsinnig. So wie die Initialen IC für Jesus Christus stehen, dem Calvin sein Herz darbietet, so können sie auch für Johannes Calvin stehen, der seinem Adressaten sein Herz bietet. Das eine nicht ohne das andere. Viele Briefe Calvins – die Trostbriefe an die verfolgten Hugenotten zuerst, aber auch die mahnenden Worte an die Gemeindeleitungen und Kirchenführer, die werbenden und eindringlichen Briefe an Adlige und Könige zeigen einen Mann, dem es, weil es ihm um Gottes Ehre ging, um seine Mitmenschen zu tun war.
Wie er Gott sein Herz darbrachte, so machte er auch vor den Menschen aus seinem Herzen keine Mördergrube. Er ließ sich Not zu Herzen gehen, er redete mahnend in Herz und Gewissen und warb herzlich für die Sache Christi und seiner Nachfolger. Den Verfolgten war Calvin Seelsorger und gab ihnen, wenn es Not tat, Asyl. Calvins Genf war zeitweise überlaufen von geflohenen „Hugenotten“. Viele der Flüchtlinge aus Frankreich nahm Calvin auf Zeit in seinem Haus auf. Wer mit dem Herzen ganz bei Gott ist, der ist es auch ganz bei den Menschen, denn nichts anderes lernt er bei Gott. „Den Elenden und Armen zu Recht verhelfen – heißt nicht das mich erkennen? spricht der HERR.“, sagt Jeremia (22,16).
„Wo Gott erkannt wird, da wird Menschlichkeit gepflegt“, legt Calvin diesen Satz aus. Dass Gott den Menschen zu seinem Bilde schuf, war Calvin Erinnerung daran, „dass jeder, der seinem Mitmenschen unrecht tut, Gott selber kränkt (zu 1. Mose 9,6). Mit ganzem Herzen bereit und aufrichtig bei Gott und den Menschen. So kann man Calvins Lebensmotto zusammenfassen, das sich in seinem Briefsiegel bündelt. Ihr Lieben, könnte das auch ein Motto, nein das Gebet für uns sein? Mit ganzem Herzen bereit und aufrichtig bei Gott und den Menschen. Bringen wir ihm unsere Herzen. Bringen wir uns ihm ganz. Mit all den Untiefen, die in uns sind. Unser Herz als Götzenfabrik, das so sehr geneigt ist, anderen, sichtbaren Herren zu dienen und sich eigene zu schaffen, und bitten ihn, es zu reinigen, Kehraus zu machen, und mit seiner Verheißung und seinem Gebot einzuziehen.
Bieten wir ihm unser Herz, mit all seinen Zweifeln und Schwächen, seiner Angst und Wankelmütigkeit gerade an der Schwelle zu einem neuen Jahr. Bieten wir ihm unser oft versteinertes Herz, dass er uns eines aus Fleisch gebe, das zur Liebe fähig wird und zur Achtung gegenüber allem menschlichen Leben und Gottes Schöpfung. Und bieten wir dann einander unsere Herzen dar. Machen wir aus ihnen keine Mördergrube, lassen wir uns die Freude und das Leid unsere Mitmenschen angehen. Lasst uns beten, mahnen und helfen und gerade darin ganz in der Nachfolge Jesu stehen.
Was braucht unsere Stadt und unser Land, was braucht die Welt mehr als solche, denen die Ehre Gottes und das Wohl der Menschen ein Herzensanliegen sind? Mit ganzem Herzen - bei Gott und den Menschen. Und wenn wir dann selber Menschen begegnen, sei es direkt oder aus der Tiefe der Geschichte wie Johannes Calvin, die uns von Herzen gut sind, dann lasst uns sie nicht verherrlichen, aber von Herzen dankbar für sie seinDenn: Wer den Menschen nicht dankt, gibt damit auch seine Undankbarkeit ge-gen Gott zu erkennen.“ (Genfer Katechismus). Deren wollen wir uns nicht schuldig machen! Sondern dem Herrn, der Tag und Nacht geschenkt und unser Leben hebt und lenkt soll unser Dank und unser Lob gelten. Eben mit ganzen Herzen bereit und aufrichtig bei Gott und den Menschen Eine gesegnetes Jahr 2009 uns allen!
Amen.
Jochen Denker, Wuppertal-Ronsdorf
Als aber Jesus sah, dass er traurig geworden war, sprach er: Wie schwer kommen die Reichen in das Reich Gottes! 25 Denn es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in das Reich Gottes komme. 26 Da sprachen, die das hörten: Wer kann dann selig werden? 27 Er aber sprach: Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich. Lukas 18, 24-27
"... Während wir unter allen Arten von Übel völlig begraben sind, bestrahlt uns Gott mit seinem lebenschaffenden Licht, führt uns aus dem tiefen Schlund des Todes heraus und läßt uns wieder zu voller Glückseligkeit aufleben."
Ein aktuelles Fürbittengebet verbunden mit Worten des Reformators
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