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Osterlieder sind Wanderlieder
Mit Freuden zart zu dieser Fahrt - EG 108 am Sonntag Jubilate
„Mit Freuden zart zu dieser Fahrt lasst uns zugleich fröhlich singen...“ (Strophe 1)
Der Choral stammt von Georg Vetter. Er war Zeit seines Lebens auf großer Fahrt – aber nicht immer freiwillig. Er gehörte zu den Böhmischen Brüdern, die damals wegen ihres evangelischen Glaubens hart verfolgt wurden. Mehrfach mussten sie ihre Häuser und Kirchen aufgeben und Dörfer und Städte verlassen. Sie suchten Orte, wo sie bleiben und ihren Glauben frei und ohne Einschränkung leben konnten, wurden aber nicht selten abgewiesen.
Georg Vetter wusste also, dass das Leben kein Spaziergang ist, sondern bedroht, gefährdet, zerbrechlich. Trotzdem, oder gerade deswegen dichtet er ein Osterlied, das von Freude singt, die zart beginnt, aber dann „Lob und Dank mit freiem Klang“ ausbreitet (Strophe 3). Es soll ein Trost – und Trotzlied sein für seine Brüder (und Schwestern) der Gemeinde.
Uns erinnert Vetter daran, dass Osterlieder im Grunde Wanderlieder sind. Sie stärken zum Aufbruch, halten in Bewegung auf das große Ziel, das Gott in Aussicht stellt (Strophe 2), helfen, schwere Wegstrecken durchzuhalten und lassen müde und schmerzende Füße wenigstens eine Zeitlang vergessen.
Aber wer singt noch solche Lieder? Ich sehe die vielen verschlossenen Münder bei den zahlreichen Besuchern einer Osternacht in diesem Jahr vor mir, höre den äußerst schwachen Gesang einer großen Konfirmationsgemeinde und bin ratlos. Können oder wollen viele ChristInnen nicht mehr singen? Wie lässt sich der Schatz unserer alten und unter Tränen bewährten Lebenslieder bewahren?
Sylvia Bukowski, 11. Mai 2014
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