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Täglich mehr durch Gottes Gaben bereichert werden
Johannes Calvin zum Pfingstsonntag (Johannes 14,23-27)
Johannes 14,23-27
23 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen. 24 Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr höret, ist nicht mein, sondern des Vaters, der mich gesandt hat.
V. 23. „Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wer mich liebt...“ Schon vorher haben wir dargelegt, daß Gottes Liebe nicht auf den zweiten Rang verwiesen wird, als folge sie unserer Frömmigkeit und habe in dieser ihren Grund. Sondern die Gläubigen sollen den festen Glauben haben, daß der Gehorsam, den sie dem Evangelium leisten, Gott angenehm ist, und sie sollen eine wiederholte Zunahme der ihnen gewordenen Gaben von ihm erwarten. Wir werden zu ihm kommen. D. h.: zu dem, der mich liebt; er wird fühlen, wie Gottes Gnade sich auf ihm niederläßt, und wird täglich mehr durch Gottes Gaben bereichert werden. Er spricht also nicht von jener ewigen Liebe, die er uns schon vor unserer Geburt, ja vor der Erschaffung der Welt zuwandte, sondern von der Liebe, die er in unser Herz gibt, indem er uns zu seinen Söhnen macht. Und nicht einmal an die erste Erleuchtung denkt er, sondern an die Schritte des Glaubens, in denen die Gläubigen beständig vorwärtsgehen sollen, nach dem Wort: Wer da hat, dem wird gegeben werden. - Zu Unrecht also finden die Papisten in dieser Stelle eine doppelte Liebe ausgedrückt, die wir Gott erweisen. Sie stellen es so hin, daß wir Gott von Natur aus lieben, bevor er uns durch seinen Geist von neuem geboren werden läßt, und daß wir durch diese Vorbereitung auch die Gnade der Wiedergeburt verdienen. Dabei lehrt die Schrift doch überall, ruft doch auch die Erfahrung uns vernehmlich zu, daß wir erbitterte Feinde Gottes und von unversöhnlichem Haß gegen ihn erfüllt sind, bis er unser Herz verwandelt. Wir müssen also festhalten, was Christus vorhat: er selbst und der Vater werden kommen, um die Gläubigen in ihrem dauernden Vertrauen auf die Gnade zu stärken.
V. 24. „Wer aber mich nicht liebt ...“ Die Gläubigen leben in der Welt, unter den Ungläubigen, und es ist nicht zu vermeiden, daß sie wie auf unruhiger See hin und her geworfen werden. Darum stärkt Christus sie wieder durch diese Mahnung, damit sie sich nicht durch schlechte Beispiele auf Abwege bringen lassen. Mit andern Worten sagt er: Schaut nicht auf die Welt und macht euch nicht abhängig von ihr! Denn es wird immer Menschen geben, die mich und meine Lehre verachten. Ihr aber haltet an der Gnade, die ihr einmal ergriffen habt, bis zum Ende standhaft fest! - Außerdem macht er deutlich, daß die Welt, wenn sie m ihrer Blindheit zugrunde geht, die verdiente Strafe für ihre Undankbarkeit erhält. Durch ihre Verachtung der wahren Gerechtigkeit gibt sie ja einen ruchlosen Haß gegen Christus zu erkennen.
„Und das Wort, das ihr höret . ..“ Der Starrsinn der Welt soll die Jünger nicht wankend machen. Deshalb gibt Christus seiner Lehre wieder Gewicht, indem er bezeugt, sie stamme von Gott und sei nicht von Menschen auf der Erde ersonnen. Die Unerschütterlichkeit unseres Glaubens beruht auf unserem Wissen darum, daß Gott unser Führer ist und wir nirgendwo sonst als in seiner ewigen Wahrheit unseren Grund haben. Mag die Welt in ihrer Dreistigkeit sich noch so unsinnig gebärden, wir wollen der Lehre Christi folgen, die Himmel und Erde weit überragt. Wenn er sagt, die Hede sei nicht die seine, so stellt er sich damit auf eine Stufe mit seinen Jüngern, als sage er, sie sei nicht menschlicher Art, weil er getreulich weitergebe, was der Vater ihm aufgetragen habe. Wir wissen jedoch: insofern er die ewige Weisheit Gottes ist, stellt er die einzige Quelle aller Lehre dar, und durch seinen Geist haben alle Propheten von Anfang an geredet.
25 Solches habe ich zu euch geredet, während ich bei euch gewesen bin. 26 Aber der Tröster, der Heilige Geist, welchen mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch erinnern alles des, was ich euch gesagt habe. 27 Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.
V. 25. „Solches habe ich zu euch geredet ...“ Diese Worte läßt er deshalb folgen, damit sie nicht den Mut verlieren, mögen sie auch nicht so weit gekommen sein, wie es zu wünschen wäre. Denn damals streute er den Samen der Lehre aus, der eine Zeitlang leblos in den Jüngern verborgen lag. So ermahnte er sie voller Hoffnung zu sein, bis die Lehre Frucht bringe, obwohl sie im Augenblick hätte nutzlos erscheinen können. Er erklärt also, in der Lehre, die Sie gehört hatten, stehe ihnen reicher Trost in Fülle offen, und sie sollten nirgends sonst danach suchen. Wenn ihnen das nicht gleich jetzt deutlich sei, sollten sie guten Mutes bleiben, bis der Geist sie von innen her belehre und ihnen in ihrem Kerzen dasselbe sage. Diese Mahnung ist für uns alle von großem Nutzen. Denn wenn wir nicht sofort alles begreifen, was Christus lehrt, dann beschleicht uns ein Gefühl des Überdrusses, und wir sind nicht gewillt, in einer so undurchsichtigen Angelegenheit uns eine Mühe zu machen, die zu nichts führt. Dabei müssen wir doch die Bereitschaft mitbringen, uns belehren zu lassen, müssen die Ohren aufmachen und beständig aufmerksam sein, wenn wir in Gottes Schule recht vorankommen wollen. Vor allem aber ist Geduld vonnöten, bis uns der Geist die Bedeutung der Dinge eröffnet, die wir allem Anschein nach so oft gelesen oder gehört haben. Darum soll unser Lerneifer nicht erschlaffen, wollen wir nicht in Verzweiflung geraten; wenn wir nicht sofort den Sinn der Worte Christi verstehen, sollen wir dessen gewiß sein, daß uns allen die Worte gelten: Der Geist wird euch schließlich erklären, was ich gesagt habe. - Zwar kündigt Jesaja den Ungläubigen als Strafe an, das Wort Gottes solle ihnen gleichsam ein verschlossenes Buch sein. Doch demütigt der Herr auch die Seinen meistens auf diese Weise. Deshalb müssen wir geduldig und still die Zeit der Offenbarung abwarten und dürfen nicht etwa deswegen das Wort verschmähen. Wenn Christus übrigens erklärt, es sei die eigentliche Aufgabe des Heiligen Geistes, die Apostel zu lehren, was sie schon aus seinem eigenen Mund erfahren hatten, so folgt daraus: die äußere Predigt wird ohne den geringsten Erfolg bleiben, wenn nicht die Belehrung durch den Geist hinzutritt. Gott lehrt also auf zweifache Weise. Einerseits spricht er unser Ohr durch Menschenmund an, andererseits redet er innerlich durch seinen Geist zu uns. Und beides tut er bald in ein und demselben Augenblick, bald zu verschiedenen Zeiten, je nachdem es ihm richtig erscheint. Man beachte aber, worum es sich bei allen diesen Dingen handelt, über die uns der Geist nach der Verheißung Christi belehren wird: Er wird euch erklären, spricht er, oder ins Gedächtnis zurückrufen, was immer ich gesagt habe. Der Geist wird also keine neuen Offenbarungen bringen. Mit diesem einen Wort kann man all die Erfindungen widerlegen, die der Satan unter dem Deckmantel des Geistes von Anfang an hat in die Kirche eindringen lassen. Mohammed und der Papst sind sich einig in dem Grundsatze, nicht die ganze Lehre sei in der Schrift enthalten, sondern der Geist habe noch etwas Höheres offenbart. Aus derselben Quelle haben zu unserer Zeit die Wiedertäufer und Libertinisten ihren Unsinn bezogen. Und doch steht es so, daß jeder, der ein Phantasiegebilde von außen heranträgt, das dem Evangelium fremd ist, zwar nicht Christus, wohl aber den Geist betrügt. Denn Christus verheißt einen Geist, der die Lehre des Evangeliums gleichsam durch seine Unterschrift bestätigt. Was es heißt, der Geist werde vom Vater in Christi Namen ausgesandt, habe ich oben ausgeführt.
V. 27. „Den Frieden lasse ich euch ...“ Unter Frieden versteht Christus glückliches Ergehen, wie die Menschen es sich zu wünschen pflegen, wenn sie sich treffen oder auseinandergehen. Denn das bedeutet Friede im Hebräischen. Er spielt also auf den Brauch seines Volkes an, als sagte er: Ich lasse euch meinen Abschiedsgruß zurück. Aber bald darauf sagt er, dieser Friede bedeute viel mehr als gewöhnlich unter den Menschen. Diese nämlich führen den Frieden meistens ganz gedankenlos und nur, weil es so üblich ist, im Munde; und selbst wenn sie ihn jemandem ernstlich wünschen, können sie ihn doch nicht schenken. Christus aber behauptet, sein Friede sei nicht nur Inhalt eines leeren, nichtigen Wunsches, sondern dieser Wunsch sei mit der Erfüllung verknüpft. Er gehe zwar leiblich von ihnen, aber sein Friede bleibe; das heißt, durch seinen Segen sollten sie stets glücklich sein.
„Euer Herz erschrecke nicht ...“ Wieder tritt er der Angst entgegen, die seine Jünger infolge seines drohenden Hinscheidens befallen hatte. Er behauptet, es sei kein Grund zur Angst vorhanden. Nur den Anblick seiner leiblichen Gestalt müßten sie entbehren, kämen aber durch den Geist in den Genuß seiner wirklichen Gegenwart. Auch wir wollen lernen, uns mit dieser Form seiner Gegenwart zu begnügen, und nicht dem Fleisch nachgeben, das Gott immer an die äußerlichen Gebilde der eigenen Phantasie bindet.
Aus: Otto Weber, Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift. Vierzehnter Band: Das Johannes-Evangelium, Neukirchener Verlag, 1964, S. 363ff.
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